Segeln:Antworten im Atlantik

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Philipp Buhl segelt bei der EM gegen 165 Konkurrenten - und gegen sich selbst. Er sucht nach seiner Leichtigkeit und will sich für Olympia qualifizieren.

Von Thomas Gröbner

Die betörende Fassade der Stadt hat Philipp Buhl meist im Rücken, wenn er auf den Wind wartet und der dunkle Atlantik seine Wellen an die Küste vor Porto klatschen lässt. Buhl muss sich hier bei der Europameisterschaft immer wieder in den Schatten verkriechen, wenn gerade Flaute herrscht und der Start wieder verschoben werden muss. Dann will der 29-Jährige schweigen, alleine sein, so gut es eben geht bei einer Regatta mit 165 Seglern. Die Antwort auf die Frage, die ihn umtreibt, kann er ohnehin nur bei sich selbst finden: Kann ich noch segeln?

Denn dieses Jahr begann für ihn mit zwei Wettfahrten, die sein Selbstverständnis ins Wanken brachten. Vor der Küste Floridas, der Biscayne Bay in Miami, da schien er einfach einen schlechten Tag erwischt zu haben bei seinem 32. Platz. Mit ein paar Wochen Abstand konnte er das recht schlüssig erklären: der verkorkste Start, die Schwierigkeiten, eingeklemmt zwischen den anderen Seglern, solche Dinge eben. Es sollte eine Ausnahme sein. Doch es war keine. Denn bei der nächsten Regatta vor Palma landete er auf Platz 33. Wenig, viel zu wenig für einen, der als einer der besten Segler in Deutschland gilt. "Die schlechteste Platzierung seit acht Jahren", er habe recherchiert, sagt Buhl am Telefon am Mittwoch, während er wartet, auf Wind, und auf die Chance, sich neu zu beweisen.

Alle sitzen im gleichen Boot: Philipp Buhl startet in der Laser-Klasse, Umbauten sind verboten, hier zählt die Kraft und das Talent, das Meer zu lesen. (Foto: Privat)

Doch an der Küste vor Porto, wo die kleinen Laser-Boote keinen Schutz vor den Tücken der Strömung und den Winden des Atlantiks haben, soll es wieder anders sein. Er will hier zeigen, dass er den richtigen Kurs kennt, der ihn zu den Olympischen Spielen in Tokio bringen soll.

Buhl hat sich einige Wochen Fitnesstraining verordnet, und tatsächlich gelingt es ihm in den ersten Wettfahrten wieder, die Elemente und die Konkurrenz zu kontrollieren. Er gewinnt die erste Fahrt, in der zweiten wird er Vierter, Tag zwei beendet er im Gesamtklassement auf Rang vier. "Ich hab schon lange kein Rennen mehr gewonnen", sagte der Sonthofener, er war danach erleichtert. Dabei sind es schwierige Bedingungen, in dem die Segler von thermischen Winden und Strömungen überrascht werden. Ein "anspruchsvolles Wellenbild", so nennt Buhl das. Doch die Europameisterschaft ist lang, nach drei Tagen mit sechs Qualifikationsrennen geht es danach in die Entscheidung, die besten 55 Segler machen bis Sonntag unter sich den Sieg aus. "Klar, ich würde gerne wieder gewinnen. Aber auch mit einem Platz in den Top fünf wäre ich zufrieden." Buhl ist optimistisch: "Ich komme hier gut klar. Die Erfahrung hilft."

Seit 13 Jahren segelt Buhl vom Segelclub Alpsee-Immenstadt seine Wettkämpfe im Laser, der als eine der selektivsten Bootsklassen gilt, weil er so leicht ist und von nur einem Segler gesteuert wird. Umbauten sind dabei verboten, alle sitzen im sprichwörtlich gleichen Boot. Es zählt also nicht die Technik, sondern die Kraft und das Talent, das Meer zu lesen. "Der Laser ist die günstigste Badewanne und produziert den hochklassigsten Wettbewerb", so warb Jochen Schümann, Deutschlands erfolgreichster Segler, für diese Bootsklasse. Erst am vergangenen Wochenende hatte der Weltseglerverband erklärt, dass die Laserklasse bis mindestens 2024 im olympischen Programm bleiben soll. Seit 1996 gehört das Boot zum olympischen Programm, den Vorstoß, den Laser durch ein neues Boot zu ersetzen, lehnten die Mitglieder im Weltseglerverband ab. Es geht für Buhl in dieser Woche nicht nur darum, den Nachweis zu erbringen, die europäische Spitze mitsegeln zu können. Sonder auch darum, sich für Olympia zu empfehlen. Schließlich hat er da noch etwas gutzumachen. 2016 galt er als Deutschlands größte Olympia-Hoffnung im Segeln, als einer, der Schümann einmal beerben könnte. Doch im Brackwasser vor Rio enttäuschte Buhl, verpasste als 14. die finalen Wettkämpfe. Er müsse jetzt erstmal heulen, sagte er danach.

Philipp Buhl, 29, galt 2016 als Deutschlands größte Olympia-Hoffnung im Segeln – doch in Rio verpasste er dann die finalen Wettkämpfe. (Foto: Lars Wehrmann/Privat)

Doch Buhl fing sich schnell wieder, 2018 holte er bei der WM vor Aarhus die Bronzemedaille, bei der Kieler Wocher scheint er sowieso als Sieger abonniert zu sein, im vergangenen Sommer gewann er zum fünften Mal. In Porto kann er sich nun für das vorolympische Testevent in Japan qualifizieren, die Olympische Generalprobe. Nur einen Starter darf jede Nation schicken, auch deshalb ist es wichtig für Buhl, seinen 22-jährigen Trainingspartner, den Kieler Nik Aaron Willim, zu distanzieren. In Porto scheinen die Kräfteverhältnisse gewahrt zu bleiben, Willim steht nach vier Wettfahrten auf Platz 23. Aber Buhl geht es weniger darum, Zeichen an die Konkurrenz zu senden, sondern an sich selbst. "Ich muss mir selber beweisen, dass ich segeln kann."

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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