Schach:Für ein Mittagessen

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Mit einem vergleichsweise kleinen Etat hält der BCA Augsburg erneut in der Schachbundesliga mit.

Von Karl-Wilhelm Götte

Auch die Schach-Bundesliga hat ihren Betrieb vorerst eingestellt, davon ist auch der BCA Augsburg betroffen. Die Mannschaftspartie am vergangenen Sonntag gegen Werder Bremen in München wurde abgesagt; im Bundesligaschach begegnen sich pro Partie 16 Akteure plus einige Betreuer. Ob und wann die restlichen sechs Meisterschaftsduelle - samt des traditionellen Bundesligafinales mit drei Partien - stattfinden werden, steht in den Sternen. Nach acht von 14 Spieltagen rangiert Augsburg auf Platz elf - dicht vor den vier Abstiegsplätzen in der 16er-Liga. Der letzte Platz steht sozusagen schon fest, da dem Aufsteiger SV Lingen nach den ersten vier Spielen schon das Geld ausgegangen ist und er sein Team zurückziehen musste. Lingen wäre der zweite Augsburger Gegner am vergangenen Wochenende gewesen.

Ein Rückzug aus der Schach-Bundesliga ist jedes Jahr an der Tagesordnung und bringt den Spielplan immer wieder durcheinander. BCA-Mannschaftsführer Gregory Pitl will auch im zweiten Jahr im Schach-Oberhaus die Spielklasse halten. Das wird schwer genug werden, weil es eine geldabhängige Zwei- oder Dreiklassengesellschaft gibt. So finden sich in mehreren Bundesligaklubs Schachgrößen aus aller Welt zusammen, wie der ehemalige indische Weltmeister Viswanathan Anand im Team von Serienmeister Baden-Baden, und sie sind bei ihren Geldforderungen nicht zimperlich. Von 2000 Euro ist häufig pro Auftritt die Rede. Das macht einträgliche 4000 Euro Antrittsgage pro Wochenende, plus Spesen versteht sich. Insider schmunzeln, wenn sie von 2000 Euro hören, sie gehen von noch mehr Salär aus. Zudem spielen viele dieser Profi-Denksportler beinahe jede Woche in einer anderen europäischen Liga. Solche Summen kann der BCA nicht zahlen. Das Budget von 50 000 Euro wird bei den Augsburgern vor allem für Reise- und Übernachtungskosten gebraucht.

"Wichtig ist für uns, dass alles solide finanziert ist", bekräftigt Gregory Pitl immer wieder. Ohne die Familie Pitl würde es sicherlich keine Augsburger Mannschaft in der Schach-Bundesliga geben. Der Vater von Gregory Pitl, der 75-jährige Jurist Johannes Pitl, ist seit fast 50 Jahren der Macher des Schachs in der Fuggerstadt. Auch wenn sich die Abkürzung BCA nach dem ehemaligen Augsburger Fußballclub aus Helmut Haller-Zeiten anhört, bedeutet sie "Brettspielclub Altstephaner" und bezieht sich auf das humanistische Augsburger Gymnasium Sankt Stephan, aus dem die Gründungsmitglieder des Klubs um ihren Vorsitzenden Johannes Pitl stammen. Auch der BCA Augsburg kommt aber nicht ohne ausländische Unterstützung aus, um einigermaßen konkurrenzfähig zu sein. Großmeister aus Estland, Israel, Serbien, Litauen, Bulgarien und Ungarn stehen auf der 16er-Kaderliste. Betrachtet man die Papierform der Elo-Punkte, also der Weltranglistenpunkte, sind es Großmeister der zweiten und dritten Kategorie, die für den Verein einigermaßen erschwinglich sind.

Die Augsburger Schachakteure, die im ersten Bundesligajahr 2019 Zehnte wurden, sind über einige Jahre zusammengewachsen. Kaido Külaots aus Estland gehört dazu, der Bulgare Petar Arnaudov, ebenso der Litauer Eduardas Rozentalis und die beiden Serben Nikola Nestorovic und Milos Stankovic. Evgeny Postny aus Israel verzeichnet die beste Elo-Zahl (2601) in der Augsburger Formation. Der Großmeister Michael Prusikin ist ukrainischer Herkunft, aber schon seit 20 Jahren Deutscher. Er hat bisher mit 5,5 von acht möglichen Punkten die meisten Zähler erspielt. Der Dortmunder Großmeister Eckhard Schmittdiel spielt ebenfalls seit einigen Jahren für Augsburg. Neu ist der Ungar Gabor Papp gekommen, der sich am ersten und zweiten Brett mit fünf Unentschieden aus sechs Partien ganz gut eingeführt hat.

Das Niveau in der Bundesliga ist außerordentlich hoch, weil an jedem Spieltag eine Weltauswahl die Schachfiguren zieht. So stehen beim erneuten Titelaspiranten OSG Baden-Baden neben Anand weitere 15 Großmeister auf der Kaderliste, in der auch der 16. mit mehr Elo-Punkten aufscheint als der beste Augsburger Spieler. Nominell spielt dort am Spitzenbrett der US-amerikanische WM-Finalist Fabiano Caruano, 27, mit dem Elo-Wert 2845. Ihn haben die Baden-Badener bisher noch nicht einfliegen lassen - weil sie auch ohne ihn alle sieben Spiele gewonnen haben.

Wenn bei einigen Klubs für die hinteren zwei der acht Schachbretter, die zu einem Mannschaftskampf gehören, das Geld nicht mehr ausreicht, dürfen schon mal deutsche Mitspieler ran. Die sind häufig leicht dazu zu überreden, dass sie für eine Bahnfahrkarte und zweimal Mittagessen im Konzert der Großen mitmachen dürfen.

Gregory Pitl firmiert als Internationaler Meister, eine Stufe unter dem Großmeister. Er spielt je nach Aufstellung auch an den hinteren Brettern fünf bis acht.

Pitl ist 37 Jahre alt und beruflich sehr eingespannt. Seine Ausbeute in der Liga ist mit drei von sieben möglichen Punkten sehr passabel, aber sein Ehrgeiz begrenzt: "Großmeister will ich nicht mehr werden, das ist ausgeschlossen", sagt er. Neben der Bundesliga spielt Pitl keine Turniere mehr. Er hat beim BCA ja auch anderes zu tun als zu spielen: Als Klubverantwortlicher muss er vor allem den Überblick über die Finanzen behalten.

© SZ vom 19.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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