Regionalliga:Der größte Auswärtsblock der Welt

Lesezeit: 3 min

Mit großem Vorsprung startet der TSV 1860 München am Samstag beim 1. FC Nürnberg II in die Rückrunde. Der Club öffnet sein Stadion für unbegrenzt viele Löwenfans, 12 500 Gästekarten sind verkauft.

Von Markus Schäflein, München

Rund 12 500 Karten hatte der TSV 1860 München für sein erstes Viertliga-Spiel nach der Winterpause am Donnerstagnachmittag bereits verkauft. Das ist umso bemerkenswerter, als es sich nicht um einen Heimauftritt handelt, sondern um eine Auswärtspartie - am Samstag (13 Uhr) treten die Löwen bei der U21 des 1. FC Nürnberg an, die zu diesem Zweck in das Max-Morlock-Stadion umzieht, in dem sonst die Nürnberger Profis spielen und das 50 000 Menschen Platz bietet. Weil sie nur mit rund 2000 Heimfans rechnen, öffneten die Nürnberger Block um Block für die Löwen. Es wird eine Auswärtskulisse, wie sie selbst in der Bundesliga undenkbar ist - dort reichen die Gästekapazitäten, die normalerweise ein Zehntel des Fassungsvermögens betragen, gar nicht für so viele Fans. Womöglich handelt es sich gar um den größten Auswärtsblock der Welt, jedenfalls in Relation zum Heimpublikum.

Formal ist es ein Spitzenspiel - die Nürnberger sind Zweiter. Aber sie wollen gar nicht aufsteigen

Nachdem die Winterpause in der Regionalliga Bayern so lange dauerte, bis nun tatsächlich wieder Winter ist, sind die meisten Partien des 25. Spieltags schon abgesagt worden. Das Spiel der Löwen kann angesichts der Nürnberger Rasenheizung aber sicher stattfinden. Darüber ist 1860-Trainer Daniel Bierofka froh, nachdem sich die Winterpause "wie Kaugummi gezogen" habe: "Nach vier, fünf Wochen Vorbereitung merkst du schon, dass das Adrenalin aus den Wettkämpfen fehlt", sagte er, "diese Woche hatten wir im Training eine ganz andere Spannung."

Er ist mehr gewesen als der Trainer, er war der oberste Fan: Daniel Bierofka. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Angesichts der Tabellenkonstellation - die Nürnberger U21 steht mit sieben Zählern Rückstand auf Sechzig auf dem zweiten Tabellenplatz - handelt es sich formal um ein Spitzenspiel. Allerdings wollen die Nürnberger gar nicht aufsteigen, sie werden keine Drittliga-Lizenz beantragen. Als Konkurrenten verbleiben der FC Bayern München II, der FC Ingolstadt II und der FC Schweinfurt 05, die aber schon neun bzw. zehn Zähler Rückstand haben. Bierofka sagt zur Partie in Nürnberg: "Ich habe gelesen, dass das ein vorentscheidendes Spiel sein soll. Das sehe ich überhaupt nicht so." Auf dem großen Vorsprung ausruhen will er sich aber nicht: "Wenn wir unsere Hausaufgaben nicht erfüllen, werden irgendwann die anderen Mannschaften an uns rankommen."

In der Winterpause hat er die Mannschaft, die in der Liga bislang in einer 4-3-3-Formation antrat, fast ausschließlich im 4-4-2-System spielen lassen. "Das ist ein System, das zu der Mannschaft passt, denn wir haben zwei sehr gute Mittelstürmer", meint Bierofka mit Blick auf Markus Ziereis und den vor einer Vertragsverlängerung stehenden Sascha Mölders. Zudem haben sie derzeit kaum Flügelstürmer: Nicholas Helmbrecht laboriert an einem Patellaspitzensyndrom, einer "ganz ekligen Geschichte", wie Bierofka sagt: "Da müssen wir geduldig sein." Und auch ein Einsatz von Nico Karger ist nach einer Kapselverletzung im Knie sehr unwahrscheinlich. "Wenn er nur bei 80 Prozent ist, bringt sein Einsatz mir nichts, der Mannschaft nichts und ihm selbst auch nichts." Als Alternative käme Noel Niemann, 18, in Frage, der wie Leon Klassen, 17, in der Vorbereitung bewiesen hat, dass es im Nachwuchsleistungszentrum noch immer große Talente gibt, die nach dem Absturz nicht gleich das Weite suchten.

Auch auf seine mutmaßlich besten Fußballer, die Regisseure für die Mittelfeldzentrale, muss Bierofka zum Wiederauftakt verzichten. Winterzugang Michael Görlitz ist wie erwartet noch nicht einsatzbereit, "es kann sein, dass er in den nächsten Wochen mal ein Thema für die Bank ist", sagt Bierofka. Noch länger wird es dauern, bis Timo Gebhart zurückkehrt, den die Achillessehne plagt, "eine hartnäckige Geschichte, die er nicht zum ersten Mal hat".

"Wenn wir mit Muss rangehen, würden wir's nicht hinkriegen", warnt Trainer Bierofka

Das für Regionalligaverhältnisse herausragend veranlagende Duo wollen die Löwen rechtzeitig fit haben, wenn das entscheidende Saisonfinale naht - mit den Aufstiegsspielen zur dritten Liga. Der 1. FC Saarbrücken sowie Kickers Offenbach oder Waldhof Mannheim im Südwesten, Energie Cottbus im Nordosten, Viktoria Köln oder der KFC Uerdingen aus der West-Staffel, aus dem hohen Norden der VfL Wolfsburg II oder der SC Weiche Flensburg 08 - die möglichen Relegationsgegner kann Bierofka im Schlaf aufsagen.

Zur Pflicht will er den Aufstieg aber nicht erklären: "Wenn wir mit Muss rangehen, würden wir's nicht hinkriegen, dann würde die Mannschaft verkrampfen." Bierofka erinnert gerne an den vergangenen Sommer, den Zweitliga-Abstieg, die verweigerte Drittligalizenz, das Ringen um eine Sanierung. "Das war eine Hauruckaktion", sagt der Trainer: "Wir müssen jeden Tag froh sein, überhaupt so eine Mannschaft auf dem Platz zu haben." Die Fans sind offensichtlich froh darüber - sonst würden sie ja nicht in fünfstelliger Zahl nach Nürnberg fahren.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: