Serie A:Picknick mit vollen Bäuchen

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Er durfte, das änderte aber auch nichts an der unerwarteten Niederlage von Juventus Turin bei SPAL Ferrara: Paulo Dybala (Mitte). (Foto: Isabella Bonotto/AFP)

Weil Trainer Massimiliano Allegri praktisch alle wichtigen Spieler für das anstehende Champions-League-Spiel schont, verliert Turin in Ferrara - und verpasst die vorzeitige Meisterschaft.

Von Birgit Schönau

Alte Fußballerweisheit: Wer mehr Hunger hat, gewinnt. Und wer sollte mehr Hunger haben als die Società Polisportiva Ars et Labor, Abkürzung Spal, aus Ferrara, die nach einer Vereinspleite 2012 in die Amateurliga relegiert wurde, um 2017 in die erste Liga aufzusteigen? Seither gibt es für Ferrara nur ein Ziel, den Klassenerhalt. Natürlich auch am Samstag, als der ewige Tabellensechzehnte die ewige Nummer eins empfing - die Juventus aus Turin.

Von dieser alten Dame geht die Mär, sie sei nimmersatt, tatsächlich war sie nach Ferrara gereist, um den achten Meistertitel in Serie einzuheimsen. Ein einziger Punkt, ein Unentschieden hätte gereicht, um den Vorsprung vor dem zweitplatzierten SSC Neapel unüberwindbar werden zu lassen, sechs Spieltage vor Saisonschluss. Es sind dies alles einzigartige Rekordzahlen für Italiens Fußball. Nie ist eine Mannschaft achtmal hintereinander Meister geworden, niemals mit 20 Punkten vor dem nächsten Verfolger. Nie hat ein Trainer das geschafft, was Massimiliano Allegri gelingt: fünf Titel in fünf Jahren. Dass diesmal, wie in den vier Jahren zuvor, nicht auch noch der Pokal dazukommt, macht die Siegesserie nicht weniger beeindruckend.

Allegri hatte sein Picknick bei Spal wie jedes Spiel sorgfältig vorbereitet. Seine Stars durften nicht mit zu dieser Landpartie, schließlich müssen die am Dienstag in der Champions League im Viertelfinal- Rückspiel gegen Ajax Amsterdam (Hinspiel 1:1) den fetteren Brocken holen. Einen Leckerbissen, dem Juventus seit 23 Jahren nachjagt. Diesmal soll es endlich, endlich klappen mit dem Triumph in Europa, dafür wird zu Hause auch mal der Gürtel enger geschnallt. "Ich kann es mir nicht leisten, Cristiano Ronaldo in Ferrara einzusetzen", stellte Allegri fest. Auch nicht Wojciech Szczesny, den 1. Torwart nach Gianluigi Buffon, ebenso wenig den populären Mario Mandzukic, den Mittelfeld-Feinpinsler Miralem Pjanic, die Abwehrroutiniers Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini.

Trainer Allegri beschwichtigt: alles nicht so schlimm

Stattdessen durfte kurz vor seinem 38. Geburtstag Andrea Barzagli seine vielleicht letzte Partie im weißschwarzen Trikot absolvieren und der 17-Jährige Paolo Gozzi Iweru seine erste. Der 21-Jährige Zypriote Grigoris Kastanos hatte seinen Auftritt ebenso wie erstmals nach viermonatiger Verletzungspause der Kolumbianer Juan Cuadrado. Gegen Spal Ferrara spielte also nicht die echte Juve, denn diese echte Juve hatte Wichtigeres zu tun: Sich auszuruhen vor dem großen Spiel in drei Tagen. Nur seinem Jungstar Moise Kean, 19, hatte Allegri den Ausflug erlaubt. Zum Glück für beide, denn Kean brachte die Turiner in Führung (30). In die Pause gingen die Juventini mit der felsenfesten Überzeugung, die Meisterschaft erledigt zu haben. Doch sie irrten sich.

Zwei Treffer von Kevin Bonifazi (49.) und Sergio Floccari (74.) machten die Sensation perfekt. Spal Ferrara besiegte Juventus 2:1, und der coole Allegri zog ein Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Alles nicht so schlimm, beschwichtigte er, natürlich lasse seine Juve sich nicht aus der Ruhe bringen. Er habe halt ein wenig experimentiert, ein paar sehr junge Spieler ausprobiert, "und für diese Unerfahrenheit haben wir dann bezahlt". Nicht von ungefähr ist Matchwinner Floccari, 37, einer der ganz alten Hasen im Geschäft, die Spal ist seine 14. Station in einer Profi-Karriere, die ihn zuvor zu Lazio Rom und CFC Genua geführt hatte, aber auch zu Rimini und US Sassuolo. 2010 durfte Floccari sogar ein Gastspiel in der Squadra Azzurra geben, doch seitdem er mit der Miss San Marino 2001 verheiratet ist, besitzt er auch die Staatsangehörigkeit des Zwergstaates. In der Nationalmannschaft von San Marino erwartet ihn eine zweite Karriere, einstweilen ist Floccari der Held von Ferrara.

Der Juventus soll es eine Lehre sein. Mit vollem Bauch spielt es sich schlecht, allzu satt und gelangweilt hatte sie sich zu diesem Ligaspiel herabgelassen. Sicher, es würde nun reichen, dass Neapel am Sonntag nicht gegen Chievo Verona gewinnt. Und klar, auch die Motivation der Neapolitaner tendiert angesichts eines Sieben-Punkte-Vorsprungs vor Inter Mailand gegen Null. Wie man Massimiliano Allegri kennt, wird er aus der Nullnummer immerhin Nutzen ziehen. Denn die Floccaris sind überall, und bei Ajax Amsterdam laufen sowieso noch viel gefährlichere Typen herum.

© SZ vom 14.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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