Sami Khedira:Das Gegenteil von Pogba

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22 Spiele, 21 Siege: Sami Khedira (links) hat eine beachtliche Bilanz bei Juventus Turin - wäre er nur nicht so verletzungsanfällig. (Foto: imago)

Sami Khedira erzielt für Juventus Turin nun auch siegbringende Tore - sein mätzchenfreies Spiel kommt bei den Norditalienern gut an.

Von Birgit Schönau, Rom

Verändere stets ein siegreiches Team! Fünf Meistertitel in Serie hat Juventus Turin in den vergangenen fünf Jahren gewonnen, aber jetzt ist die von Massimiliano Allegri trainierte Mannschaft eine Baustelle. Der Franzose Paul Pogba (Manchester United) und der Spanier Alvaro Morata (Real Madrid) haben Turin verlassen, für sie kamen der Bosnier Miralem Pjanic - und der Argentinier Gonzalo Higuain, in der Vorjahressaison mit 36 Treffern Rekord-Torschützenkönig für den SSC Neapel. Higuain hat für Juve bislang nur wenige Minuten gespielt, Pjanic noch gar nicht. Für den erfolgreichen Saisonstart und den Platz an der Tabellenspitze der Serie A garantierte ein anderer. Einer, bei dem die Dichter der italienischen Tagespresse die "Leichtigkeit eines Schmetterlings und die Genauigkeit eines Chirurgen" entdeckt haben: Sami Khedira.

Es hagelt Komplimente: Regieführer! Wohltäter! Chirurg!

Dessen Arbeitsnachweis: Zwei Tore in zwei Spielen, zunächst gegen den AC Florenz (2:1), nun gegen Lazio Rom (1:0). Dazu seine sichere, elegant anmutende Regieführung im Mittelfeld: "Er wäre perfekt, wenn er sich nicht verletzten würde", hatte Allegri wiederholt über Khedira gesagt. Und jetzt sieht man, wie hart der 29-jährige Deutsche nach seinen langen Verletzungspausen im vergangenen Jahr gearbeitet hat. Oder besser: Man sieht es nicht.

Denn Khedira spielt präzise wie einst Andrea Pirlo im Juve-Trikot, nur leichtfüßiger, wendiger, schneller. Von den 22 Spielen, die er bislang für Juventus bestritt, haben die Turiner 21 gewonnen (die einzige Niederlage war allerdings fatal, im Champions-League-Achtelfinale gegen Bayern München). Längst hat sich Khedira vom fragilen Maskottchen zum unverzichtbaren Kopf der Truppe entpuppt: "Pogba liebte es, Mätzchen zu machen und artistische Einlagen zu liefern", ätzte die Gazzetta über das nach Manchester entschwundene Talent, "Khedira hat keine Freude an nutzlosen Kunststückchen. Er ist der Anti-Pogba." Was der derart Angesprochene natürlich diplomatisch zurückweist: Paul Pogba sei ein sehr wichtiger Spieler für Juve gewesen, sagte Khedira, "aber wir haben jetzt auch viele in der Mannschaft, die seinen Abschied verschmerzen lassen können". Viele sind es allerdings nicht, denen Coach Allegri überragende taktische Intelligenz bescheinigt. Genau genommen wäre da eigentlich nur einer.

In der Serie A muss Juve auch in diesem Jahr kaum Konkurrenz fürchten. Der Klub des Fiat-Erben Andrea Agnelli hat einen Umsatz, hinter dem andere Traditionsvereine verblassen. Entsprechend wurde Allegri ausgestattet. Hinten steht weiter die aus der italienischen Squadra Azzurra bekannte Abwehr um Giorgio Chiellini, Andrea Barzagli und den von Pep Guardiola vergebens umworbenen Leonardo Bonucci. Vorne erschreckt der Argentinier Paulo Dybala die Gegner mit seinen frechen Streichen, ein Riesentalent, das, von Khedira assistiert, nun freie Bahn hat. Gegen Florenz und Lazio konnte es sich Allegri sogar leisten, den noch etwas molligen Stürmerstar Higuain zu schonen.

Während die Mailänder Klubs AC und Inter nach dem Besitzerwechsel an chinesische Investoren sichtlich die Orientierung verloren haben (Inter ergatterte mit den niederländischen Coach Frank de Boer bisher gerade mal einen Punkt, Milan immerhin einen glanzlosen Sieg), peilt Juve neben dem sechsten Meistertitel in Serie auch Lorbeeren in der Champions League an. Dort spielt aus Italien nur noch Napoli, der AS Rom scheiterte soeben in der Qualifikation an Porto.

Nach der Erdbeben-Katastrophe spendete Khedira spontan

Die italienische Fußballwelt spaltet sich also, wie eh und je, in Juve und Anti-Juve. Nur sehr wenigen Spielern bringen auch die engagiertesten Juve-Hasser Bewunderung und Sympathie entgegen. Andrea Pirlo war so jemand. Jetzt sind es Kapitän und Torwart Gianluigi Buffon - und Sami Khedira. Der Deutsche erobert Italien durch seine zurückhaltende Art. Nie eine Geste oder ein Wort zu viel, auf dem Platz die personifizierte Fairness. Nach der Erdbeben-Katastrophe in Mittelitalien spendete Khedira spontan und schnell 20 000 Euro für die Erstversorgung von 2500 Menschen, die ihre Wohnungen verloren haben.

Talisman, Torschütze, Wohltäter: Besser kann ein Khedira-Jahr doch gar nicht anfangen.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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