Schwimmen:Interview: Steffen freut sich auf EM in neuer Rolle

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Berlin (dpa) - Britta Steffen freut sich auf die Schwimm-EM in Berlin - in ganz neuer Rolle. Für das Organisationskomitee übernimmt die 30-Jährige eine ungewohnte Aufgabe und interviewt im Deutschen Haus Medaillengewinner und Gäste.

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Berlin (dpa) - Britta Steffen freut sich auf die Schwimm-EM in Berlin - in ganz neuer Rolle. Für das Organisationskomitee übernimmt die 30-Jährige eine ungewohnte Aufgabe und interviewt im Deutschen Haus Medaillengewinner und Gäste.

„Ich nutze meine interne Kompetenz, um es nach außen zu tragen“, sagte die ehemalige Schwimmerin im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Vor einem knappen Jahr beendete die Doppel-Olympiasiegerin und Lebensgefährtin von Paul Biedermann ihre Karriere und freut sich nun über neue Herausforderungen.

Wie gehen Sie eine EM an, die Sie nicht als Aktive, sondern als Begleiterin, als Zuschauerin erleben?

Steffen: Auf jeden Fall werde ich die EM vor Ort erleben, bin für das Organisationskomitee akkreditiert. Es wird auch ein Deutsches Haus geben, in dem ich abends als eine Art Moderatorin den Medaillengewinnern Fragen stelle. Ich wechsele wirklich auf die andere Seite. Ähnlich wie 2010, als ich in Budapest für die ARD dabei war. Ich nutze meine interne Kompetenz, um es nach außen zu tragen.

Wäre eine Aufgabe im Bereich PR/Medien eine, die Sie sich auch zukünftig vorstellen könnten?

Steffen: Ich bin da derzeit total offen. Es gibt hierzu auch viele Möglichkeiten und Pläne. Derzeit konzentriere ich mich primär auf meine Vorträge und Studium. Auf jeden Fall bin ich grundsätzlich dafür, ganz viele Erfahrungen zu sammeln, weil man dann sagen kann, ob man daran Spaß hat und dafür fähig ist.

Was verbinden Sie mit dieser EM - auch für den deutschen Schwimmsport, den Sie jahrelang geprägt haben?

Steffen: Ich glaube, dass diese Heim-EM für viele junge Sportler im insgesamt ziemlich jungen Team ein Motivationsschub sein kann, auch große Leistungen zu vollbringen. Es wird für sie ein Aha-Erlebnis sein, das soll es auch sein. Vielen muss man einfach die Zeit geben, zu reifen. Ich hoffe, dass die ein oder andere Überraschung dabei sein wird.

Fehlt Ihnen das Schwimmen mehr oder Sie mehr dem deutschen Schwimmen?

Steffen: Ich bin mir sicher, dass beide Seiten damit sehr gut umgehen können. Es war vom Alter absehbar, dass es irgendwann endet. Es gibt genug internationale Leute, da hätte ich nicht mehr Europameisterin werden, sondern maximal eine Medaille holen können. Wenn man 30 wird, muss man sich entscheiden, ob man ein Baby bekommt und danach weitermacht, wieder an den Start geht. Aber meine Entscheidung war es, dass ich meinen Master vorantreiben wollte, und das war neben dem Schwimmen nicht möglich. Es ist für beide Seiten maximal ein Gewinn, auch weil ich jetzt auf der anderen Seite mehr helfen kann als eine Art Mentorin für junge Sportler, als wenn ich noch aktiv wäre.

Chef-Bundestrainer Henning Lambertz hat sich lobend über ihre Rolle geäußert...

Steffen: Ich hatte als junges Mädchen ja auch Probleme, das kann man sich als junger Sportler vielleicht nicht so vorstellen, weil sie ja nur die Erfolge sehen und sie denken, das geht immer reibungslos. Aber es gab ja auf der Strecke vom 16-jährigen Mädchen bis zur 30-Jährigen etliche Baustellen und Probleme. Ich habe mir die jungen Schwimmerinnen vor den Olympischen Jugendspielen mal geschnappt, und wir waren zusammen Eis essen, und da habe ich einige etwa für das Thema Mentaltraining sensibilisiert. Ich kann mir vorstellen, dass ich da erste Ansprechpartnerin wäre.

Sind Sie nicht wie gemacht für eine Karriere als Funktionärin oder Trainerin?

Steffen: (lacht) Nur weil man viel weiß, heißt das ja nicht, dass man seinen Job gut macht. Aber ich bin auch da total offen. Wenn man mich fragt, mich zu engagieren, kann man sich Gedanken machen, wie kann es weitergehen.

Welche Fähigkeiten aus dem Leistungssport helfen in der Karriere danach weiter?

Steffen: Vor allem Disziplin und Struktur, dass ich am Ende der Schwimmkarriere sehr selbstbestimmt mit dem Trainer auf Augenhöhe arbeiten konnte. Das ist auch im Studium so. Und ich lasse mich auch dort nicht ablenken, wenn ich ein Ziel vor Augen habe. Etwa beim Lernen. Insgesamt ist der Leistungssport sehr simultan mit der Wirtschaft zu sehen, wenn man in beiden Bereichen etwas erreichen will.

Gab es bei Ihnen auch einen Punkt, an dem Sie nach dem Leistungssport eine Leere gespürt haben?

Steffen: Ich denke, dass ich es genau zum richtigen Zeitpunkt geschafft habe, abzuspringen, weil ich gemerkt habe, okay, es reicht jetzt noch zu Platz vier bei Olympia oder Rang sechs bei der WM. Aber der Aufwand, den ich betreiben müsste, um ganz vorne mitzuschwimmen, ist nicht mehr leistbar. Am Ende war es nur noch Essen, Schlafen und Trainieren. Deswegen habe ich da gar keine Bauchschmerzen. Das Leben als Leistungssportlerin hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, aber es war Zeit für etwas Neues. Man denkt jetzt nicht mehr im Leben in Höhepunkten, sondern setzt sich andere Ziele. Ob es mal eine Doktorarbeit wird oder in die Lehre geht, da kann ich mir so viel vorstellen.

Was gönnt man sich in der Zeit nach dem Leistungssport mehr? Kuchen? Pausen? Oder etwas ganz anderes?

Steffen: Vor ein paar Tagen hatten wir zum Beispiel ein Studientreffen, und ich musste jedes Jahr absagen, weil ich immer Trainingslager hatte. Diesmal konnte ich hin. Aber der Gedanke, wie machst du das jetzt mit dem Training, der ist immer noch da. Man kann sich viel öfter mit Freunden oder Familie treffen und muss sich keine Gedanken um Regeneration oder Training machen.

Ist es auch ein Zugewinn, nicht mehr öffentlich nach Zeiten oder Platzierungen bewertet zu werden?

Steffen: Jawoll! Absolut. Ich habe so viel Ruhe in mir und vermisse das gar nicht. Ich brauche kein Lob, „wow, das hat sie jetzt super gemacht“. Wenn mir eine Klausur, Hausarbeit oder Vortrag sehr gut gelingt, dann ist das für mich das Allerbeste, das Allergrößte.

Ihr Leben könnte demnach zufriedener und glücklicher nicht sein?

Steffen:Auf jeden Fall bin ich absolut erfüllt, auch wenn ich manchmal erschöpft bin. Das ist ein Laster des Leistungssports, dass ich ganz viele Sachen auf einmal machen möchte. Ansonsten bin ich ziemlich glücklich, weil alles sehr rund ist.

Zur Person:Britta Steffen (30) ist die erfolgreichste deutsche Schwimmerin des vergangenen Jahrzehnts. 2008 in Peking wurde sie Doppel-Olympiasiegerin, 2009 räumte sie WM-Titel ab. 2011 gab es noch Staffelbronze bei der Weltmeisterschaft, danach schraubte Steffen die Zahl ihrer EM-Titel weiter hoch. Vor einem knappen Jahr beendete die Sportlerin des Jahres von 2008 ihre Karriere und hinterlässt damit eine große Lücke im DSV. Zusammen mit Lebenspartner Paul Biedermann wohnt Steffen in Halle/Saale.

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