Ski Alpin:Immer wieder ein Hoppala

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Sieht rasant aus, ist aber nicht schnell genug: Stefan Luitz verpasste in Alta Badia nach einem Fahrfehler den zweiten Lauf im Riesenslalom. (Foto: Thomas Bachun/imago images/GEPA pictures)

Beim Riesenslalom in Alta Badia überrascht Alexander Schmid als 13.

Von Gerald Kleffmann, Alta Badia

Kurz schepperte es, nicht sehr laut, der viele Schnee wirkte wie ein Schalldämpfer, zudem war der Auffahrunfall beim Zurücksetzen nicht gravierend. Zwar eilte ein Carabinieri herbei, um sich den Fiat 500 und den geschrammten Kleinbus anzusehen, aber dann: einvernehmliches Lächeln der Beteiligten, tutto bene. Im Hintergrund tönte der Stadion-Sprecher durch die Boxen. Kleine dunkle Striche tauchten am oberen Rand der Waldlichtung auf, die zackig nach unten kurvten.

Die Gran Risa, ein Hang von schwindelfördernder Steilheit nahe des Ortes Stern, ist schwer zu bewältigen, diesmal aber war er noch fordernder für die Fahrer beim Riesenslalom von Alta Badia. Als Stefan Luitz nach seinem ersten Einsatz, der sein letzter an diesem Tag sein sollte, zum Interview auftauchte, strahlte er gelassen wie der Carabinieri zuvor am Unfallort - doch er wirkte wesentlich angestrengter.

Nach zwei Tagen, an denen die Speedfraktion des Ski-Weltcups in Gröden im Einsatz war (nach dem Super-G war die Abfahrt am Samstag aufgrund Nebels und Neuschnees ausgefallen, wie die Frauenabfahrt in Val d'Isère, die weder am Samstag noch am Sonntag stattfinden konnte), waren die Techniker beim Riesenslalom am Sonntag an der Reihe; am Montag folgt der Parallel-Riesenslalom. Für den Deutschen Ski-Verband bedeutete dieser Wechsel einen Stimmungswechsel. Während die Hochgeschwindigkeitspiloten sich zu einer bestleistungsfähigen Einheit entwickelten, wie Thomas Dreßen mit Rang drei am Freitag erneut belegte, stellen die Techniker die Sorgenkinder dar. Die Ära nach der Ära von Felix Neureuther beginnt gleich mit neuen, vertrauten Problemen.

Beim Sieg des Norwegers Henrik Kristoffersen (der den Zustand der Piste als "skandalös" bezeichnete) spielten die drei deutschen Starter keine Rolle, dezimiert war die Auswahl ohnehin angetreten. Der hochveranlagte Münchner Linus Straßer, 27, pausiert aufgrund eines Kahnbeinbruchs in der rechten Hand sechs Wochen. Und der ewige Fritz Dopfer findet nicht mehr ganz so ewig wohl statt, der 32-Jährige hat nach den Riesenslaloms von Sölden und Beaver Creek, als er jeweils den zweiten Durchgang verpasste, entschieden, in dieser Saison nicht mehr in seiner einstigen Lieblingsdisziplin anzutreten. Blieben in Alta Badia der Bolsterlanger Luitz, der Oberstdorfer Alexander Schmid, 25, und der Garmischer Bastian Meisen, 23 (schied im ersten Durchgang aus) als Rumpftruppe. Nur Schmid, der erst im September ein Pfeiffersches Drüsenfieber überwunden hatte, qualifizierte sich als 29. der zugelassenen 30 Kandidaten für die zweite Schicht - und überraschte dort als 13. mit seinem drittbesten Endergebnis; Sechster (2017/Val d'Isère) und Elfter (2019/Bansko) war er zuvor gewesen. Luitz dagegen erlebte einen typischen Luitz-Tag. Gut unterwegs, ein Fehler, von der Linie abgekommen; acht Hundertstel schneller, und er wäre nicht 31., sondern 30. gewesen und hätte eine zweite Chance erhalten. Nicht alles wollte Luitz indes negativ deuten, "ich denke, dass die Zwischenzeiten in Ordnung waren". Seine Leistung ließe sich "so und so" betrachten, und das stimmte. Nur sind So&So-Situationen meist nicht erbaulich.

Luitz kann sich umso glücklicher schätzen, dass seine Vorgesetzten um sein Naturell wissen und ihn beharrlich in Schutz nehmen, was viel Arbeit erfordert. "Wir haben oft sehr sensible Rennfahrer", beschwichtigte DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier: "Damit muss man jetzt aber einfach mal klar kommen. Man muss die Themen nicht schwerer machen, als sie sind." Aber auch nicht leichter, was Christian Schwaiger zum Ausdruck brachte: "Wenn man die letzten Saisons sieht, ist halt immer irgendetwas gewesen. Das beschäftigt ihn manchmal mehr, als der Leader zu sein", sagte der neue Cheftrainer.

Luitz ist bekanntlich jener begabte Fahrer, der oft vor dem Erfolg steht - doch wie eine rote Linie ziehen sich Missgeschicke durch seinen Weg, sein Abschneiden in Alta Badia reiht sich da ein, wenngleich weniger dramatisch diesmal. 2014 fädelte er bei Olympia in Sotschi nach Zwischenbestzeit im Riesenslalom am letzten Tor ein - Medaille weg! 2017, nach einem Saison-Start mit den Rängen drei und zwei: Kreuzbandriss in Alta Badia, das Aus für die Winterspiele in Pyeongchang. Gut ein Jahr später Rückkehr in Beaver Creek, erster Triumph im Riesenslalom, über den lange ein Schatten einer juristischen Auseinandersetzung lag. Luitz hatte zwischen den Durchgängen Sauerstoff aus einer Flasche eingeatmet, der Sieg wurde aberkannt, Ski-Weltverband und Welt-Anti-Doping-Agentur rangen miteinander, ehe der Internationale Sportgerichtshof Luitz den Sieg zusprach. Doch die Freude war längst getrübt. Richtig fing er sich seitdem nicht mehr, Vierter wurde er noch in Saalbach. Anfang 2019 dann eine Schulterluxation, bei der WM in Are ein Innenbandeinriss. Schwaiger spricht von "Hoppalas", die Luitz so oft erlitt, "das trägt auch nicht dazu bei, dass Ruhe ins System reinkommt".

Verständlich, dass sich der Frust in einen reinfrisst, und vielleicht ist das einer der Gründe, warum Luitz manchmal schmallippiger reagiert wie am Sonntag. "Ganz leicht von der Hand geht es nicht", räumte er kurz angebunden ein, um die Frage, woran das liege, ohne Antwort abzuwehren: "Das lasst mal meine Sorge sein!"

Schwaiger war deutlich auskunftsfreudiger: "Stefan bringt super Trainingsleistungen", sagte der Österreicher. "Er muss sich aber mal locker hinstellen und es runterbringen." Nur wie, wenn man innerlich zu viel Druck aufbaut: "Er erwartet zu viel von sich", betonte Schwaiger. Dass eine niedrigere Erwartungshaltung entkrampfen kann, bewies Schmid. "Mit dem zweiten Durchgang muss ich sehr, sehr zufrieden sein", sagte der Allgäuer, "ich hatte mir vorgenommen zu attackieren, das habe ich erreicht." Immerhin eine gute Nachricht an diesem Sonntag für die deutschen Ski-Techniker.

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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