Reistport:Ein Tierarztkoffer voller Rätsel

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Doppelt im Fokus: Julia Krajewski, 29, hier auf dem Wallach Samourai du Thot 2016 bei Olympia in Rio, ist auch Bundestrainerin der Junioren. (Foto: Ed Jones/AFP)
  • Wie gelangte während der Vielseitigkeits-EM in Polen im September die verbotene Substanz Firocoxib in den Körper des Wallachs Samourai du Thot?
  • Der Fall wird ungelöst zu den Akten gelegt. Doch in dieser Geschichte ist einiges anders gelaufen, als von den Beteiligten zunächst erzählt wurde.

Von Gabriele Pochhammer

Was wirklich passiert ist, wird man wohl nie erfahren. Wie die verbotene Substanz Firocoxib während der Vielseitigkeits-EM in Strzegom/Polen im September in den Körper des Wallachs Samourai du Thot gelangte, bleibt offen. Die Mannschafts-Silbermedaille hat die deutsche Vielseitigkeits-Equipe zurückgeben müssen, doch der Medikationsfall ihrer Reiterin Julia Krajewski wird ungelöst zu den Akten gelegt. Allerdings, so viel ist inzwischen klar, ist in dieser unübersichtlichen Geschichte einiges anders gelaufen, als von den Beteiligten zunächst in den Medien erzählt wurde.

Das Firocoxib-haltige Medikament Equioxx, das wohl zum positiven Befund bei Samourai de Thot geführt hatte, befand sich sehr wohl im Arzneikoffer des Mannschaftstierarztes Carsten Rohde. Das bezeugen mehrere mit dem Fall vertraute Personen. Rohde hatte zunächst ausgesagt, dass er es gar nicht mit nach Strzegom genommen habe. Das entsprach offenbar nicht den Tatsachen. Das Mittel sei, so wurde es dem Exekutiv-Ausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) mitgeteilt, wohl versehentlich durch eine Assistentin mit in die Medikamententasche gepackt worden, in Form einer Injektionslösung. Die Flasche sei aber versiegelt gewesen und habe Polen genau so wieder verlassen.

Falsche Angaben gemacht

Fragt sich nur: Warum hat der Tierarzt das nicht gleich gesagt? Wie sich außerdem herausstellte, stand Equioxx auch bei den Olympischen Spielen in Rio schon auf seiner Medikamentenliste. Und beim Vielseitigkeitsturnier in Badminton soll es fast zu einer fatalen Verwechslung gekommen sein: Statt des harmlosen Magenmittels Gastrogard habe Rohde dem Pferd von Andreas Dibowski um ein Haar Equioxx verabreicht, der Pfleger habe im letzten Moment die Verwechslung bemerkt.

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Rohde zog jetzt die Konsequenzen und trat nach zehn Jahren als Mannschaftstierarzt zurück. Beim ihm sei der Eindruck entstanden, "dass nicht mehr alle Personen im Verband hinter mir stehen", begründete er seine Entscheidung. Wen wundert's? Trotz lobender Dankesworte von FN-Sportchef Dennis Peiler bleibt der dringende Verdacht, dass der Rücktritt so freiwillig nicht war. Mit seiner fragwürdigen Kommunikationsstrategie in dem Fall hat Carsten Rohde der 29-jährigen Krajewski jedenfalls einen Bärendienst erwiesen.

Die in Equioxx enthaltene Substanz Firocoxib - schmerzlindernd, fiebersenkend, entzündungshemmend und 30 Tage nachweisbar - ist zwar im Training erlaubt, aber im Wettkampf verboten. Es handelt sich mithin nicht um Doping, sondern um eine minderschwere "verbotene Medikation". Diese Unterscheidung gibt es nur im Pferdesport. Nachdem die Reiterin keine plausible Erklärung für den Fund hatte geben können, akzeptierte sie die "administrative Strafe" des Weltreiterverbandes FEI. Sie muss 2500 Schweizer Franken zahlen. Damit vermied sie eine Sperre.

Da Julia Krajewski auch Bundestrainerin der Junioren ist, beschäftigte sich der Exekutiv-Ausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei ebenfalls mit dem Fall. Die Sanktion klingt milder als sie ist: Ausschluss aus dem Kader bis 30. Juni 2018. Krajewski darf zwar weiter an Turnieren teilnehmen, aber die Unterstützung durch die Deutsche Sporthilfe ruht. Auch Vergünstigungen im Bundesleistungszentrum, etwa verbilligte Einstellgebühren, die nur Kaderreiter genießen, entfallen für diesen Zeitraum. Am Ende geht es da um einen fünfstelligen Betrag. Das Vertrauen als Bundestrainerin wurde Krajewski ausdrücklich ausgesprochen. Fragt sich, warum man sie bestraft hat, über den automatischen Verlust der Medaille hinaus, wenn der Verband überzeugt ist, dass Krajewski die Wahrheit sagt. "Wegen der Bedeutung des Falles", sagt der Sportchef Peiler. Also fürs Schaufenster.

Die Sanktionen spalten das Reiterlager. Die einen, etwa Hendrik von Paepcke, Olympiareiter 1996 und inzwischen Mitglied im Vielseitigkeitsausschuss, halten sie für eine ungerechtfertigte Rufschädigung von Krajewski. "Ich finde es unglaublich, wie der Verband mit ihr umgegangen ist, schließlich hängt auch ihre Karriere daran", sagt er. Von Paepcke ist, wie auch Kaderreiter Andreas Dibowski, davon überzeugt, dass Fremdverschulden zur positiven Probe geführt hat, also dass jemand dem Wallach etwas gegeben hat, um Krajewski zu schaden. Firocoxib kommt auch in Tablettenform in einem Medikament für Hunde vor, wäre also, etwa in einem Apfel versteckt, leicht zu verabreichen.

"Die Security in Strzegom war lächerlich", sagte Dibowski, der in dem Fall als Trainer der Polen vor Ort war. "Jeder konnte in die Ställe rein, der es wollte." Die Listen, auf denen festgehalten wird, wer in den Nachtstunden das Stallgelände betritt, hat der zuständige FEI-Steward eine Woche nach der EM weggeworfen. "Da muss eine Video-Überwachung her", sagt Dibowski. "Oder wir müssen unsere Pferde rund um die Uhr bewachen."

"Die Security in Strzegom war lächerlich"

Es gibt aber auch Aktive, denen die Reaktion der FN zu mild ist. Kritik kommt etwa aus anderen Disziplinen. Erinnert wird in diesem Zusammenhang an den Fall Christian Ahlmann nach den Spielen in Peking/Hongkong 2008. Damals war die deutsche FN sogar vor den Sportgerichtshof Cas gezogen, um die Sanktion des Weltverbands gegen Ahlmann verschärfen zu lassen - unter dem Druck der Fernsehanstalten, die mit Streichung der Übertragungen drohten. Ahlmann wurde deshalb nicht wegen verbotener Medikation verurteilt wie drei weitere Reiter, bei deren Pferden dieselbe Substanz gefunden worden war, sondern bekam wegen Dopings eine Acht-Monats-Sperre.

"Das war der größte Fehler meiner Amtszeit, dass ich das zugelassen habe", sagt Verbandspräsident Breido Graf zu Rantzau heute zu diesem Vorgehen. Die Affäre Krajewski mag zu Ende sein, was bleibt, ist Misstrauen und das ungute Gefühl, dass die FN weit davon entfernt ist, die Doping- und Medikationsprobleme im Griff zu haben.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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