Reifen bei der Formel 1:Jetzt gibt's die versprochene Härte

Lesezeit: 3 min

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Reifen-Problematik eine Grundregel des Motorsports aushebelt: Der Schnellste gewinnt. (Foto: dpa)

Die Reifen sind zum Problem für die Formel 1 geworden: Aus Angst um die Show hat nun der Hersteller für das Formel-1-Rennen in Barcelona eine widerstandsfähigere Mischung geliefert. Doch die Skepsis im Fahrerlager bleibt.

Von Michael Neudecker, Barcelona

Nun also erreichte die Motorsportjournaille die Nachricht von Lotta Hintsa aus Jyväskylä, einer 24-jährigen Blondine, der ein grüner Bikini ganz hervorragend steht und die deshalb soeben zur Miss Finnland gekürt worden ist. Lotta Hintsa ist die Tochter von Aki Hintsa, dem Arzt von McLaren, 2006 war sie kurz liiert mit dem Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton, von dem wiederum gerade zu lesen ist, dass er an diesem Wochenende in Barcelona erstmals in dieser Saison begleitet wird von seinem Hund Roscoe.

Immer viel los in der Formel 1, gerade die Sache mit Roscoe war ein aufdringliches Thema die letzten Tage; jetzt aber muss sich Roscoe etwas einfallen lassen, wenn er nicht von der Agenda verdrängt werden will. Die ersten Trainingssessions in Barcelona stehen diesen Freitag an, und wenn die Autos über die Strecke dröhnen, vergessen sie sogar in der Formel 1 ihre Haustiere und Blondinen. Es geht dann um wirklich wichtige Themen, es geht um: die Reifen.

Es ist wirklich viel über die Reifen gesprochen und geschrieben worden in den vergangenen Wochen, im Fahrerlager schimpfen sie fast alle ausführlich über die Reifen, Sebastian Vettel genauso wie sein Rivale Fernando Alonso. Rennfahren habe nicht mehr viel mit Rennfahren zu tun, wenn sich alles um die Reifen drehe, hat Vettel neulich gesagt, "man fährt im Dunkeln". Er meinte: Niemand weiß, wie genau das mit den Reifen funktioniert. Christian Horner, Vettels Teamchef bei Red Bull, sagte, der Rennsport sei "anders, es geht mehr darum, die Reifen haltbar zu bekommen als um den schieren Speed".

Der Schnellste gewinnt, so war das bislang im Großen und Ganzen, aber nun? Es drängt sich der Eindruck auf, dass die einfachste Grundregel des Motorsports in der Formel 1 obsolet ist.

Aber es ist eben so: Formel 1 ist ein Materialsport, und nichts dokumentiert das deutlicher als die Reifendiskussion. Der Hersteller Pirelli stellt den Teams in der gesamten Saison vier verschieden harte Reifenmischungen zur Verfügung, superweich, weich, medium und hart. Vor jedem Rennen werden zwei Reifentypen festgelegt, die in limitierter Zahl verwendet werden dürfen.

Die Fahrer müssen auf ihren Reifenverschleiß achten, das ist nun das Problem: Die Reifen sind in diesem Jahr weicher als im vergangenen, die Autos sollten damit besser fahren können, "die Perfomance erhöhen", so heißt das in der Rennsprache, aber stattdessen wurde der Reifenverschleiß erhöht. Man kann das sehen, die Reifen, die sie im Fahrerlager nach den Trainings und Rennen durch die Gegend rollen, sehen übel aus, man muss nicht einmal nahe herantreten, um zu erkennen, wie kaputt sie sind. Risse, Löcher, benutzte Reifen sehen nicht aus, als hätte ein 600 Kilo schwerer Wagen gerade mehr als 300 km/h mit ihnen fahren können.

Aber jetzt, in Barcelona, soll alles anders werden. Pirelli hat einen neuen Prototypen des harten Reifens entwickelt, der in Barcelona erstmals zur Verfügung steht. Zudem dürfen die Teams für das Freie Training am Freitag einen zusätzlichen Satz Reifen verwenden, wegen der Fans: "Die Fans haben eine große Motorsport-Show verdient", sagt Paul Hembery, der Motorsportchef von Pirelli. Zuletzt sah die Show am Freitag so aus, dass die Spitzenteams im Training die erste halbe Stunde gar nicht fuhren, um die Reifen zu schonen.

Barcelona, das erste Europa-Rennen im Jahreskalender, ist auch ohne die Reifensache ein besonderes Rennen, keine Strecke kennen die Teams so gut wie den Circuit de Catalunya: Hier absolvieren sie vor der Saison ihre Vorbereitung, was Testfahrten angeht. Barcelona hat keine besonderen Eigenheiten, aber von allem etwas, weshalb in der Branche der Leitspruch gilt: Wer es in Barcelona kann, kann es überall.

Durch die neue Reifenmischung und den zusätzlichen Satz, für den eigens das Reglement umgeschrieben wurde, verändert sich der Leitspruch für dieses Jahr: Wer es in Barcelona kann, kann es das ganze Jahr. Wenn alles so läuft wie sich die Formel-1-Macher das vorstellen, bedeutet Barcelona einen Richtungswechsel in der Reifendebatte.

Richtungswechsel? Am Donnerstag sind die Fahrer nach ihren Erwartungen gefragt worden, alle haben sie geantwortet: Keine Ahnung. "Wir erwarten keine Wunder", sagte Vettel, "wir müssen ja immer noch viel arbeiten, um die Reifen zu verstehen." Er sehe das auch so, sagte Alonso, und was die Zukunft angehe, ja, gewiss, da sei er zuversichtlich: "Nach dem Rennen schon", sagte Alonso, "wissen wir mehr."

© SZ vom 10.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: