Sex-Affäre um John Terry:Puritanische Lust

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Der englische Nationalfußballer John Terry hatte einige Affären - an diesem Freitag entscheidet sich, ob er Kapitän bleiben kann.

Raphael Honigstein

An diesem Freitagnachmittag schlägt für John Terry die Stunde der Wahrheit. Fabio Capello will mit ihm klären, ob der Chelsea-Verteidiger nach seiner Affäre mit der ehemaligen Freundin des Nationalmannschaftskollegen Wayne Bridge (Manchester City) weiterhin Kapitän bleiben kann.

Geht in Deckung: John Terry bangt um das Amt als Kapitän der englischen Nationalelf. (Foto: Foto: afp)

Aus Italien war zu hören, dass der Trainer dazu tendiert, dem 29-Jährigen die Kapitänsbinde lassen, sofern ihn Terry restlos über diesen sowie andere Fehltritte aufklärt.

Nichts wäre für Capello peinlicher, als nach einer Entscheidung für seinen Kapitän von neuerlichen Enthüllungen am Sonntag, dem Tag der EM-Qualifikationsgruppenauslosung in Warschau, überrascht zu werden. Die News of the World, jenes Blatt, das in der Vorwoche über Terrys Verhältnis mit Vanessa Perroncel, 28, berichtete, hat dem Vernehmen nach noch eine zweite Affäre mit einer verheirateten Spielerfrau aufgedeckt.

So lange es sich auch in diesem Fall nicht um die aktuelle Partnerin eines aktuellen Mitspielers handelt, könnte Capello das Fehlverhalten gerade noch als fußballfremde Privatsache entschuldigen. Der 63-Jährige verlangt von seinen Schützlingen zwar untadeliges Auftreten, weist der Armbinde dabei aber bei weitem nicht jene Symbolkraft zu, die sie in England seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1966 mit dem legendären Spielführer Bobby Moore genießt.

Sportminister Gerry Sutcliffs populistische Einlassung ("Terry ist ein guter Kapitän, aber er trägt darüber hinaus größere Verantwortung für sein Land") steht stellvertretend für diese traditionelle Überhöhung der Rolle, während Capellos Assistent Stuart Pearce nicht ganz zu Unrecht die puritanische "Lust an der Hexenjagd" auf der Insel beklagte.

In England wird die Debatte um die Vorbildfunktion von Sportlern und anderen Prominenten gerne besonders vehement geführt, doch abseits des - meist gespielten - Aufruhrs in den Zeitungen obsiegt meistens schnell wieder britische Gelassenheit und Toleranz. David Beckhams Affäre mit einer PR-Dame in Madrid ist längst vergessen, genau wie die Steven Gerrards Verwicklung in eine Schlägerei vor einem Jahr.

Dem von einer Ketchupfirma zum "Dad of the Year 2008" ernannten Familienvater Terry selbst hat Englands Fußball ja auch schon allerhand nachgesehen; sein Sündenregister reicht von betrunkenen Abenden in Striplokalen und Affären mit Teenie-Fans bis zu einer privaten Gästetour über Chelseas Trainingsgelände, für die er 10.000 Pfund kassierte.

Nicht einmal der plumpe Versuch, sich vor der WM als Werbeträger anzubieten - eine von ihm beauftragte Marketingagentur versandte eine E-Mail an Tausende Firmen, in der Terry als "eine der einflussreichsten Personen der Welt" deklariert wurde - hätte für sich gereicht, um seine Ausnahmestellung in der Nationalelf zu gefährden. Terrys Hauptproblem ist - neben einem zunehmend außer Kontrolle geratenen Ego - ein anderes: Er wird sehr schlecht beraten.

Nach den gescheiterten Transferverhandlungen mit Manchester City und der Unterzeichnung eines neuen Vertrags in London trennte sich Terry von seinem langjährigen Berater Aaron Lincoln und engagierte zwei alte Freunde an seiner Stelle. Die Kumpels handelten einen exklusiven Kolumnisten-Vertrag für die WM mit der Sun aus, damit machte er sich in anderen Redaktionen unnötig zur Zielscheibe. Das Schwesterblatt News of the World kennt in diesen Dingen keine Linientreue: Terrys Vater wurde als Gelegenheits-Drogendealer entlarvt, der Spieler als Schürzenjäger bloßgestellt.

Das dilettantische Krisenmanagement seines Umfelds offenbarte sich vor einer Woche, als Terrys Anwälte erfolglos gegen die Veröffentlichung der Perroncel-Affäre klagten. Der Richter zeigte Sympathie für den Kläger, konnte aber nicht verstehen, warum Terry anstatt der Verletzung seiner Privatsphäre und den negativen Folgen für seine Familie vor Gericht den Verlust seiner "Reputation bei Sponsoren" betont hatte. Dass Terrys Berater für das vorgelegte Vertraulichkeitsabkommen mit Perroncel nur die symbolische Summe von einem Pfund gezahlt hatten, wollte Judge Tugendhat auch nicht glauben.

Humorige SMS

Selbst als die einstweilige Verfügung aufgehoben war, log Terry einfach weiter. Er bot der Sun an, in einem Interview zusammen mit dem Unterwäsche-Model seine Unschuld zu beteuern. Das Blatt brachte zur Strafe die Geschichte groß raus, überließ aber der News of the World die Meldung, dass Terry der von ihm geschwängerten Perroncel die Abtreibung gezahlt hat.

Die Französin, die einen Sohn aus der Beziehung mit Bridge hat, überlegt noch, ob sie sich für viel Geld einer Zeitung offenbart. Terry dürfte einigermaßen unbeschädigt aus der Sache kommen, falls er sich öffentlich entschuldigt und mit seiner Frau versöhnt. Chelsea-Trainer Ancelotti hat dem Manndecker Sonderurlaub erteilt; zum Valentinstag will er seiner Familie nach Dubai hinterherreisen.

Für Terry spricht, dass in der Nationalmannschaftskabine das unschöne Thema nüchterner diskutiert wird, als man zunächst annehmen könnte. Bridge, der momentan noch am Knie verletzte Linksverteidiger, wird in Südafrika nur als Ersatzmann von Ashley Cole gebraucht; auf Terry kann das Team nicht verzichten.

Wie die Londoner Times berichtet, haben ihm einige Kollegen humorige Textnachrichten geschickt. Er solle doch bitte Kapitän bleiben, damit sich die Medien weiter nur auf sein Liebesleben konzentrieren.

© SZ vom 05.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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