Skispringen:Unverschämtheit und Chance

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Immerhin ein bisschen in Szene setzen: Die deutsche Skispringerin Katharina Althaus startet auch bei der Silvester-Tournee. (Foto: Michael Memmler/Eibner/Imago)

Die Skispringerinnen kritisieren zu Recht die neue Silvester-Tournee - Werbung für sich und ihren Sport könnten sie dennoch damit machen.

Von Volker Kreisl

Es ist doch alles so schön angerichtet. Die Frauen haben nun schon ihre eigene Tournee, jedoch: Die Skispringerinnen sind verärgert. Die Silvester-Tournee soll eine gleichwertige Frauen-Miniserie darstellen, nun erstmals zum Jahreswechsel und dann das: "Während Karl Geiger und Kollegen vor 40 000 Zuschauern Weiten um 140 Meter abliefern," schrieb die deutsche Top-Springerin Luise Görlich nun in ihrer Kolumne bei sport.de, müssten sie von der kleinen Normalschanze in Kärnten springen: "Beim Kameraschwenk wirkt das im Vergleich mal derart verniedlichend, dass man eben nur beschmunzelt wird."

Das klingt nicht gerade dankbar und ist wohl dennoch eine nachvollziehbare Reaktion. Denn es geht bei Entwicklungen im Sport nicht um Geschenke, sondern um die Einführung von Veranstaltungen gemäß der Zeit. Die Skispringerinnen haben mittlerweile die Fähigkeiten, eine spannende und spektakuläre Tournee zu bestreiten, jedoch ist eine solche in mittlere Ferne gerückt. Vor anderthalb Wochen hatte Roswitha Stadlober, Präsidentin des Österreichischen Skiverbandes, erklärt, die für kommenden Winter geplante erste Frauen-Vierschanzentournee, und zwar die echte, müsse mindestens um weitere zwölf Monate, also auf den Jahreswechsel 2024/25 geschoben werden. Das hat in der Szene der Skispringerinnen bereits bittere Reaktionen ausgelöst, zum einen wegen der Entscheidung, zum anderen wohl auch wegen der dürftigen Begründung des ÖSV, die so gut wie nichts besagt. "Es gibt noch viele zu berücksichtigenden Faktoren, die eine frühere Einführung nicht ermöglichen", hieß es.

Viele der Topspringerinnen fühlen sich offenbar nicht ernstgenommen

Nun also die Silvester-Tournee. Sie ist ein Mittelweg. Einerseits können sich die Springerinnen hier zur allgemein hohen Zeit dieses Sports immerhin ein bisschen in Szene setzen. Andererseits fühlen sich viele von ihnen offenbar nicht ernst genommen. Ihr Sport hat sich in den vergangenen zehn Jahren sukzessive verbessert, es gibt zwar noch nicht so viele Springerinnen wie skispringende Männer, aber die Wettkämpfe werden, wie es halt so ist, Jahr um Jahr dichter und spannender. Auch deshalb schreibt Görlich wohl: "Unverschämtheit, im Zeitalter der Gendergerechtigkeit, die Entscheidung auf eine eigene Tournee wieder verschoben zu haben."

Der traditionelle Wintersport, insbesondere aber auch Nordische Sport sei in seinen Traditionen in Norwegen tendenziell "sehr konservativ", hat der norwegische Skisprung-Coach Alexander Stöckl kürzlich gesagt. Diese Grundhaltung, die sicherlich nicht auf Skandinavien beschränkt ist, könnte es sein, was die Weltspitze der Skispringerinnen gerade so aufbringt. Tatsächlich hatte im Gegensatz zum österreichischen der deutsche Verband längst ein Vierschanzenspringen für den Winter 23/24 geplant. Und die entsprechenden Weltcup-Termine in Garmisch und Oberstdorf hat der DSV längst beantragt.

Trotz des Ärgers darüber, dass im Vergleich zur Männer-Tournee auf Schänzlein gesprungen wird, könnte, falls sich die Zuschauer schnell umstellen, ein spannender Wettkampf entstehen. Zwei Springen in Villach/Österreich (28. und 29.12.) und zwei in Ljubno/Slowenien (31.12. und 1.1.) wirken zwar auch wie ein Abklatsch einer Tournee, und weniger spektakulär, könnten aber doch einen Hinweis geben auf eine echte Tournee in zwei Jahren, falls es denn klappt.

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