Rugby:Eierlauf in den USA

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Der Rugby-Sport erschließt sich einen wichtigen und neuen Markt. Doch in Europa führt der Boom des alten britischen Sports auch zu neuen Problemen.

Von Tobias Schächter, München

Anfang der Woche begrüßte der Welt-Rugby-Verband (IRB) ein "neues Mitglied in der internationalen Rugby- Familie": Ab April 2016 spielen in den USA sechs Teams den Landesmeister in der Rugby-Union-Variante aus, ab 2017 wird die "Pro Rugby"-Liga mit Mannschaften aus Kanada erweitert. Nach der vor zwei Wochen zu Ende gegangenen WM in England und ein Jahr vor den olympischen Spielen in Rio, bei denen erstmals die Variante 7er-Rugby im Programm steht, sahen die Macher in den USA den "besten Zeitpunkt", um den Sport auch in ihrer Heimat professionell aufzubauen. Die Expansion der in England erfundenen Sportart geht also munter weiter.

Die Rugby-WM ist mittlerweile nach der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Sommerspielen das drittgrößte Sportereignis der Welt. Nicht nur in den USA erhoffen sich die Funktionäre neue Märkte, 2019 wird zum ersten Mal eine WM in Japan stattfinden, einem Land also, das keine große Tradition in dieser Sportart hat, aber dessen Auswahl durch einen überraschenden Sieg bei der WM gegen Favorit Südafrika Begeisterung für das Spiel mit dem Ei unter den Japanern weckte.

Dominiert wird Rugby auf Nationalmannschaftsebene von Teams aus der südlichen Hemisphäre: Weltmeister Neuseeland, die aus ihrer Nationalmannschaft mit dem Namen "All Blacks" eine weltweit bekannte Marke geschaffen haben, Australien und Südafrika. In Europa ist das Jammern noch nicht verhallt, nachdem kein europäisches Land bei der WM über das Viertelfinale hinausgekommen war. Nun startet an diesem Wochenende der Champions-Cup, das Äquivalent zur Champions-League im Fußball. In der Vorrunde treffen die besten Mannschaften aus England, Frankreich, Wales, Schottland, Irland und Italien zunächst in fünf Vierergruppen aufeinander, das Finale findet wie das des kleineren Challenge Cup (vergleichbar mit der Europa-League im Fußball) im Mai 2016 in Lyon statt. Ken Owens, der Kapitän der Scarlets aus Llanelli/Wales behauptet: "Der Champions-Cup ist der größte Wettbewerb im Welt-Ruby."

Seit der Professionalisierung der 15er-Variante Rugby-Union Anfang der 1990er-Jahre erlebt dieser Sport gerade den (vorläufigen) Höhepunkt seiner Kommerzialisierung. Die TV-Übertragungen der Champions-Cup-Spiele sind in den Teilnehmerländern beliebt, die Neustrukturierung des ehemals nach einer Biermarke benannten Wettbewerbs 2014 unter der Federführung der Engländer und Franzosen sorgte indes für Streit im europäischen Rugby.

Die neue Dachorganisation European Professional Club Rugby (EPCR) hat ihren Sitz in Neuchâtel in der Schweiz. Fünf sogenannte "Principal Sponsors" wollte sie im zweiten Jahr des neuen Wettbewerbs präsentieren. Es wurden nur zwei. Und dennoch: Die Budgets der Klubs wachsen aufgrund der steigenden TV-Verträge von Jahr zu Jahr. Die Spitzenklubs der Top14-Liga in Frankreich verfügen mittlerweile über Etats von zwischen 20 und 30 Millionen Euro, der neuseeländische Weltmeister Dan Carter verdient bei Racing Metro in Paris 1,5 Millionen Euro pro Saison. Die Professionalisierung aber ist nicht nur positiv. Das Niveau der französischen Nationalmannschaft leidet mittlerweile darunter, dass Topspieler aus dem Ausland die Schlüsselpositionen in den Liga-Teams bekleiden. Der RC Toulon, der zuletzt drei Mal den Champions-Cup in Serie gewonnen hat, muss sich zudem mit Vorwürfen des systematischen Dopings auseinandersetzen.

Und das viele Geld, das mittlerweile im Rugby verdient wird, tut nicht allen Athleten gut. Seit dieser Woche gibt es eine neue Lesart über das Vorrunden-Aus der englischen Auswahl bei der WM im eigenen Land, das am Mittwoch zum Rücktritt von Stuart Lancaster als Nationaltrainer führte: Viele Spieler sollen auf Empfehlung eines Zeugwarts und ohne Wissen des Trainers jeweils mehrere Zehntausend Pfund in die Aktien einer Ölbohrfirma investiert haben. Der Verlust summierte sich im Verlauf des WM-Turniers auf 85 Prozent. Besonders der Spieler Sam Burgess verlor so offenbar sehr viel Geld. Er wechselte nun zurück zum Rugby nach der 13-Variante und von England nach Australien. Er habe sich in der Rugby-Union nie wohlgefühlt, erklärte Burgess zum Abschied. Sein altes Team aus Bath startet übrigens am Sonntag bei Titelverteidiger Toulon in den Champions-Cup.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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