Red Bull steigt in Leipzig ein:Raumschiff im Rosenbeet

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Das von einem Brausehersteller initiierte Kommerzprojekt "Rasen Ballsport Leipzig" verschärft die Debatte über den Einfluss von Unternehmen im Profifußball.

Ronny Blaschke

Das Raumschiff ist auf einer Wiese gelandet, umgeben von Gärten, Baumreihen, einem schmucken Sportplatz, es wird bewacht von einem kräftigen Herrn in schwarzer Kleidung. Die kastenförmige Architektur mit ihren mannshohen Fenstern beherbergt sieben Mitarbeiter, sie telefonieren, bearbeiten Tastaturen, sortieren Kisten. Einige sind kurzfristig hierher versetzt worden, ihre Familien sind weit weg. Für sie ist diese provisorische Arbeitsstation ein Ort des Aufbruchs - für Skeptiker ist sie Symbol einer feindlichen Übernahme.

Der österreichische Brausehersteller Red Bull hat das Spielrecht eines Vorortklubs in den eigenen Verein "Rasen Ballsport Leipzig" übertragen. (Foto: Foto: imago)

Der Landeplatz des Ufos ist das Gelände des SSV Markranstädt südwestlich von Leipzig. Gelenkt wird es von Red Bull: Der österreichische Brausehersteller hat das Spielrecht des Vorortklubs in einen eigenen Verein übertragen - "Rasen Ballsport Leipzig". Aus der fünften Liga soll die Reise an die Spitze des deutschen Fußballs führen, dafür stellt das Unternehmen angeblich 100 Millionen Euro bereit. Dieser Vorstoß markiert eine neue Dimension in der Debatte um Tradition und Retorte. Er könnte das deutsche Regelwerk, wonach Investoren nicht die Mehrheit eines Klubs besitzen dürfen, Richtung Auflösung treiben.

Wie ein Politiker im Wahlkampf

Andreas Sadlo kennt diese Meinung, er weiß, wie er ihr begegnen muss. Mit Respekt und Demut. Sadlo, 41, empfängt Journalisten in seinem Hotel am Leipziger Hauptbahnhof, er ist Projektmanager des neuen Vereins, aber er bezeichnet sich als dessen Diener. "Wir werden uns anpassen, wir wollen niemanden verdrängen." Sadlo ist sprachgewandt, früher war er Spielervermittler, doch über Persönliches möchte er nicht reden, es zählt das Projekt. "Wir wollen keine Angriffsfläche bieten." Sadlo trifft sich täglich mit Vertretern der Stadt, besucht Sportschulen und Trainingsstätten. Wie ein Politiker im Wahlkampf.

Jahre lang suchte Red Bull in den großen europäischen Fußballnationen einen Standort, in Deutschland auch in Düsseldorf und Berlin. Die Pläne scheiterten, weil Widerstände groß und Einfluss gering geworden wären. Nun entschied man sich für Leipzig, wo über Erfolge in der Vergangenheitsform gesprochen wird. Die Übernahme des FC Sachsen misslang, Fans hatten protestiert, der DFB hatte seine Zustimmung verweigert. Das Management fragte bei kleineren Vereinen an, in Markranstädt wurde es fündig. Die Gespräche mit dem SSV stellten keine Hürde dar, schwieriger waren Verhandlungen mit den Verbänden.

Laut DFB, der für die fünfte Liga nicht zuständig ist, darf kein Klub den Namen eines Unternehmens tragen, außer, historisch begründet, Wacker Burghausen, Bayer Leverkusen und Carl Zeiss Jena. RB Leipzig ließ sich von LR Ahlen inspirieren. Die Initialen standen dort für Leichtathletik Rasensport, inoffiziell für den Hauptsponsor. "Statt Rasen Ballsport hätten sie sich auch Rosenbeet nennen können", sagt Klaus Reichenbach, Präsident des Sächsischen Fußball-Verbandes. Er hat Juristen auf das Verfahren angesetzt. Reichenbach musste bislang jeden Vorschlag von Red Bull für ein Vereinslogo ablehnen, da sie der Firmenoptik zu ähnlich waren.

Namensrechte am Zentralstadion bis 2030

Auf der anderen Seite der Stadt, in Probstheida, zieht Steffen Kubald genervt die Augenbrauen hoch. "Die Verbände haben sich nicht an die Statuten gehalten", sagt er. "Wissen Sie, wie oft ich unsere Medien beknien muss, um unseren Hauptsponsor zu nennen?" Kubald vertritt Lok Leipzig, das Gegenmodell. Der Vorstandschef hat den Klub nach der Pleite aus der elften in die fünfte Klasse geführt. Nebenan, im brüchigen Plache-Stadion, helfen drei Dutzend Fans bei der Sanierung. "Hier dürfen die Mitglieder demokratisch mitbestimmen", erzählt Kubald. "Wer bestimmt bei Red Bull außer Red Bull?"

Leipzig ist Geburtsstätte des DFB, Heimat des ersten Deutschen Meisters VfB, Spielort der WM 2006. Bislang konnten sich weder Lok noch der FC Sachsen, gezeichnet von einer brutalen Fanrivalität, in höheren Sphären etablieren. Nun also RB? Red Bull hat in Windeseile ein Team zusammengetrommelt, darunter ehemalige Bundesligaspieler wie Ingo Hertzsch.

Das Unternehmen hat bis 2030 die Namensrechte am Zentralstadion erworben, 2010 könnte RB in der Arena spielen, die bis heute weitgehend leer steht. Der DFB werde die Entwicklung beobachten, sagt Vizepräsident Rainer Koch, ausführlicher möchte er es nicht kommentieren.

"Red Bull ist der FC Bayern der Oberliga"

Im vergangenen Jahr hat sich die Branche an Milliardär Dietmar Hopp abgearbeitet, der Hoffenheim in die Bundesliga geführt hatte, im Gegensatz zu Red Bull ist er in seiner Region beheimatet. Rechtfertigt dieser Bestand eine scharfe Diskussion um Verwurzelung? "Tradition definiert sich nicht über Zeit, sondern über Erlebnisse", sagt Projektmanager Andreas Sadlo. Natürlich ist das RB-Projekt ein einziger großer Hintergedanke, doch Sadlo spricht lieber über die Förderung des Nachwuchses, von der alle Leipziger Klubs profitieren sollen.

Ein Drittel seines Marketings, mehr als 350 Millionen Euro im vergangenen Jahr, investiert das Unternehmen in Sport. Je erfolgreicher es wurde, desto mehr orientierte es sich am Geschmack der Masse. Von Trendsportarten über die Formel 1 zu einer Offensive im Fußball. Es existieren Klubs in Salzburg, New York, São Paulo, auch eine Akademie in Ghana.

Leipzig, die neueste Werbeplattform, liefert nun Argumente für Funktionäre wie Martin Kind, den Präsidenten von Hannover 96, der für einen größeren Einfluss von Investoren plädiert. "Ich finde diese Bestrebungen vernünftig", sagt Sadlo. "Man kann die Entwicklung nicht aufhalten." Verwerflich oder nur die logische Konsequenz einer kommerzialisierten Branche, in der Spieler dutzende Millionen kosten? Steffen Kubald, der Lokführer, nimmt es mit Humor: "Red Bull ist der FC Bayern der Oberliga." Die Münchner geben ihm Hoffnung. "Die sind zuletzt zum Glück auch nur Zweiter geworden."

© SZ vom 31.07.2009/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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