Premier League:Frag den Doktor

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Fehlte entschuldigt: Mesut Özil, hier bei einem Vorbereitungsspiel. (Foto: Fabian Bimmer/REUTERS)

Mal ausgewechselt, nun krank: Für Mesut Özil verläuft der Saisonstart in der Premier League unglücklich - und nach dem Abschied von Trainer Arsène Wenger sucht der FC Arsenal immer noch angespannt neue Hierarchien

Von Sven Haist, London

Auf dem Weg der Erneuerung hat es beim FC Arsenal gerade drei Spieltage gedauert, bis Berichte einer ersten Konfrontation bekannt wurden. Im Abschlusstraining am Freitag soll es nach Informationen des Sportsenders ESPN zwischen Arsenals neuem baskischen Trainer Unai Emery, 46, und Spielmacher Mesut Özil, 29, zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sein. Demzufolge setzte sich Özil in einem Wortgefecht schreiend gegen seinen Vorgesetzten zur Wehr - in der Vorahnung, im kommenden Ligaduell bloß als Ersatzmann auf dem Spielberichtsbogen zu stehen. Schon vor einer Woche wechselte Emery seinen bekanntesten Profi bei der Niederlage gegen Lokalrivale Chelsea (2:3) nach 68 Minuten aus. Die Maßnahme durfte zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison als einsetzender Vertrauensverlust gewertet werden, nachdem Emery in der Vorbereitung noch Özil gestärkt hatte nach dessen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft. "Wir sind hier, um ihm zu helfen. Wir sind seine Familie", sagte Emery damals. Hinter Kapitän Laurent Koscielny wurde Özil zu einem der vier stellvertretenden Spielführer ernannt, neben Petr Cech, Aaron Ramsey und Granit Xhaka.

Bei Arsenals mühsamem 3:1 gegen West Ham United am Samstag tauchte Özil nun nicht im Kader auf. Die Spekulation um den möglichen Streit bekräftigte sich durch Özils vorzeitiges Verlassen des Vereinsgeländes einen Tag vorher. Diese Darstellung der Geschehnisse wies Emery auf der Pressekonferenz nach dem Ligaspiel allerdings entschieden zurück.

"Die Information stimmt nicht. Ich weiß nicht, wer angefangen hat, den Leuten so etwas zu erzählen. Mesut war krank", sagte Emery: "Ich habe ihm mitgeteilt, heute zu kommen, falls er sich besser fühlen würde. Vor dem Spiel war er bei mir und der Mannschaft. Es gibt also kein Problem mit dem Spieler. Fragt den Doktor, er kann das besser erklären." Die Erkundigung, ob Özil von Beginn an gespielt hätte, wäre er einsatzfähig gewesen, ließ Emery unbeantwortet. Die Times meldete in ihrer Sonntagsausgabe, dass die Zukunft von Özil im Klub fortan in der Schwebe sei. Mit Arsène Wenger hat Özils größter Befürworter im Sommer den Verein als Trainer nach 22 Spielzeiten verlassen. Trotz zunehmendem Widerstand hatte Wenger stets zu seinem sensiblen Offensivgeist gehalten, dessen bisweilen genialisches Spielverständnis die Angriffe des Teams initiierten.

Sofern Özil tatsächlich aufgrund einer schweren Erkältung in der zurückliegenden Woche für drei Tage am Training und am Spieltag verhindert war, wäre das sein siebter krankheitsbedingter Ausfall in einem Pflichtspiel bei Arsenal seit Januar 2017. Der Mirror nannte Özil deswegen: " Özill" - ill heißt krank. Dabei warten die Gunners darauf, dass ihr bestbezahlter Spieler im Kader endlich sein Leistungslimit ausreizt. Speziell nach der im Winter vollzogenen, teuren Vertragsverlängerung bis Juni 2021 mit einem Wochengehalt von 350 000 Pfund. Von da an hat Özil in der Premier League in lediglich acht Einsätzen zwei Tore vorbereitet, nach dem Halbfinal-Aus in der Europa League meldete er sich für die finalen Spiele in der vergangenen Saison mit einer Rückenblessur ab. In seiner besten Phase für Arsenal gelangen Özil 16 Torvorlagen im ersten Teil der Saison 2015/16, in der darauffolgenden Hinrunde neun Tore und sieben Vorlagen in allen Pflichtspielen. Darunter war sein einmaliges Dribbling im Duell mit Ludogorets Razgrad in der Champions League, als Özil seine Gegenspieler derart vorführte, dass sie am Boden liegend verfolgen mussten, wie der Ball die Torlinie überquerte.

Den durch Özils Fehlen frei gewordenen Platz in der Startelf gegen West Ham nahm Aaron Ramsey ein, der prompt mitverantwortlich war für den Sieg nach dem frühen Gegentor durch Marko Arnautovic. Nach der Begegnung ließ es sich Emery nicht nehmen, Ramsey ausführlich für dessen Einsatz zu loben: "Er hat 90 Minuten gearbeitet. In jedem Moment, wo er spielte, hat das Team ihn gebraucht. Sein Tempo und seine Erfahrung sind sehr wichtig für uns."

Die Kontroverse um Özil, die seinem Ansehen nach dem umstrittenen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Mai zusätzlich schaden dürfte, liefert einen Einblick in die angespannte Befindlichkeit des Klubs. Durch den Weggang Wengers geht bei Arsenal gerade eine Entwicklung vonstatten, in der sich die vormaligen Hierarchien neu bilden, sowohl innerhalb der Mannschaft als auch auf der Führungsebene. Der erste Pflichtspielerfolg unter Emery beruhigt den Verein immerhin, nach zwei Auftaktniederlagen. Ein Eigentor des Abwehrspielers Issa Diop und der Treffer durch Danny Welbeck halfen Arsenal in der Schlussphase aus der Not nach dem Ausgleich durch Nacho Monreal. Emery nahm die drei Punkte scheinbar gleichgültig entgegen, mit beiden Händen in der Hosentasche - vermutlich weil er die Anstrengung ahnt, die es benötigen wird, um den Verein wieder zu einem Meisterschaftskandidaten zu formen. Die Diskussion um die Schwierigkeit, dass das inhomogen zusammengestellte Team eher nicht den Anforderungen des Trainers entsprechen kann, steht Arsenal übrigens noch bevor - sobald die Dissonanz um Özil einmal beendet ist.

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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