Relegation:Weil sie nicht anders können

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Andreas Geipl und die ganz, ganz große Chance: Sechzigs Torwart Stefan Ortega hält den schwach geschossenen Elfmeter des Oberpfälzers. (Foto: Timm Schamberger/dpa)

Regensburg lässt sich vor dem Rückspiel gegen 1860 nicht vom verschossenen Elfmeter im Hinspiel und der Aussicht auf ein volles Münchner Stadion verunsichern. Der Jahn wird stürmen.

Von Christoph Leischwitz, Regensburg

Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, da hatte sich Andreas Geipl für unten links entschieden. Mit einem strammen Schuss brachte er Jahn Regensburg in Führung gegen den VfL Wolfsburg II, damals noch trainiert von Valérien Ismaël. Eine gute Stunde später waren die Oberpfälzer in die dritte Liga aufgestiegen.

Am Freitagabend, in der 84. Minute, schoss der Mittelfeldspieler von Jahn Regensburg den Ball aber... ja, wohin eigentlich? "Der war weder ins Eck noch mittig", ärgerte sich der 25-jährige und machte dabei ein Gesicht wie ein Schüler, der gerade erfahren hat, dass er sitzengeblieben ist. Was denn zum Triumph im Relegations-Hinspiel gegen den TSV 1860 München noch gefehlt habe, wurde er dann noch gefragt. "Dass ich den Elfmeter neihau, des hat gefehlt", sagte Geipl, geboren in Garmisch-Partenkirchen. Es wäre wohl der 2:1-Siegtreffer für Jahn Regensburg gewesen, die Ausgangslage vor dem Rückspiel am Dienstag wäre ungleich besser gewesen für die Oberpfälzer.

Mit dem vorangegangenen Foul an Kolja Pusch war eigentlich mal wieder ein Plan aufgegangen. Jahn Regensburg hatte aggressiv verteidigt und gepresst, sie hatten viele zweite Bälle erobert und 61 Prozent ihrer Zweikämpfe gewonnen. Und so hatten sie sich, wie schon in der gesamten Drittliga-Saison, sehr häufig im gegnerischen Strafraum aufgehalten. Dort hatten sie nicht nur die meisten Tore in der Liga geschossen (62), sondern durch ihre Präsenz und durch die Antrittsschnelligkeit der Offensivspieler auch viele Elfmeter zugesprochen bekommen. Erik Thommy und der Torschütze zum 1:0 gegen Sechzig, Marc Lais, hatten je einen verschossen, Geipl sechsmal getroffen und einmal verfehlt. "Ohne ihn wären wir gar nicht hier", merkte Lais tröstend an. Denn den bis dahin letzten wichtigen Strafstoß hatte Geipl am letzten Spieltag verwandelt - in der 83. Spielminute, bei Preußen Münster. Der Sieg sicherte erst den dritten Platz.

"Er hatte eine schwere Woche hinter sich", sagt Pereira über Löwen-Torwart Ortega

Das 1:0 gegen Sechzig (2.) war zwar ebenfalls nach einer Standardsituation, einer Ecke, gefallen, "aber wir haben uns auch viele Chancen erspielt, teilweise dominiert", sagte Regensburgs Trainer Heiko Herrlich. Man habe es schlicht verpasst, das 2:0 früher zu erzielen. Vor der Pause, als Romuald Lacazette wütend gegen eine Bande trat, weil er nach einer gelben Karte für das Rückspiel gesperrt ist, oder nach der Pause, als Marin Pongracic gegen eine Bande trat, als er mit Gelb-Rot vom Platz musste (80.), da hatte der Zweitligist oft wie ein angeschlagener Boxer gewirkt, der sich vom nächsten Schlag nicht erholen würde. Eigentlich hatte Geipl mit seinem verschossenen Elfer nur die letzte Möglichkeit für diesen Knockout vergeben.

Der Ex-Sechziger war vor einem Jahr ein Aufstiegsheld, er ist ohnehin ein wichtiger Führungsspieler im Team von Herrlich. Dass er ausgerechnet an Sechzigs Torwart Stefan Ortega scheiterte, zeigt nur, wie oft in wichtigen Spielen unerwartete Helden geboren werden. "Stefan hatte eine schwere Woche hinter sich", sagte Sechzigs Trainer Vitor Pereira. Dass die Löwen am letzten Zweitliga-Spieltag 1:2 in Heidenheim verloren hatten, das hatten viele Fans auch dem Torwartangekreidet. "Er hat sehr viel Anspannung gehabt. Es freut mich für ihn, dass er sein Gesicht gezeigt hat. Er war gut drauf. Und er hat uns sehr geholfen", so der Portugiese.

Doch es passt zu Jahn Regensburg, dass sich die Mannschaft von einem verschossenen Elfmeter - und von einem wohl fast ausverkauften Stadion - nicht abschrecken lässt. Er sei schon ein bisschen überrascht gewesen, sagte Geipl, wie sehr man in der ersten Halbzeit dominiert habe. Man werde sich auf jeden Fall auch in München Chancen erspielen. "Wir können gar nicht anders", sagt Trainer Herrlich. Die Offensive ist trotz mangelhafter Effizienz die große Stärke der Regensburger.

Erik Thommy, der nach dem verschossenen Elfmeter als Erster Geipl tröstete, sagte dann noch, er verspüre nur positiven Druck: "Unser Minimalziel war der Klassenerhalt. Dass wir so weit oben stehen, ist schon eine Sensation." Und wenn die Mannschaft wieder einen Elfmeter zugesprochen bekommt, würde er dann antreten? Geipl antwortete, bevor die Frage zu Ende gestellt war: "Ja, würde ich."

© SZ vom 28.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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