Skicross:Trickreicher als die Quereinsteiger

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Fährt draufgängerisch, aber mit Köpfchen: Florian Wilmsmann (links) versucht stets, seine Läufe mit einem Blitzstart von vorne zu dominieren. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Florian Wilmsmann aus Holzkirchen ist in diesem Winter der beste deutsche Skicross-Fahrer. Auch, weil er die Disziplin sehr früh für sich entdeckte.

Von Matthias Schmid

Wann genau er mit dem Sport begonnen hat, weiß Florian Wilmsmann nicht mehr. Aber er war noch Schüler des Skiinternats in Berchtesgaden und ein vielversprechendes Alpin-Talent, als er sich das erste Mal auf eine Skicrossstrecke hinauskatapultierte. "16, 17 Jahre muss ich gewesen sein", erzählt Wilmsmann am Telefon. Der Holzkirchener war also ungewöhnlich jung, als er sich in der rasanten und spektakulären Sportart ausprobierte, in der sich vier Rennläufer gleichzeitig auf eine Piste stürzen, in die Wellen, Kurven und Sprünge, also zusätzliche Fallen eingebaut sind. Viele wechseln erst mit Anfang 20 oder später zu der Sportart, die viel fahrerisches und taktisches Geschick und Können verlangt, weil sie es bei den Alpin-Rennläufern nicht ganz in die Weltelite schaffen.

Heute ist Wilmsmann 23 und profitiert davon, dass er sich schon so lange dem Skicross widmet. In diesem Winter ist er sogar der beste deutsche Rennläufer im Weltcup, vor dem Saisonabschluss im Schweizerischen Veysonnaz Mitte März liegt er im Gesamtklassement auf Rang fünf - als jüngster Fahrer in den Top Ten überhaupt.

Sein Riesenslalomschwung ist noch nicht perfekt

Vor zwei Wochen hat er seinen ersten Weltcupsieg am Feldberg in Baden-Württemberg nur knapp verpasst, im Finale war nur der Schweizer Ryan Regez schneller als der Sportler vom TSV Hartpenning. Über die vertane Chance hat er sich nicht sonderlich aufgeregt, wie er zugibt, "weil ich weiß, dass ich schnell fahren kann und irgendwann der Sieg kommen wird." Aber etwas geknickt war er schon, weil er den Schweizer im Europacup-Rennen davor geschlagen hat. "In Grasgehren hatte ich ihn noch im Sack", sagt Wilmsmann recht salopp. So wie er spricht, fährt er auch Skicross: Draufgängerisch, aber mit Köpfchen. Er versucht stets, seine Läufe mit einem Blitzstart von vorne zu dominieren. "Man hält sich so aus allem raus und kann seine Linie und sein Rennen fahren."

Vor allem die Vielseitigkeit und die permanente Anpassung an die verschiedenen Kurse und Bedingungen faszinieren ihn, in der Qualifikation sind auch die Skicrosser Einzelkämpfer gegen die Uhr, bevor in der K.o.-Runde der besten 32 dann der Boxkampf auf Skiern beginnt. "Man muss sich ständig umstellen", sagt Wilmsmann. Dass er ein feines Gespür für die Sportart hat, deutete sich früh an, nachdem er 2017 den Titel bei der Junioren-Weltmeisterschaft errungen hatte. Auch der anspruchsvolle Übergang in den Weltcup gelang ihm ohne Probleme. Mehr noch: Auf Anhieb erhielt er die Beförderung für die Olympischen Spiele in Pyeongchang 2018, wo er dann allerdings schon in der ersten Runde ausschied.

Florian Wilmsmann ist kein Überflieger, der sich mit einem gewaltigen Schlag in der Weltklasse vorgestellt hätte, er ist ein Athlet, der sich kontinuierlich und bisher frei von Brüchen entwickelt hat, bis er mit den besten mithalten konnte. "Ich profitiere davon, dass ich in so jungen Jahren schon so viele Rennkilometer aufweisen kann", sagt Wilmsmann. Er kennt im Vergleich zu den Quereinsteigern alle Tricks und Strategien, die Alpinfahrer benötigen meist zwei, drei Jahre, bis sie sich daran gewöhnt haben, dass sich mit ihnen noch drei weitere Rennläufer gleichzeitig auf der Piste tummeln. "Sie lassen sich da vom Körperkontakt noch leicht beeinflussen", sagt Wilmsmann. Seine Defizite macht er dafür im nicht ganz perfekten Riesenslalomschwung aus, den auch die Skicosser benötigen, um sauber durch die Kurven zu kommen. "Aber ich habe intensiv mit meinem Trainer Peter Stemmer daran gearbeitet und es sieht inzwischen ganz gut aus."

Bevor die Rennsaison mit dem Weltcupfinale endet, will er sich vorher noch Anfang März bei der Universiade im russischen Krasnojarsk ordentlich präsentieren. "Die Russen haben mir gesagt, dass sie Skicross dort ganz groß aufziehen", sagt Wilmsmann. Er freut sich auf die Winterspiele der Studenten. Der Sportsoldat studiert nebenbei Betriebswirtschaftslehre im Fernstudium. "Es ist mir sehr wichtig, meinen Horizont zu erweitern, damit ich nicht nur Sport, Sport, Sport im Kopf habe", bekennt Wilmsmann. Denn das Skicross beansprucht den größten Teil seiner Jahresplanung. Der Winter endet für ihn aber nicht mit dem Weltcupfinale abrupt, Materialtests stehen danach an, die auch im Skicross immer bedeutsamer werden, bevor im April bei der Bundeswehr schon die Vorbereitung mit Grundlagentraining für die neue Saison beginnt. "Im Sommer habe ich dann schon auch Zeit, um mich meinem Studium zu widmen", erzählt Florian Wilmsmann. Er genießt es dann, auch mal andere Menschen kennen zu lernen und zu treffen - nicht immer nur Wintersportler.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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