SC Paderborn:Nur Bälle jagen ist zu wenig

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Der Liga-Neuling tritt mit viel Leidenschaft an, doch schon nach vier Spieltagen ist klar: Es wird eine schwere Saison. Präzision und Zug fehlen ebenso wie Erfahrung im Kader.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn/München

An vierte Bundesliga-Spieltage haben sie in Paderborn wunderschöne Erinnerungen - genauer gesagt: an einen ganz bestimmten; zugegeben: an den vormals einzigen in der Vereinsgeschichte. Fünf Jahre ist es her, dass der SC Paderborn am vierten Spieltag mit 2:0 gegen Hannover 96 gewonnen hat, das war jenes Spiel, als Moritz Stoppelkamp den zweiten Treffer kurz vor Schluss aus sagenhaften 82,3 Metern Entfernung erzielt hat. Anschließend reiste Paderborn tatsächlich mit acht Punkten als Tabellenführer zum Spitzenspiel nach München.

Fünf Jahre später - die Paderborner spielen jetzt ihre zweite Bundesliga-Saison - sieht alles ganz anders aus. Am vierten Spieltag haben die Ostwestfalen mit 1:5 gegen Schalke 04 verloren, nun sind sie mit einem einzigen Punkt und satten zwölf Gegentoren Tabellenvorletzter und spielen am kommenden Samstag beim Letzten Hertha BSC. Sollte in dieser Saison alles spiegelverkehrt laufen, dann wären sie in Paderborn aber voller Hoffnung, denn damals sind sie ja am allerletzten Spieltag abgestiegen. Vielleicht retten sie sich diesmal in letzter Minute.

Doch dazu müssen die Paderborner einen besseren Fußball spielen. Sie werden ja allseits gelobt für ihren kompromisslosen Ansatz, dem Gegner auf kürzestem Weg den Ball abzujagen, um dann auf kürzestem Weg zum gegnerischen Tor zu gelangen. Solch prägnanter Pragmatismus erfordert allerdings höchste Präzision, und genau diese hat den Bundesliga-Neulingen am Sonntag massiv gefehlt. Den Begriff Neulinge muss man hier übrigens sehr ernst nehmen, Paderborn steht nicht nur tabellarisch nahe am Ende, sondern ganz hinten auch in einer Statistik, die die Bundesliga-Erfahrung aller 18 Kader betrachtet. Darin ist der Kader des FC Bayern mit einer Erfahrung von 2861 Bundesligaspielen auf Platz eins, und Paderborn liegt auf Platz 18 - mit einer Erfahrung von 151 Bundesligaspielen. Allein der Münchner Torwart Manuel Neuer hat mit 376 Bundesligaspielen mehr als doppelt so viele wie der gesamte Paderborner Kader.

Nun findet diese Statistik allerdings keinen Einlass ins Reglement, die Paderborner dürfen deswegen nicht zu zwölft spielen und bekommen bei Anpfiff auch kein Tor Vorsprung. Diesen Vorsprung mussten sie sich gegen Schalke schon selbst erspielen und taten dies mit einem vorzüglichen Kopfball durch den Brasilianer Oliveira Souza in der 8. Minute. Schon im ersten Heimspiel gegen den SC Freiburg waren die Paderborner in der 3. Minute in Führung gegangen, damals verloren sie 1:3, diesmal sogar 1:5. "Und zwar verdient", wie der Trainer Steffen Baumgart leicht mürrisch anmerkte. Seine Spieler hatten das erwünschte System zwar wieder umgesetzt, aber viel zu langsam und mit zu vielen Abspielfehlern. "So kannst du nicht bestehen", sagte Baumgart, und das ließ sich auch schon als Prognose für den weiteren Saisonverlauf verstehen.

Paderborn als drittkleinster Bundesliga-Standort (vor dem VfL Wolfsburg und der TSG 1899 Hoffenheim) und Berlin als größter Bundesliga-Standort sind nach vier Spieltagen die einzigen beiden Klubs, die noch kein Spiel gewonnen haben. Im Falle von Hertha BSC überrascht das freilich mehr, zumal die Hertha-Fußballer mit 2428 Bundesligaspielen auf Platz sechs der Erfahrungs-Tabelle stehen. Nicht nur deshalb wird das Kellerderby am kommenden Samstag eine harte Prüfung für den Berliner Trainer Ante Covic. Unter ihm legte die Hertha den schlechtesten Saisonstart seit 29 Jahren hin. In Paderborn sind die Erwartungen vergleichsweise geringer. Nicht auszuschließen, dass der Verein gemeinsam mit dem Trainer Baumgart in die zweite Liga zurückkehren würde, zu groß erscheint dessen binnen zwei Jahren erworbenes Verdienst ums Paderborner Fußballglück.

Und dennoch: Der Paderborner Fußball benötigt künftig wieder mehr Zug. Dazu taugen ausgerechnet die Schalker als Vorbild. Deren Trainer David Wagner hatte vor dem Gastspiel in Paderborn von seinen begünstigten Startspielern ultimativen Einsatz und maximale Mentalität gefordert mit dem prägnanten Satz: "Wer pöhlen darf, hat anzubieten!" Diese Drohung hat Wunder gewirkt.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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