Slalom in Schladming:Der Lärm der Schneeflocken

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Kein Fahnenmeer, aber Flutlicht und Schneefall: Der Österreicher Marco Schwarz auf seiner Siegfahrt im zweiten Durchgang. (Foto: Daniel Goetzhaber/Gepa/Imago)

In diesem Winter muss der alpine Skisport ohne Zuschauermassen auskommen - in Schladming sorgen andere Faktoren für die Spannung eines Klassikers.

Von Felix Haselsteiner, Schladming

Wie wohl die 45000 Zuschauer reagiert hätten, als Manuel Feller sich am sechsten Tor aus dem Rennen verabschiedete? Feller, Österreichs genialster, aber eben auch wankelmütigster Slalomfahrer, war als Führender aus dem ersten Durchgang auf die Schladminger Planai gestartet, die eisig wie eh und je da lag, flach zum Start, steil ab Fahrsekunde 20, mit Tücken ausgestattet bis ins Ziel, wo normalerweise eine riesenhafte Arena die Fahrer empfängt, die ihresgleichen sucht.

Feller scheiterte schon oben, normalerweise also hätte die größte Kulisse des alpinen Skiweltcups in Trauer versinken müssen - wäre da nicht Marco Schwarz, der andere Österreicher, der bedingt durch Fellers Ausfall seinen zweiten Weltcupsieg feiern durfte. Fragwürdig daher, ob die Österreicher gejubelt hätten oder enttäuscht gewesen wären. Wohl eher ersteres, denn im Trubel des Schladminger Zielstadions ist der Hang zur Ekstase größer als zur Trübsal, nur weil eine Haarnadel-Kombination nicht richtig passiert wurde. "Natürlich wäre es noch um einiges cooler gewesen, wenn da 45.000 Leute gestanden wären", sagt Schwarz, pflichtbewusst, dass er im Moment des Sieges an die denken sollte, die nicht da waren. Aber auch ohne Zuschauer sei Schladming für Schwarz der "Klassiker schlechthin".

Es stellt sich in diesem Pandemie-Winter, in dem der Weltcup-Tross trotzig durch die Länder reist, ein wenig mehr als sonst die Frage, was denn nun einen "Klassiker" ausmacht. Die Zuschauer fallen weg, was bleibt, ist der reine Sport. Wengen wäre ein heißer Anwärter gewesen für die rein sportlich gesehen anspruchsvollste Abfahrt, die grassierende Corona-Mutante machte den Schweizern aber einen Strich durch die Rechnung und sorgte dafür, dass doch Kitzbühel - auch ohne den Trubel der Weißwurstparty, der B-Promis und der nach Flachau verlegten Slalombewerbe - zum Höhepunkt des Winters wurde. Die Klassiker funktionieren tatsächlich überraschend gut auch ohne die Massen, Schladmings Slalom am Dienstagabend war ein weiteres Beispiel dafür.

Sicherlich fehlten die ohrenbetäubenden Tröten, die Fahnen, die Bierseligen und die Geschichten, die vor allem die rot-weiß-roten Zuschauer auf der Planai schreiben, etwa dann, wenn sie mit Schneebällen auf nicht-österreichische Athleten werfen, so wie auf den Norweger Henrik Kristoffersen 2018. Am Dienstag warf niemand mit weißen Bällen, auch wenn das Baumaterial da gewesen wäre: Dichter Schneefall sorgte für ein winterliches Bild in der Nacht, einen würdigen Rahmen für einen Klassiker.

Im ersten Lauf zu langsam - Strasser musste zu viel riskieren

Dass am Ende Schwarz ganz oben stand, war kaum überraschend: Der 25-Jährige ist derzeit der konstanteste Slalomfahrer im Weltcup, bei sechs von sieben Events in diesem Jahr stand er auf dem Podium. Schwarz gewann bereits den anderen technischen Klassiker in Adelboden Anfang Januar, und es wirkt derzeit so, als habe der Österreichische Skiverband zwei Jahre nach dem Abschied von Marcel Hirscher aus dem Weltcup endlich wieder jemanden gefunden, der konstant auf höchstem Niveau fahren kann. Schwarz und Feller könnten als Fahrer kaum unterschiedlicher sein: Der eine ruhig, sicher und manchmal dadurch ein wenig zu zaghaft, der andere so aggressiv, dass jede Haarnadel ein Risiko ist, aber der Speed ihm jederzeit eine Fabelzeit ermöglicht.

Irgendwo in der Mitte zwischen den beiden österreichischen Hoffnungen liegt wohl Linus Strasser mit seiner Technik. Auch Strasser ist, wie Feller, ein genialer, akrobatischer Skifahrer - dem aber, wie Schwarz, immer dann der Speed fehlt, wenn er auf Sicherheit fährt. Im ersten Lauf auf der Planai hatte Strasser daher 2,6 Sekunden Rückstand gesammelt, die ihn dazu drängten, im zweiten Lauf alles zu riskieren. Doch anders als noch in Zagreb, wo der Deutsche mit einer Aufholjagd sensationell gewonnen hatte, musste er in Schladming einen Ausfall hinnehmen. "Es geht nicht nur hinauf, es kommen auch mal schwierige Rennen oder Phasen", sagt Strasser nach dem Rennen beim BR. Er wolle nun fit werden für die nächsten Bewerbe am Wochenende in Chamonix in Frankreich, dann "ein wenig den Kopf frei bekommen" bis zur Weltmeisterschaft in Cortina d'Ampezzo - dem nächsten Klassiker im alpinen Winter, der ohne Zuschauer funktionieren soll.

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