Rugby:Wird Rugby in Deutschland doch noch populär?

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  • Deutschland war noch nie bei einer Rugby-WM dabei und kommt nun zu der Chance, doch noch bei der WM in Japan in einem Jahr dabei zu sein.
  • Die deutsche Auswahl profitiert davon, dass der Weltverband Belgien, Rumänien und Spanien zurückstufte. Deren Verbände hatten in der Qualifikation angeblich nicht gemeldete Spieler eingesetzt.
  • Für den Startplatz müsste das Team ein Turnier in Marseille gewinnen, am Sonntag ist das erste Spiel gegen Hongkong (15.55 Uhr)

Von Tobias Schächter

Sean Armstrong lächelt verschmitzt. "Dass wir nach diesem Jahr doch noch die Chance auf die WM-Teilnahme haben, ist schon kurios", sagt er. Noch nie hat Deutschland an einer Rugby-Weltmeisterschaft teilgenommen und vor zwölf Monaten schien es so, als wäre auch der nächste Anlauf gescheitert. Doch nun ist aufgrund kurioser Entwicklungen die Hoffnung plötzlich zurück und Armstrong weiß: "So eine Chance kommt so schnell nicht wieder."

Der November ist im Weltrugby der Monat der großen Testmatches. So forderte diesen Samstag in Twickenham vor 80 000 Zuschauern unter anderem England den Weltmeister aus Neuseeland heraus, die Gäste gewannen 16:15. Doch im Schatten der großen Spiele kämpft ab diesem Wochenende in Marseille die deutsche Rugby-Auswahl um den letzten noch freien Platz für die WM im kommenden Jahr in Japan. Am Sonntag trifft Deutschlands 15 auf Hongkong, eine Woche darauf auf Kanada und zum Abschluss auf Kenia. Armstrong, 31, hat zuletzt die Entwicklung im deutschen Rugby mitgeprägt. 2007 war er aus Brisbane für eine Probetour für drei Monate nach Deutschland gekommen und ist in Heidelberg geblieben, auch der Liebe wegen. Viele Jahre spielte er als Kapitän der deutschen Auswahl, nun sagt er: "Dieses Turnier ist der Höhepunkt, wir wollen unbedingt den maximalen Erfolg."

Die Chance bekam die DRV-Auswahl nur, weil der Weltverband Belgien, Rumänien und Spanien zurückstufte. Deren Verbände hatten in der Qualifikation angeblich nicht gemeldete Spieler eingesetzt. Deutschland durfte deshalb K.o.-Spiele gegen Samoa bestreiten - verlor aber Hin- und Rückspiel. Nun gibt es für die "Schwarzen Adler", wie sich das Team neuerdings nennt, die Möglichkeit, über das Viererturnier in Marseille den letzten Teilnehmerplatz zu sichern, nur der Gesamtsieger ist im Herbst 2019 in Japan dabei, und trifft dort in den Gruppenspielen unter anderem auf die All Blacks, den Weltmeister aus Neuseeland. Das ist im Rugby weltweit der Referenzpunkt für Begeisterung und Spielkunst, Deutschland dagegen ist Entwicklungsland. Armstrong hat schon Recht, ein Aufeinandertreffen dieser beiden Mannschaften wäre kurios - zumal nach den Turbulenzen in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten.

Letzten Herbst produzierte das deutsche Rugby negative Schlagzeilen. Die besten Akteure, auch Armstrong und der neue Kapitän Michael Poppmeier, bestreikten damals Spiele der Nationalmannschaft, weil sie der Verbandsführung Amateurhaftigkeit vorwarfen. Anlass war das Zerwürfnis zwischen Großsponsor Hans-Peter Wild und der Verbandsführung. Der Milliardär aus Heidelberg investierte in den vergangenen 15 Jahren rund 20 Millionen Euro in die Rugby-Förderung, an seiner Wild-Rugby-Academy (WAR) waren bisher die meisten Nationalspieler angestellt. Ende November will Wild die WAR aber schließen, und eigentlich plante der 77-Jährige auch, sich zurückzuziehen. Das Engagement für mehr Rugby-Begeisterung und mehr Professionalität in der Verbandsspitze empfand er als einsamen Kampf.

Aber nun, nach dem Rücktritt des alten Präsidiums und der plötzlichen Chance, sich doch für die WM zu qualifizieren, unterstützt der Unternehmer die Nationalmannschaft wieder. Die Hälfte der 600 000 Euro, die die zehnwöchige Vorbereitung und das Turnier in Marseille kosten, übernimmt Wild, dessen Familie mit einem Softdrink-Unternehmen reich wurde. Seit Dienstag logiert der DRV-Tross in Aix-en-Provence.

In den nächsten zwei Wochen geht es in Südfrankreich um die Zukunft des Rugbys in Deutschland: Gelingt die WM-Teilnahme, hat das Spiel mit dem Ei, das gerade weltweit expandiert, hierzulande vielleicht eine Zukunft. Wild hat angekündigt, dem Verband bis 2024 zwei Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen, sollte dieser drei weitere Sponsoren finden, die dieselbe Summe investieren. Eine WM-Teilnahme würde diese Suche erleichtern und helfen, der Randsportart mehr Öffentlichkeit zu bescheren.

Wilds Plan, mit Serienmeister Heidelberger RK als "Wild-Titans" ein professionelles und international konkurrenzfähiges Vereinsteam aufzubauen, scheiterte am Einspruch des europäischen Verbandes. Wild gehört bereits der Großklub Stade Français in Paris, in Frankreich hat Rugby einen ungleich höheren Stellenwert: In der Top 14-Ligue spielen die besten Spieler der Welt, die Stadien sind voll. Das Jahresbudget von Stade Français beträgt 34 Millionen Euro. Das Sponsoring von zwei Klubs auf europäischer Ebene aber untersagte der Verband, Wild musste sein Titanen-Projekt fallenlassen. "Schade", sagt Armstrong, der wie viele seiner Kollegen nun nicht weiß, wie es ab Dezember für ihn weitergeht. Armstrong gibt zu: "Diese Situation ist natürlich eine Belastung." Aktuell aber konzentriere sich das Team voll auf den ersten Gegner Hongkong.

Darauf pocht auch der neue Trainer Mike Ford, 52, der für diese Kampagne engagiert wurde. Der Engländer ist ein großer Name im kleinen deutschen Rugby, er fungierte in der Vergangenheit als Defensiv-Coach der irischen und der englischen Nationalmannschaft sowie als Coach der Spitzenteams Bath und Toulon. "Seine Verpflichtung pusht das Team", erzählt Sean Armstrong, die Konditionseinheiten seien knallhart gewesen. Kanada, bisher bei jeder WM dabei, gilt als härtester Herausforderer in Marseille.

Der Traum von der ersten WM-Teilnahme hält das deutsche Rugby also zumindest für die kommenden zwei Wochen zusammen. An das, was danach kommt, will Sean Armstrong nicht denken, er sagt: "Ich hoffe, unser Traum erfüllt sich."

© SZ vom 11.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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