Schwimmerin Katinka Hosszú:Eine Million fürs Anlügen

Lesezeit: 3 min

Schnell im Wasser, schnell beim Umziehen: Katinka Hosszu. (Foto: AFP)

Sie ist die erste Preisgeld-Millionärin des Schwimmsports: Die Ungarin Katinka Hosszú schwimmt und schwimmt und schwimmt - und ist sehr erfolgreich dabei. Ihr Trick ist vor allem Kopfsache.

Von Saskia Aleythe

Sie hat es eilig, noch mehr als andere Schwimmer. Rubbelt sich ab, schlüpft in den Trainingsanzug, nimmt die Medaille in Empfang und macht sich wieder fertig für das nächste Rennen. So manches Siegerfoto wird sogar ohne die Siegerin Katinka Hosszú geschossen, weil sie schon wieder zum Start eilt. Bei den Europameisterschaften in Berlin sprang sie 22 Mal ins Wasser - an nur sieben Tagen.

Da kann selbst eine Spitzenathletin durcheinanderkommen mit dem Zeitplan, bei der Siegerehrung über 100 Meter Rücken musste sie die anderen Kolleginnen fragen, wann eigentlich die 50 Meter dran seien. "Ich hatte den Tag vergessen", erklärte sie. Hosszú ist eine Vielschwimmerin, sie bei einem Wettkampf nicht anzutreffen, ist quasi unmöglich.

Schwimmen
:Gold für deutsche Staffel - elf Monate verspätet

Weil das russische Ergebnis gestrichen wird, darf sich die deutsche Kurzbahn-Mixed-Staffel Europameister nennen. Teamchefin Barbara Rittner setzt im Fed-Cup-Finale auf Angelique Kerber und Andrea Petkovic. Claudio Pizarro fällt verletzt aus.

Hosszú ist aber auch eine Schnellschwimmerin, was sich für sie besonders lohnt: Die Ungarin ist mit ihren 25 Jahren die Erste in ihrer Sportart, die im Lauf der Karriere nur mit international ausgeschriebenen Preisgeldern mehr als eine Million US-Dollar verdient hat. Hauptsächlich mit Erfolgen auf der wenig beachteten Kurzbahn. In Singapur reckte sie nun den Scheck für den Gesamtsieg im Weltcup hoch - im dritten Jahr in Serie.

Eine Million. In einem Sport, in dem sonst nur Szenegrößen durch Sponsoreneinnahmen richtig reich werden, ist das eine Menge. Michael Phelps etwa machte geschätzt 55 Millionen Dollar, er profitierte außer von Sponsorendeals aber auch von den Belohnungen für seine 22 Olympia-Medaillen, die jedes Landeskomitee selbst dotiert. Hosszú hingegen heimst die Preisgelder fürs gemeine Volk ein, jene, die nicht von Olympia-Erfolgen abhängen. Doch sie weiß sich auch zu vermarkten.

Sie ist eine Sportlerin, die ins Auge fällt, im Becken und außerhalb. Hosszú trägt zum Beispiel golden schimmernde Turnschuhe. Ihr Markenzeichen ist der Spitzname, den sie sich selbst gegeben hat: Iron Lady. Dieser Titel entgeht niemandem, der sie sieht, er prangt mit eigenem Logo auf Basecap und T-Shirt. Alles in Hosszús Erscheinung passt zusammen: Name, Auftreten - und die Erfolge. Ihre Spezialität sind die Lagen-Disziplinen, das macht sie auch so universell: Wer Schmetterling, Rücken, Brust und Freistil schwimmen kann, ist für viele Einzelstarts gewappnet.

An den sieben Weltcup-Stationen sammelte sie 68 Medaillen, 51 in Gold. Allein die Medaillenprämien summierten sich zu 89 000 US-Dollar auf ihrem Konto, fünf Weltrekorde à 10 000 Dollar und etliche Belohnungen für den Gewinn der drei Cluster, einer Serie von Wettkämpfen, steigerten den Betrag zusätzlich. Ergebnis 2014: 389 000 Dollar. Inge Dekker aus den Niederlanden, die Gesamtzweite, kam nicht einmal auf die Hälfte. Und selbst Südafrikas Chad le Clos, der den Scheck in der Männer-Konkurrenz erhielt, blieb fast 100 000 Dollar dahinter. Seine 27 Goldmedaillen waren schlicht zu wenig.

Hosszú schwimmt viel, sehr viel. "Sie liebt es, sich täglich zu messen", sagt ihr Trainer und Ehemann Shane Tusup. Das erklärt auch, warum bei ihr die Kurzbahn-Serie über 25 Meter eine größere Rolle spielt als bei anderen. Olympia sowie Welt- und Europameisterschaften auf der Langbahn sind die Top-Events im Schwimmen, doch Hosszú nimmt die Kurzbahn gerne mit. Vom Preisgeld will sie sich "vielleicht eine Uhr kaufen", etwas Symbolisches soll es sein, als Zeichen für den Erfolg. Der Rest wird gespart: "Ich weiß ja nicht, wie oft ich den Titel noch gewinne. Im Sport weißt du nie, was nächstes Jahr passiert."

Einmal in die Zukunft schauen, das würde Hosszú wohl nicht ablehnen: Denn ihr Ziel ist Rio 2016. Dreimal hat sie schon an Olympischen Spielen teilgenommen, das erste Mal mit 15 Jahren in Athen. Zu einer Medaille hat es bisher nicht gereicht, in London wurde sie 2012 über 400 Meter Lagen Vierte - das hat sie geärgert. Die vielen Wettkämpfe sollen sie nun präparieren für den Ernstfall, wenn es wieder um olympische Medaillen geht. Für Hosszú funktioniert das so: Wenn sie sich kaputt fühlt, rede sie sich ein, sie sei es gar nicht. Sich selbst zu belügen, das muss sein.

Ob 25 oder 50 Meter ist deshalb egal: Entscheidend ist immer das Finish. Hosszú hat sich viele Gedanken gemacht über Motivation, in Kalifornien studierte sie Psychologie und ließ sich von Dave Salo trainieren, der etliche Olympia-Teilnehmer geformt hat. Dort lernte sie auch Tusup kennen. "Wenn du vier Jahre lang arbeitest und dann wieder Vierte wirst, ist das in Ordnung, solange du stolz darauf bist, wie du es erreicht hast", erklärt er.

Bei der WM 2013 in Barcelona klappte es mit zwei Gold- und einer Bronzemedaille, bei der EM in Berlin im August gehörte Hosszú zu den erfolgreichsten Athletinnen. In wenigen Tagen kommt ihr erstes Buch heraus, eine Motivationslektüre mit dem Namen "Ungarns Eiserne Lady". Geldsorgen wird sie erst mal keine haben.

© SZ.de/ska - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: