Schwere Vorwürfe nach Box-Eklat:Öner gegen Klitschko, alle gegen Chisora

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Boxprofi Dereck Chisora muss nach seinem Ausraster bei der Klitschko-Pressekonferenz mit harten Strafen rechnen. Die Box-Welt hat im Engländer ihren Buh-Mann gefunden - zumindest für Promoter Ahmet Öner gibt es jedoch noch andere Schuldige.

Die Frage nach dem Verantwortlichen scheint klar. Dereck Chisora hat selbst die für Box-Verhältnisse sehr weiten Grenzen überschritten, als er sich nach dem WM-Kampf gegen Vitali Klitschko während der nächtlichen Pressekonferenz zu einer Schlägerei mit dem früheren WBA-Weltmeister David Haye hinreißen ließ.

Dereck Chisora (r.) gegen Haye-Manager Adam Booth: "Nie mehr in einem deutschen Boxring". (Foto: dpa)

"Ich möchte diesen Mann nie mehr im Leben in einem deutschen Boxring sehen", sagte Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB) am Montag. Und Wladimir Klitschko ergänzte in einem offenen Brief: "Solch ein Verhalten muss Konsequenzen nach sich ziehen und darf niemals von den Boxverbänden, Medien, Sportlern und Boxfans toleriert werden. Es muss gestoppt werden, damit der Boxsport sein Ansehen nicht verliert."

Strafen werden folgen, über das Ausmaß wird kräftig spekuliert. Das BDB-Präsidium will sich in den nächsten Tagen mit möglichen Sanktionen für Chisora beschäftigen. Pütz ist sich allerdings nicht sicher, ob juristische Bedenken das beabsichtigte Strafmaß des deutschen Verbandes torpedieren könnten. Eine lebenslange Sperre kann als Berufsverbot angefochten werden.

Die zunächst auf 50.000 Dollar festgesetzte Strafe für Chisora, der sich am Montagabend "von ganzem Herzen" für seine Taten entschuldigt hatte, ist laut BDB mittlerweile auf 70.000 Dollar erhöht worden. Dieser Teil von Chisoras 500.000-Dollar-Börse wurde mittlerweile einbehalten. Das Geld soll zu gleichen Teilen an gemeinnützige Einrichtungen und Stiftungen in Deutschland und des Weltboxverbandes WBC fließen. Auch international werden Sanktionen gegen Schläger Chisora vorbereitet.

Schwere Vorwürfe gegen die Klitschkos

Diese forderte am Montag plötzlich auch Box-Promoter Ahmet Öner - für die Klitschko-Brüder, die den WM-Kampf in der Münchner Olympiahalle als Veranstalter zu verantworten hatten. "Hier muss auch BdB-Präsident Thomas Pütz eingreifen. Pütz hat gesagt, dass die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend waren. Dann muss es doch eine entsprechende Reaktion und Strafen für den Veranstalter geben. Stattdessen redet Pütz nur über Sperren für Haye oder Chisora", ließ Öner verlauten.

Der frühere Boxer ist wahrlich kein Freund der Klitschkos. Im vergangenen Jahr wurde Öner-Schützling Odlanier Solis von Vitali Klitschko deutlich besiegt. Auch nach diesem Kampf war es zu einem Eklat bei der Pressekonferenz gekommen, den in erster Linie Öner zu verantworten hatte. Damals wie heute findet der Promoter klare Worte: "Der BdB-Präsident sollte sich (...) fragen, was auf der deutschen Seite schief gelaufen ist. Da gibt es mehr als genug Arbeit. Aber das traut er sich natürlich nicht, weil man die unantastbaren Klitschkos ja nicht kritisieren darf. Diese Hörigkeit ist einfach nur ekelhaft!"

Boxweltmeister im Schwergewicht
:Vitali Klitschko verteidigt Titel gegen Chisora

Für einen K.o. hat es nicht gereicht: Vitali Klitschko muss über die volle Distanz von zwölf Runden gehen, um seinen WM-Titel im Schwergewicht gegen Dereck Chisora zu verteidigen. Der packende Kampf im Rundenprotokoll.

Jürgen Schmieder, München

Auch die bestürzten Aussagen von Wladimir Klitschko, der sich "geschockt und tief empört" gezeigt hatte, stören Öner. Beide Klitschkos hätten im Moment der Eskalation in keiner Weise traurig gewirkt. "Entschuldigung, aber sein Verhalten während der Randale sagt etwas ganz anderes." Auf Videos ist zu sehen, wie zumindest Vitali Klitschko dem Treiben lächelnd zuschaut

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Öner schließt mit einem Vorwurf, der im Showgeschäft Boxen schnell geäußert wird, angesichts der schlimmen Entwicklung in diesem Fall bislang nur leise zu vernehmen ist: "Die ganze Sache war als schlechtes Laien-Theater geplant, um einen Kampf zwischen Haye und Chisora zu promoten, dessen Sieger dann wieder gegen einen Klitschko hätte boxen sollen." Jedoch habe man nicht damit gerechnet, "dass die Emotionen überkochen und die Situation so eskaliert."

Für die zweite Hauptperson des Skandals, die sich direkt nach dem Vorfall am frühen Sonntagmorgen in einen Flieger zurück nach London gesetzt setzt, könnte die Sache glimpflicher ablaufen als für Chisora. David Haye besitzt keine Boxlizenz mehr, die hat er an seinem 31. Geburtstag im vergangenen Jahr abgegeben. Damit steht er nicht unter der Jurisdiktion des britischen Verbandes. In München war er als Co-Kommentator für einen britischen Fernsehsender und damit als Journalist bei der Pressekonferenz im Einsatz.

Dort hatte er sich Samstagnacht eine Schlägerei mit seinem Landsmann Chisora geliefert. Es gab Verletzte unter den Prügelnden. Chisora drohte, Haye erschießen zu wollen. Haye erklärte nun am Montag in einer Stellungnahme: "Chisora hat seinen Platz verlassen und ist mit seiner Begleitung im Schlepptau in aggressiver Weise auf mich zugekommen." Auf Videos und Fotos ist deutlich zu erkennen, dass Haye seinen Kontrahenten daraufhin mit der Faust schlägt. Er sei "tief enttäuscht über seine Rolle bei dem Zwischenfall", erklärte der 31-Jährige. Eine Entschuldigung gab er jedoch nicht ab.

Die Polizei hatte Chisora am Münchner Flughafen festgenommen und drei Stunden verhört. Haye hatte schon früh am Morgen das Weite gesucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der Körperverletzung. Chisora plädiert nach SZ-Informationen auf Notwehr.

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