Skispringen:Geiger befreit sich - und das Team

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Karl Geiger aus Deutschland freut sich über seinen Sieg. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Der Oberstdorfer Skispringer hat doch noch schnell zu seiner Form gefunden. In Klingenthal gewinnt er vor dem bislang überragenden Österreicher Stefan Kraft.

Von Volker Kreisl

Skispringer wirken gelegentlich, als wären sie die meiste Zeit ihrer sportlichen Betätigung weggetreten. Sie sitzen in Gondeln oder Sesselliften und starren in den Schnee unter sich. Sie nehmen in einem Warteraum im Schanzenturm Platz und starren auf einen Warteraumboden. Oder sie sitzen auf einem Holzbalken und starren auf ein ganzes Stadion. Jedoch sind sie in diesen Momenten mitnichten hypnotisiert. Sie sind hellwach und konzentriert.

Es geht um die Form, die sich im Laufe eines Wochenendes und eines ganzen Winters immer weiter entwickelt - bei den einen schneller, bei den anderen langsamer. In der noch jungen Saison 2023/24 haben sich zwei Nationen nun bereits eine starke Position verschafft: Die Österreicher und die Deutschen besetzten in den ersten drei Weltcups grob drei Viertel der Top-Ten-Plätze, die Deutschen die meisten Top-Drei-Plätze - zunächst aber schaffte keiner von ihnen einen Sieg. Bis zu diesem Wochenende. Bis zum Samstag, als Karl Geiger aus Oberstdorf mit seiner Arbeit fertig war. Er bezwang den bis dahin überragenden Österreicher Stefan Kraft und gewann nach zwei misslungenen Skandinavien-Weltcups in Klingenthal/Sachsen.

Geiger überraschte alle, dabei ist er einer, dem man am meisten zutraut, wenn er an seinem Sprung noch feilen muss, an irgendeinem Detail, der Hocke beim Absprung, dem Flugsystem, der Landung oder dem allgemeinen Selbstbewusstsein. "Ich würde lügen, wenn ich sage, man hat nie Zweifel", sagte Geiger anschließend, "irgendwie kommt man nicht raus aus dem Sumpf und weiß nicht, was man noch machen soll." Diesmal fand er schon am Samstag des dritten Saisonweltcups in die Spur, was er aber nicht nur an seiner eigenen Art lag. Geiger ist eher ein analytischer als ein intuitiver Springer, was bedeutet, dass er in Zeiten einer Formkrise in Ruhe recht schnell die Fehler findet.

Der Vorteil, den alle Springer von Bundestrainer Stefan Horngacher genießen, ist diese Saison die große Mannschaft; eine Seilschaft im ursprünglichen, positiven Sinn. Einer kam in dieser Saison immer aufs Podest bei allen fünf Springen, einmal sogar zwei. Es ist eine Art Aufgabenverteilung: Die eine Gruppe springt in die Top Ten samt Podestplatz und feiert. Die anderen, wie gerade der erfahrene Markus Eisenbichler und der relativ junge und leicht erkrankte Philipp Raimund, 23, haben alle Zeit, um in Ruhe den Fehler im Sprungablauf zu finden - und bald wieder aufs Podest zu springen.

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