Regionalliga:Auswärts zu Hause

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Der bislang letzte Torschütze der Alzenauer: Mingi Kang (hier bei einem Testspiel gegen den 1. FC Köln) traf Ende Oktober beim 1:3 gegen den TSV Steinbach zur Führung. Seit dem geht es für den bayerischen Klub in der Nähe von Hessen viel um Politik. (Foto: Weiss/Eibner-Pressefoto/Imago)

Der FC Bayern Alzenau könnte demnächst als einziger Amateurklub des Freistaats wieder spielen - in Hessen. Doch sechs Klubs der Regionalliga Südwest klagen gegen den Neustart, und Alzenau fühlt sich "wie ein Ping-Pong-Ball mittendrin".

Von Christian Bernhard

Mmhh. Mmhh. Andreas Trageser muss ein paar Sekunden überlegen, ehe er antwortet. Dann sagt er: "Eigentlich wäre es richtig, wenn die Klage durchginge. Das wäre das einzig Vernünftige." Eigentlich, sagt also der Vorstand des Regionalligisten FC Bayern Alzenau, fände er es gut, wenn seinem Klub am nächsten Wochenende das Fußballspielen verboten würde - obwohl er selbst nicht zu den Klägern zählt, die das erreichen wollen. Und das ist zwar ein zentraler Aspekt in dieser verwirrenden Geschichte, doch bei weitem nicht der einzige.

Alzenau ist eine Gemeinde mit 19000 Einwohnern im bayerischen Rhein-Main-Gebiet, die Grenze zu Hessen ist nur einen Kilometer entfernt. Deshalb gehören die Unterfranken seit mehr als 30 Jahren dem hessischen Fußballverband an - und spielen mittlerweile in der Regionalliga Südwest. Anders als etwa die bayerische Regionalliga hat die Südwest-Staffel jüngst festgelegt, dass der unterbrochene Spielbetrieb am 11. Dezember wieder aufgenommen wird. Grundlage dafür ist eine politische Entscheidung: Die Bundesländer, in denen die Regionalliga Südwest betrieben wird - Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland -, haben die vierte Liga einstimmig als Profiliga eingestuft.

Doch so einfach ist es nicht. Sechs Vereine haben am vergangenen Freitag eine einstweilige Verfügung gegen den Neustart am kommenden Freitag eingereicht und ein Eilverfahren angestrengt. Dieter Bühler, Vorsitzender des klagenden Bahlinger SC, kritisierte, dass bei dieser Entscheidung der Liga-Leitung die Corona-Pandemie "mit all ihren Gefahren" keine Rolle spiele. Es gehe einzig und allein darum, "eine Saison mit 42 Spieltagen durchzupeitschen". Alzenau gehört nicht zu den sechs Klägern. "Wir sind ja Gast in Hessen, da wollten wir nicht als Kläger auftreten", erklärt Trageser. Inhaltlich trage der Klub die Klage aber "voll mit".

Für jedes Training fahren die Alzenauer ins 50 Kilometer entfernte Walldorf

Die ganze Situation sei "mehr als traurig". Seine Alzenauer sollen nun wieder antreten - dürfen auf ihrem Vereinsgelände aber weder trainieren noch spielen. Der bayerische Freistaat hat ihnen keine Ausnahmegenehmigung dafür erteilt. "Das ist sehr fragwürdig", sagt Trageser. Die bayerischen Erst-, Zweit- und Drittligisten hätten schließlich eine Profi-Genehmigung erhalten - und die Regionalliga Südwest, zu der Alzenau nun mal gehört, sei von politischer Seite ja auch als Profiliga eingestuft worden.

Und so fahren die Alzenauer für jede Einheit ins 50 Kilometer entfernte Walldorf nach Hessen, um dort auf Kunstrasen zu trainieren. Dort werden sie übergangsweise auch ihre Heimspiele austragen. Der Verein könnte gegen die Entscheidung des Freistaats, ihnen die Trainings- und Spiel-Möglichkeit auf dem heimischen Gelände zu untersagen, vor Gericht ziehen. Doch das wollen die Alzenauer nicht. "Das ist uns alles zu viel", erklärt Trageser, dem anzumerken ist, wie viel Kraft diese Situation kostet. "Wir sind wie ein Ping-Pong-Ball zwischendrin", sagt er mit leichter Resignation in der Stimme. "Wir wissen gar nicht, wie wir uns verhalten sollen."

Auf einen offenen Brief von neun Klubs an die Liga-Führung hat es keine Antwort gegeben

Bayern Alzenau hatte sich bereits vor der Klage der sechs Vereine deutlich positioniert. "Wenn jeder so egoistisch denken würde wie einige Funktionäre in dieser Spielklasse, dann würden die Infektionszahlen in ganz Deutschland durch die Decke schießen", schimpfte Trainer Artur Lemm. Mannschaftsarzt Thomas Ambacher sprach von einer "egoistischen Fehlentscheidung", die "durch nichts" zu rechtfertigen sei: "Finanziell und epidemiologisch ist das ein Desaster. Das wird noch einigen auf die Füße fallen", glaubt er. Wirtschaftlich wird die aufgrund der Pandemie ohnehin angespannte Situation noch bedenklicher, die Vereine müssen nun zusätzlich die Kosten der Corona-Schnelltests für alle Teammitglieder vor jedem Spiel tragen. Der Klub spricht generell von einem finanziellen "Teufelskreis mit Mehrkosten ohne Einnahmen".

Gemeinsam mit acht weiteren Liga-Klubs hatte sich der Alzenauer FCB in einem offenen Brief an die Liga-Führung für eine Pause bis Ende Januar stark gemacht. Doch auf den Brief gab es laut Trageser nicht einmal eine Antwort. "Wir wurden einfach ignoriert", sagt er, "und ein bisschen wie Schulbuben behandelt." Ihn beschleicht mittlerweile das Gefühl, dass die Meinung von Bayern Alzenau bei den Liga-Verantwortlichen sowieso keine Rolle mehr spiele. Laut Spielplan würden die Mannschaft bis zum 22. Dezember spielen - und am 9. Januar schon wieder starten. Da liege "ganz klar ein Fehler im System vor", sagt Trageser.

Nun drückt er lächelnd "unseren Glaubensbrüdern" vor Gericht die Daumen. Und hofft, dass sein Verein nicht auch noch vor Gericht ziehen muss. Irgendwann, sagt Andreas Trageser mit Blick auf die Zusatzkosten für die Heimspiele in Walldorf, "wird das für uns zu teuer".

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