Roland Garros:Dringend gesucht: Dominic Thiem

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"Wenn ich ehrlich zu mir bin, war ich in allen Partien ziemlich weit weg von einem Sieg": Dominic Thiem, 28, scheitert in Paris gleich am Bolivianer Hugo Dellien. (Foto: Pascal Rossignol/Reuters)

Der österreichische Grand-Slam-Sieger verliert schon wieder früh und rätselt, wo sein Können geblieben ist. Als Nächstes will er kleinere Turniere spielen, um sein Selbstvertrauen wiederzufinden.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Der erste Blick verrät oft mehr als jedes Wort danach, und der erste Blick von Dominic Thiem, als er den Pressekonferenzraum mit dem Kürzel PC2 betrat, war: leer und glasig. Thiem setzte sich, und als er die ersten Fragen beantwortete, schaute er weiter konsequent ins Nichts und konsequent am Mikrofon vorbei. "Es ist, wie es ist", sagte er mit matter Stimme, "es schmerzt, ich bin sehr enttäuscht, aber es geht weiter." Nur wie, das ist die entscheidende Frage für ihn.

Denn der Österreicher aus Wiener Neustadt ist ja nicht irgendwer, vor allem nicht hier in Paris. Zweimal stand er in Roland Garros im Finale, zweimal im Halbfinale, einmal im Viertelfinale. Zudem ist er der US-Open-Sieger von 2020, also ein Grand-Slam-Champion und überdies beliebt in Paris. Doch am Sonntag bestritt er sein Erstrundenmatch gegen Hugo Dellien aus Bolivien - und dann spielte er, als sei er irgendjemand, nur nicht dieser Dominic Thiem, an den sich alle voller Bewunderung erinnern, und er verlor, auch aufgrund unzähliger leichter Fehler, fast widerstandslos mit 3:6, 2:6, 4:6. Dass der Presseraum voll besetzt war, verriet bereits: Auch die Tennisbeobachter würden gerne wissen, wie das sein kann - dass jemand früher so gut war, nach einer überstandenen Verletzung zurückkehrt - und sein gesamtes Können wie ausgelöscht wirkt.

Seine Bilanz seit der Rückkehr: sieben Matches, sieben Niederlagen

Thiem rang nach den richtigen Worten, er stellte sich tapfer der Situation, nur: So recht konnte er das Informationsbedürfnis nicht stillen. Er brauche Zeit, meinte er, er arbeite hart, seine Hand sei in Ordnung. Zehn Monate hatte ihm ein Einriss in der Sehnenscheide und der Gelenkkapsel zu schaffen gemacht, auch noch in der rechten Schlaghand. Ende März fühlte er sich bereit für die Rückkehr. Bilanz: sieben Matches, sieben Niederlagen. "Wenn ich ehrlich zu mir bin, war ich in allen Partien ziemlich weit weg von einem Sieg", gab er zu. Thiem rätselt jetzt selbst, was der richtige Weg als Nächstes sein sollte, "ich denke definitiv darüber nach, auf Challenger-Ebene zurückzugehen für ein, zwei Turniere." Einen Sportpsychologen hat er bislang noch nicht konsultiert, er sei "offen für alles", und nochmal sagte er, er müsse sich Zeit geben. Etwas anderes bleibt ihm nicht übrig. Der Dominic Thiem von früher wird weiterhin dringend gesucht.

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