SC Paderborn:Blumen für die Schuljungen

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Der Aufsteiger will auch nach der zweiten Niederlage am risikofreudigen Stil festhalten.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn

Diesmal: kein Riesenplakat am Hauptbahnhof mit "Willkommen in der Bundesligastadt". Auch auf 40 gelben Ortsschildern keine Aufkleber, die Paderborn als "Bundesligastadt" adeln. Das ist alles fünf Jahre her, damals, als der SC Paderborn zum ersten Mal in die Bundesliga aufgestiegen ist. Diesmal ist der Aufstieg eigentlich noch verrückter, weil der Klub vor zwei Jahren ja praktisch in die vierte Liga abgestiegen war. Doch er durfte drittklassig bleiben, stieg zwei Mal auf und ist jetzt wieder erstklassig. Die Euphorie ist indes nicht mehr so wie 2014, und das liegt nicht daran, dass die Paderborner ihre ersten beiden Saisonspiele verloren haben.

Die Fans in der Stadt sind vorsichtig geworden. Nach dem Bundesliga-Abstieg 2015 hätte sich der Klub binnen zwei Jahren beinahe in die Insolvenz gewurschtelt. Jetzt ist er zwar wieder erstklassig, aber vielleicht nur für neun Monate - und dann? "Viele fragen sich, was passiert, wenn es wieder runtergeht." Das hat der Geschäftsführer Martin Hornberger schon im Frühjahr gesagt. Er lebt seit Kindertagen in Paderborn und hat ein Gespür für die Befindlichkeiten in der ostwestfälischen 150 000-Einwohner-Stadt. Doch Hornberger ist sich sicher, dass man aus Fehlern lernt. Dieses Credo teilen die Klubführung und die Fußballer.

Keine Gnade für den Mützenmann: Paderborns Steffen Baumgart sieht als erster Bundesliga-Trainer die gelbe Karte, Schiedsrichter Tobias Welz (rechts) präsentiert sie ihm. (Foto: DeFodi/Imago)

Die Fans mögen skeptisch geworden sein, aber Skepsis ist genau das, was der Paderborner Trainer Steffen Baumgart von seinen Fußballern nicht sehen will. Er will Attacke, Tempo, Risiko - und tatsächlich, als am Samstag gegen den SC Freiburg erstmals seit 1554 Tagen wieder ein Bundesligaspiel in Paderborn angepfiffen wurde, dauerte es bloß 122 Sekunden, ehe der vormalige Cottbuser Drittliga-Stürmer Streli Mamba das 1:0 erzielte. Er hätte auch noch ein zweites und ein drittes Tor schießen können, aber die nächsten drei Treffer haben stattdessen die Freiburger geschossen. Nach der 2:3-Auftaktniederlage in Leverkusen und diesem 1:3 zur Heimpremiere blieben den Paderbornern nur die Komplimente der Gegner. Baumgart sagt aber: "Wir wollen nicht jedes Wochenende Blumen - wir wollen Punkte."

Es waren nicht die fußballerischen Defizite, die dazu führten, dass der Sportdirektor Martin Przondziono hinterher beklagte, seine Paderborner seien behandelt worden wie "dumme Schuljungen". Dies kreidete er dem Schiedsrichter Tobias Welz an, der strittige Szenen stets zu Freiburger Gunsten entschieden habe. Baumgart erhielt kurz vor der Pause zudem das erste Trainer-Gelb in der Bundesliga-Historie für demonstrative Unmutsgesten, für die der Freiburgs Christian Streich zuvor in vergleichbarer Form noch ein verständnisvolles Gespräch von Welz erhalten hatte. Baumgart nannte seine gelbe Karte wegen des Wegschleuderns seiner Kappe zwar "berechtigt", beklagte aber grundsätzlich, dass man den Trainern dadurch die eigentlich wichtigen Emotionen austreibe (wenige Minuten später sah in Düsseldorf Friedhelm Funkel die zweite gelbe Karte für einen Bundesliga-Trainer).

„Wir wollen nicht jedes Wochenende Blumen – wir wollen Punkte“, sagte Paderborns Trainer Steffen Baumgart nach der Niederlage gegen Freiburg. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Streich hat sich zu diesem Thema zurückgehalten. Dabei verkörpert er Emotionen wie kaum ein anderer Trainer. Streich hält sich verbal momentan aber sowieso auffällig zurück, das erleichtern ihm die sechs Punkte, die sein Team in den ersten beiden Spielen gewonnen hat. Nach einem 3:0 gegen Mainz und dem 3:1 in Paderborn ist der Klub so gut wie noch nie in 20 Jahren Bundesliga in eine Saison gestartet. Ob dies als Signal zu werten sei, dass sich Freiburg in diesem Jahr in der Tabelle in höhere Regionen orientiere, ist Streich gefragt worden, und er hat geantwortet: "Nein."

Innig umarmt haben sich Streich und Baumgart nach dem Spiel am Samstag. Sie ticken ähnlich und zelebrieren ihren Mangel an Populismus genüsslich. Baumgart war es wichtig zu betonen, dass man gegen Freiburg zwar viele Fehler gemacht und vor dem Tor zu überhastet agiert habe, dass man den eigenen Stil aber beibehalten wolle. "Und wenn wir in Wolfsburg vier bekommen, was ich nicht hoffe, dann spielen wir anschließend gegen Schalke aber trotzdem wieder so", sagt er.

Ein bisschen verbindet Paderborn und Freiburg auch das Gefühl, sich mit überschaubaren Mitteln gegen das fußballerische Großkapital aufzulehnen. Als Baumgart vor dem Saisonstart über Fußballklubs sprach, die viel aus ihren Verhältnissen machen, nannte er Mainz und Freiburg. In Paderborn haben die Freiburger es geschafft, aus 46 Prozent Ballbesitz, 5:9 Ecken und 9:16 Torschüssen einen 3:1-Sieg zu zaubern. "Das Pendel schlägt momentan zu uns rüber", sagt Streich, betont aber, dass man sich solches Glück erarbeite. "Erfolg ist kein Glück", heißt ein Lied, das vor jedem Heimspiel in Paderborn gespielt wird. Sogar in dieser Hinsicht sind sich die beiden Klubs einig.

© SZ vom 26.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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