Roger Federer:Der Prototyp des Rasenspielers

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In London derzeit ein beliebter Gesprächspartner: Gelingt Roger Federer sein achter Wimbledon-Sieg? (Foto: Peter Klaunzer/dpa)

Roger Federers Spiel lebt von der Improvisation - und eignet sich deshalb besonders für den Belag in Wimbledon. In diesem Jahr könnte er seinen achten Titel gewinnen.

Von Simon Graf

Es klingt paradox: Die Schweiz hat zwar viele grüne, saftige Wiesen, aber nur zwei ­Rasenplätze, die in privater Hand sind. Einen am oberen Zürichsee, wo sich Roger Federer ab Ende Mai auf die Rasensaison vorzu­bereiten begann, den anderen in der Region Genf. Trotzdem stellt das kleine Alpenland den besten ­Rasenspieler überhaupt. Federer war bereits 16 Jahre alt, als er erstmals auf dem Grün spielte: im Sommer 1998 bei einem ­Junioren-Einladungsturnier in Queen's. ­Einige Wochen später ­gewann er das Juniorenturnier von Wimbledon - es war der Beginn einer Liebe, die nach 19 Jahren nichts an Intensität eingebüßt hat.

Schon bevor Federer erstmals einen Rasencourt betrat, ahnte er, dass dies sein Parkett werden könnte. Seine Vorbilder Boris Becker, ­Stefan Edberg und Pete Sampras brillierten in Wimbledon: "Und weil ich eine ähnliche Spielart hatte, mit der einhändigen Rückhand und dem Slice, sage ich mir: Du musst gut spielen auf Rasen."

Das tat er dann auch. Und er ließ sich auch nicht beirren, als er 1999 und 2000 gegen Jiri Novak und Jewgeni Kafelnikow die ersten zwei Partien im Hauptfeld Wimbledons verlor. "Der Belag liegt mir", sagte er nach der Dreisatzniederlage gegen Kafelnikow. "Ich glaube, ich kann das ­Turnier einmal gewinnen." Die Journalisten warfen sich erstaunte Blicke zu.

Für eine ideale Vorbereitung hat Federer sogar auf die French Open verzichtet

Der Rest ist Geschichte. Sieben ­Titel in Wimbledon, neun auf Rasen in ­Halle in Ostwestfalen. Und mit 35 hat Federer noch ­lange nicht genug. Mit seiner Absage für die French Open zeigte er klar, wo ­seine Prioritäten liegen. "Keine Kompromisse", betonte er am Samstag nochmals. "Natürlich schmerzte es, erstmals ein Grand Slam auszulassen, obwohl ich zu 100 Prozent fit gewesen wäre. Aber ich will mir nicht vorwerfen müssen, nicht alles unternommen haben, um mir die besten Chancen auf ­Rasen zu geben." Der achte Wimbledonsieg wäre für Federer mehr als nur ein ­weiterer großer Titel. Es wäre so etwas wie Bestimmung.

Für den ATP-Analysten Craig O'Shannessy, der in Aus­tralien auf Rasenplätzen aufwuchs, ist klar: "Federer ist der Prototyp des Rasenspielers. Mit seinen ­geschmeidigen Bewegungen, ­seinem Rückhandslice, der tief bleibt, seinem Angriffsspiel und dem Slice-Aufschlag nach außen. So, wie er spielt, hilft der Rasen seinen Bällen."

Für Heinz Günthardt, 1976 als Wimbledon-Juniorensieger Federers Vorgänger und heute Experten beim SRF, gibt es noch einen anderen wichtigen Punkt: "Es ist auf Rasen schwierig, maschinell zu spielen. Denn der Absprung ist nicht ­immer perfekt, man muss sich anpassen. Die Unterlage lebt, verändert sich ständig. Und Federer ist ein ­Meister der Improvisation."

Rasen belohnt eine mutige Spielweise eher als Sand- oder Hartplätze

Als Günthardt noch spielte, ­waren auf Rasen noch Schuhe mit ­Noppen erlaubt. Doch weil diese den Rasen schneller ­abnützen, wurden sie später verboten. Mit den ­flachen Sohlen ist vor allem das Stoppen eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Immer wieder sieht man Stürze. "Weil ich mich leichtfüßig ­bewege, ist es für mich kein großer Unterschied ­zwischen Rasen und Hartplatz", sagt Federer. "Ich komme auf Rasen an ein paar Bälle nicht mehr heran. Aber bei anderen ist die ­Differenz viel größer. Das ist ­natürlich ein Vorteil."

Obwohl die Plätze in Wimbledon langsamer sind als früher und die Bälle etwas höher abspringen, werden die Mutigen hier immer noch belohnt. "Alles, was man tut, muss man mit einem absoluten Willen tun", sagt Federer. "Man muss sich immer wieder forcieren, Explosivität in ­jeden Punkt zu ­stecken. Das ist auf Sand oder Hartplatz nicht nötig."

Viele in der Tennisszene sind sich einig: Für Federer ist es Segen, dass er die Sandsaison ausgelassen hat. "So ließ er sich taktisch nicht verwirren", glaubt O'Shannessy: "Jeden Abend, wenn er die Kids ins Bett gebracht hat, ­sollte er sich die Aufzeichnungen seiner besten Punkte vom Australian Open anschauen. Und genau so muss er hier auch spielen. Er darf auf keinen Fall von dieser aggressiven Spielweise abweichen."

© SZ vom 02.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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