Rodler Fuahea Semi:Im Namen der Unterhose

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"Das ist eine perverse Marketing-Idee": Der tongaische Rodler Bruno Banani (Foto: picture alliance / dpa)

Als Fuahea Semi kam er nach Deutschland, unter seinem neuen Namen Bruno Banani nimmt er als erster Sportler aus Tonga an den Olympischen Winterspielen teil. Dafür ist der talentierte Rodler ein umstrittenes Geschäft eingegangen.

Von Volker Kreisl

Schon in der Zeit, als er noch Fuahea Semi hieß, hatte er diese spezielle Form von Courage. Es war etwas zwischen Draufgängertum und Naivität. Seine Rodeltrainerin Isabel Barschinski sagt, diese Qualität sei ausschlaggebend gewesen, 2008, beim Casting in Tonga. Semi war zwar schon 20, aber innerlich noch das Kind Fuahea. Und wer ins Rennrodeln quer einsteigen will, der braucht diese Kindlichkeit, Top-Rodler beginnen mit dem waghalsigen Sport im Alter von zehn oder elf Jahren. Semi, sagt Barschinski, war der Einzige, der sich ohne Zögern auf dem Rollschlitten die Asphaltstrecke hinabstürzte: "Er hatte diese Haltung: Ich probier' es, ohne nachzudenken, was passieren könnte."

Seitdem ist einiges passiert. Am 24. Januar 2009 landete Fuahea Semi zum ersten Mal in Deutschland und fragte Barschinski, ob Schneebälle weh tun, worauf sie ihm einen entgegenwarf und fragte: "Tut's weh?" Fünf Jahre später, am 8. Februar 2014, wird Fuahea Semi als erster Tongaer bei Winterspielen an den Start gehen. "Ich bin unglaublich glücklich", sagt er.

Und er hat nun einen Namen, der, wie manche finden, skandalös ist. Wenn er nach Hause fliegt, dann wird er von den Politikern Tongas und von seinen Kumpels "Bruno" genannt werden. Denn seit er Rodler ist, heißt er Bruno. Alle in Tonga nennen ihn Bruno. Nur der Vater, sagt Barschinksi, "der sagt noch Fuahea".

Schleichwerbung ist bei den Spielen tabu

Bruno ist ein schöner Vorname. Fragwürdig ist der Nachname, da steht in seinem Pass seit gut fünf Jahren: Banani. Die Kombination aus beidem ergibt das Label einer deutschen Unterwäsche-Marke. Und an dieser Stelle teilt sich das Märchen des tongaischen Wintersportlers sozusagen in zwei Geschichten, eine schöne und eine hässliche. In die vom Bruno, dem sonnigen und talentierten Sportler. Und die vom Banani, dem mindestens naiven Athleten, der sich für einen dreisten Fall von Ambush-Marketing einspannen lässt. Olympiafahrer sollen Sport machen und die Olympia-Öffentlichkeit nicht dazu nutzen, um ihre Sponsoren zu bedienen.

Schleichwerbung ist bei den Spielen tabu. Kein privates Logo darf sichtbar sein, die Athleten müssen darauf achten, auf Internetseiten keine olympiafremden Sponsoren zu nennen. Im Internationalen Olympischen Komitee kümmert sich eine ganze Abteilung um die Einhaltung der Regeln. In diesem Fall aber ist sie machtlos. Denn der Tongaer hat das Label im Pass stehen, und daran kann keiner was ändern. Auf Anfrage heißt es beim IOC: "Er hat sich qualifiziert, und er startet unter seinem Namen." Freude bereitet das nicht. IOC-Chef Thomas Bach hatte schon vor zwei Jahren gesagt: "Das ist eine perverse Marketing-Idee." Seinen Namen in den eines Sponsors umzuändern, zeuge von "schlechtem Geschmack".

Der Label-Name wird trotzdem in Ergebnislisten und Pressetexten erwähnt werden, und immer wird die entsprechende Geschichte dazu erzählt werden. Und Bruno, das Südseekind, staunt über die Aufregung, wie 2009 über den Schnee. Er sagt heute: "Entscheidend ist der Sport, das mit dem Namen ist nicht so wichtig."

Er ist ja keiner dieser Einweg-Olympia-Exoten, er nimmt das ernst. Bis zu tausend Bahnfahrten hat er hinter sich. Und sein großer Vorteil neben der Courage ist die Lernfähigkeit, sagt Barschinski. Bruno setzt Tipps schnell um, er lässt sich nie ablenken, auch nicht von der Aufregung über ihn. In vielen Artikeln hieß es beispielsweise, er sei der Sohn eines Kokosnuss- Bauern. Dabei ist der Mann, der ihn noch Fuahea nennt, Lehrer. Grundschullehrer, sagt Barschinski. Mit Kokosnüssen hat der Vater rein gar nichts zu tun.

Andererseits kann es der Marketing-Agentur Makai, die sich die Banani-Geschichte ausgedacht hat, nicht wirklich missfallen, wenn in den Storys von Kokosnüssen die Rede ist - Kokosbauersohn klingt südseehafter als Grundschullehrersohn. Jedenfalls hat es Makai, mit Sitz in Los Angeles und Filiale in Leipzig, zwischendurch mit der Wahrheit nicht so penibel genau genommen. In den ersten Jahren des Projekts hatte man behauptet, der Mann aus Tonga habe zufällig schon immer diesen italienischen Vornamen und diesen gekünstelt lustigen europäischen Nachnamen gehabt. Man habe nur den Wunsch des tongaischen Königshauses nach einem Wintersportler aufgegriffen, ein Casting veranstaltet und sei auf einen Mann namens Bruno Banani gestoßen.

"Im Nachtrag ist man schlauer."

Je prominenter der aber wurde, desto klarer war, dass der Trick rauskommen würde. Zur Rodel-WM 2011 klärte der Spiegel über Fuahea Semi auf, dessen Leistung ließ nach, und für die Marke war die Lüge auch kaum förderlich. Mathias Ihle von Makai Deutschland sagt: "Im Nachtrag ist man schlauer." Aber der Sponsor habe davon nichts gewusst. Man habe ihm einen Rodler präsentiert mit zufällig demselben Namen. Das klingt schon wieder abenteuerlich. War es also eine Namensänderung ins Blaue hinein, obwohl beide, Makai und die Wäschefirma, in Sachsen sitzen? "Wir hatten keinen Kontakt", sagt Ihle, "wir waren eine junge Agentur und sind ein hohes Risiko eingegangen."

So wirkt alles weiterhin kühn und nicht so, als könnte es ein Sponsor eingefädelt haben. Dabei besteht kein Grund dazu, sich zu zieren. Juristisch steht dem Olympia-Start nichts im Wege, und um Moral geht es dem IOC eh weniger. Olympia soll sauber bleiben von fremden Geldgebern, aber nur zum Schutz der olympiaeigenen Sponsoren. Der Mann, der einst Fuahea Semi hieß, ist schlussendlich im Reinen. Sein neuer Name war mit den Eltern und sogar mit seinem Priester abgesprochen. Er sei nun mit dem neuen Leben auf der Rodelbahn verbunden.

Vielleicht kriegt man das ja tatsächlich hin, ohne Probleme mit der eigenen Identität. Man muss die schöne und die hässliche Seite des Märchens nur säuberlich voneinander trennen.

© SZ vom 31.01.2014/bwa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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