Ski alpin:Mikaela Shiffrin - nur in Europa ein Star

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In Europa bekannter als in den USA: Ski-Rennnläuferin Mikaela Shiffrin (Foto: AP)

Mikaela Shiffrin ist die erfolgreichste Skifahrerin der Gegenwart - doch in ihrer Heimat, den USA, kennt sie kaum jemand. Sie ist der Gegenentwurf zur extrovertierten Lindsey Vonn.

Von Matthias Schmid

Seit ein paar Monaten lernt Mikaela Shiffrin Italienisch. Sie will sich mit den Menschen, die ihr jährlich eine hübsche Summe aufs Konto überweisen, in deren Muttersprache unterhalten können. "Buona sera", "Grazie" oder "Arrivederci" kommen der Amerikanerin schon recht flüssig über die Lippen. Auf ihrem Helm und ihrer Mütze prangen der Schriftzug eines italienischen Nudelherstellers. Dass ihr teuerster Werbeplatz einem europäischen Unternehmen zufällt, sagt viel darüber aus, dass das Gesicht von Shiffrin in Europa viel wertvoller und bekannter ist als in den USA, ihrer Heimat.

Vor diesem Winter hatte die Ski-Rennläuferin in Sölden in einem bequemen roten Sessel vor einem künstlichen Kamin und im karierten Holzfällerhemd offen darüber geplaudert, dass es ihr nicht viel anders ergehe als ihrem Landsmann Bode Miller. "In Amerika bin ich nur ein Average Joe", bekannte Shiffrin, ein Durchschnittstyp: "Kaum jemand außerhalb meines Heimatortes weiß, was ich eigentlich so mache."

Sie erinnerte daran, wie Miller zu seinen besten Zeiten als Olympiasieger, Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger sich gerne in den USA ein T-Shirt überstreifte, wenn er aus dem Haus ging und unbehelligt durchs Einkaufszentrum schlendern konnte. "Ich bin berühmt in Europa", stand darauf, erzählte Shiffrin und lächelte.

Im selben Alter hatte Lindsey Vonn erst vier Weltcup-Siege

Aber richtig lustig findet sie den Umstand nicht, dass sie als eine der erfolgreichsten Wintersportlerinnen ihres Landes in den US-Medien nur in den Kurzmitteilungen vorkommt, ohne große Bilder und große Texte. Dabei gewann sie mit 17 Jahren ihren ersten WM-Titel, mit 18 Jahren erstmals Gold bei Olympia und führt nun, mit 21, mit großem Vorsprung den Gesamtweltcup an. In Europa, vor allem in Österreich, Italien und in der Schweiz, schafft es Shiffrin aus diesem Grund regelmäßig in die breaking news. Zuletzt, als sie ein weiteres Kapitel Ski-Geschichte schrieb, weil sie zwölf Slalomrennen nacheinander gewinnen konnte. Österreichs Ski-Ikone Annemarie Pröll kam einst auf elf Abfahrten, nur den großen Ingemar Stenmark konnte Shiffrin bislang nicht einholen, der Schwede entschied 14 Rennen in Serie für sich: Sie fädelte bei ihrem 13. Versuch in Zagreb ein und schied aus.

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Die US-Amerikanerin gewinnt am Semmering ihren zwölften Slalom nacheinander - eine solche Serie ist noch keiner Skirennfahrerin gelungen.

Bestmarken oder Einträge in die Annalen des Skisports sind der 21-Jährigen aber nicht wichtig. Behauptet Shiffrin. Rekordsiegerin Lindsey Vonn bringt es bisher auf 76 Weltcup-Siege. "Ihr solltet alle aufhören, mir diese Sachen zu erzählen", wehrt Shiffrin immer wieder ab: "Ich versuche nur Ski zu fahren." Shiffrin kommt vor dem Nachtslalom an diesem Dienstag in Flachau auf 27 Weltcup-Erfolge, in ihrem Alter hatte Vonn erst vier Rennen gewonnen.

Die Fragen nach Lindsey Vonn mag Shiffrin genauso wenig wie zweite Plätze. Als sie in Sölden gefragt wurde, ob sie schon Vonns neues Buch gelesen habe, entgegnete sie: "Ich habe noch fünf andere Bücher, die ich zu Ende lesen muss."

Anders als ihre Landsfrau hält Mikaela Pauline Shiffrin aus Avon/Colorado nichts davon, sich künstlich zu inszenieren, um populärer zu werden. Sie meidet jede Effekthascherei. Sie will sich und das Skifahren in den USA über den Sport bekannter machen, sie ist der Gegenentwurf zu Lindsey Vonn, die eher exhibitionistisch veranlagt ist und gerne ihr Gesicht in den Klatschblättern sieht. Vonn war nicht nur mit Tiger Woods liiert, sondern ließ sich auch mal nackt in der Abfahrtshocke ablichten, nur die Stöcke unter die Arme geklemmt.

Shiffrin will mit ihren Siegen und ihrer Eloquenz auffallen, sie kann deshalb ihrer fehlenden Aufmerksamkeit sogar etwas Gutes abgewinnen, versichert sie, "meiner Privatsphäre hilft das". Aber sie ist in dieser Frage hin und her gerissen. "Um mehr Sponsoren zu bekommen, wäre es gut, wenn das Skifahren in den USA mehr Menschen interessieren würde", sagt sie. In Jahren Olympischer Spiele ist das auch der Fall. Als sie 2014 Slalom-Gold in Sotschi gewann, erkannten sie hinterher ein paar Menschen auf dem Flughafen, erzählt sie. Danach war es mit dem Ruhm in ihrem Heimatland schnell wieder vorbei.

Deshalb hofft sie nun, dass Weltcup-Rennen in den USA dem alpinen Skisport zum Aufschwung verhelfen können. Killington und Squaw Valley gehören seit diesem Winter wieder zum Weltcup-Kalender, "das ist gewaltig für den Skisport in den Staaten", sagt Shiffrin: "Skirennen waren für mich als Kind immer das Größte. Ich bin damit aufgewachsen, Lindsey Vonn im Fernsehen zu gucken, Anja Pärson und Janica Kostelic."

Sie gleitet wie auf Schienen

Mittlerweile schauen kleinere Mädchen im Fernsehen Mikaela Shiffrin zu. Vor allem in Europa inspiriert sie den Nachwuchs, weil sie so spektakulär und überlegen fährt, sie gleitet wie auf Schienen, es spritzt kein Schnee auf, wenn sie den Berg hinuntercarvt und Rennen mit bis zu drei Sekunden Vorsprung gewinnt. Bei ihrem jüngsten Sieg in Maribor ließ sie sich auch nicht von einer ausgerissenen Torstange aufhalten, die ihr plötzlich vor die Skier flog. Während die meisten ihrer Konkurrentinnen wohl gestürzt wären, fuhr sie unbeirrt weiter. Shiffrin tanzte mit der Torstange und gewann das Rennen. "Das hat mich kurz abgelenkt. Aber ich denke nicht, dass mich der Zwischenfall viel Zeit gekostet hat", bekannte sie danach.

So nüchtern, wie sie über ihre Missgeschicke redet, so nüchtern feiert sie auch für gewöhnlich ihre Siege. Als sie über die Ziellinie fuhr, bremste sie einfach ab, ohne große Geste oder Geschrei, sie schwang so ruhig ab wie eine Touristin, die vor der Hütte eine Pause macht und sich auf die Brotzeit und den Almdudler freut.

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