Ringen:Im Auftrag des Bürgermeisters

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Wacker Burghausen kann zum dritten Mal nacheinander deutscher Meister werden.

Von Thomas Gröbner

Man kann behaupten, dass die Stadt Burghausen weiß, wie man für sich wirbt. Mit der längsten Burg Europas zum Beispiel, die sich über der Stadt erhebt und deren Abbild sich auf den Trikots der stärksten Männer der Stadt spannt. Denn die Ringer sind gerade ein Aushängeschild ihrer Stadt.

Eine Zeit lang hatten sie in Burghausen versucht, mit Profifußball Aufmerksamkeit zu erregen, und tatsächlich flimmerten fünf Jahre lang Zweitligaspiele aus Burghausen über die Bildschirme im Land. Dann kam der Abstieg, und noch ein Abstieg, und dann war die Geduld des Bürgermeisters aufgebraucht. Ende 2016 verkündete Hans Steindl, nun schon 30 Jahre im Amt, das Aus für den Profifußball in Burghausen; es sei ein "Luxussegment", das sich die Stadt nicht mehr leisten wolle - und das sich trotz der Alimentierung der Stadt und eines Chemiekonzerns nie recht finanzieren habe lassen.

Stattdessen tauchte der Bürgermeister bei den Ringern auf, die von der Stadt schon lange unterstützt wurden. Diesmal hatte er einen Scheck dabei, 50 000 Euro. Und einen Auftrag: "Er hat uns als Aufgabe gegeben, deutscher Mannschaftsmeister zu werden", erzählt Vorstand Jürgen Löblein heute. Von einer Meisterschaft sind die Fußballer weit entfernt, Abstiegskampf in der Regionalliga heißt die Gegenwart. Aber von der Aufmerksamkeit, die der Profifußball gebracht habe, "davon haben die Ringer sicher auch profitiert", glaubt Löblein.

Die Stadt Burghausen war schon in der Vergangenheit gut darin, eine Nische zu finden und sich zu vermarkten. Die renommierten Jazzwochen etwa sind seit 50 Jahren fest im Programm, zwischendurch ließ man Eisschwimmer um die Wette kraulen, immer wieder kamen gute Schwimmer aus Burghausen, die Tennis-Mannschaft spielte in der Bundesliga. Günstiger als Profifußball sind die Ringer allemal, ihr Saisonbudget beträgt 350 000 Euro, 200 000 Euro kommen von der Stadt. Im Vergleich: 1,6 Millionen waren für die Regionalliga-Fußballer veranschlagt, so hatte es Steindl damals vorgerechnet, als er Rückzug aus dem Profifußball erklärte.

Das Geld scheint sinnvoll angelegt, denn die Ringer schicken sich an, zum Serienmeister zu werden, zum dritten Mal in Serie nach 2018 und 2019 können sie den Titel gewinnen. Man müsse aufpassen, dass es nicht zu langweilig wird, wenn Burghausen zu überlegen ist, warnte Steindl jüngst in der FAZ. Die Reise zum Finalgegner Köllerbach am Samstag hat er sich im Terminplan frei gehalten, auch bei den finalen Kämpfen in Burghausen am 1. Februar will er dabeisein.

So eine Entwicklung war noch vor sechs Jahren schwer vorstellbar: Damals war Wacker nur mit deutschen Kämpfern angetreten, das Wettrüsten der Vereine mit ausländischen Spitzenkräften wollte der Klub nicht mehr mitmachen. Als sich herumsprach, der Meister Nendingen habe ein Budget von über einer Million Euro, resignierten Burghausens Ringer. "Wir waren nicht mehr wettbewerbsfähig", erklärt Löblein, denn gegen die Spitzenringer aus dem Osten waren die heimischen Talente ohne Chance. "Der einzige Ausweg für uns war deshalb die zweite Liga", sagt Löblein.

Doch nach einer Reform - unter anderem wurde eine Obergrenze für das Personalbudget eingezogen und eine Ausländerbegrenzung - schien die Bundesliga auch für Burghausen wieder machbar zu sein. Als sich dann fünf Spitzenvereine abspalteten und eine eigene Liga gründeten, rutschte Burghausen 2017 nach und wurde zu einer der besten Adressen in Deutschland. Denn Wacker gelingt es gerade hervorragend, eine gute Mischung zu finden aus ausländischen Spitzenkräften wie Cengizhan Erdogan, der zu Wettkämpfen schon mal die 5300 Flugkilometer aus der russischen Stadt Krasnojarsk anreist, und Eigengewächsen wie Matthias Maasch.

Halbfinalgegner Mainz dagegen verzichtete auf die Besten im Rückkampf, zu groß war der Rückstand. Elf Punkte, "das sind drei Schulterwürfe, das holst du nicht auf in einem Halbfinale", sagt Löblein. "Es ist ein bisschen zu leicht gewesen", gab Ringer Andi Maier danach zu, die Spannung in der Halle vor 800 Zuschauern war schon nach dem Wiegen der Kämpfer verflogen - am Ende stand es 20:8. Das dürfte im Finale anders werden, "in- und auswendig" kenne man Köllerbach, sagt Löblein, schon 2018 hatte Burghausen den Rivalen im Finale geschlagen. Aber Obacht: Köllerbach, ein Stadtteil von Püttlingen im Saarland, könnte ebenfalls die Gelegenheit nutzen wollen, um ein wenig Stadtmarketing zu betreiben.

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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