Premier League:Eintagsfußballer

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Vorübergehend in der Verantwortung: Leicester-Trainer Michael Appleton. (Foto: Getty Images)

Leicester City kämpft gegen den Abstieg. Nach einem Trainerwechsel überzeugen die Meister-Helden von 2016 ausnahmsweise mal wieder.

Von Sven Haist, London

Mit "Peter's Pizzeria" besitzt Leicester City einen Rückzugsort, der sich in der Vorbereitung auf diese Saison hervorragend für ein Abendessen geeignet hätte, um mit den Spielern die Ambitionen des Klubs zu erörtern. Das italienische Restaurant liegt für jeden zugänglich im Stadtzentrum und gilt gar als Pilgerstätte unter den eigenen Fans. Auf dem Weg zum ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte backten die Spieler dort auf Einladung ihres damaligen Trainers Claudio Ranieri für ein paar Stunden zusammen Pizza.

Allerdings verzichteten die thailändischen Eigentümer im Sommer auf eine solche Gesprächsrunde. Der Verein purzelte fortan in der Tabelle hinunter, bis die Verantwortlichen in der vergangenen Woche den Trainer Craig Shakespeare freistellten. Standesgemäß für seinen Nachnamen hatte sich Shakespeare das Amt in der Rückrunde der vergangenen Saison in einem Drama gesichert, als er hinter dem Rücken seines früheren Chefs Ranieri intrigierte. Und in einem Drama verließ er den Klub jetzt auch wieder.

Die Spieler wollten ihren "Shakey" unbedingt behalten. Shakespeare stellte streng nach Verdienst auf und nahm sich nicht zu wichtig. An Spieltagen stand er im Trainingsanzug und Fußballschuhen an der Seitenlinie. Dadurch war sich das Team weitgehend selbst überlassen, sowohl was das Training als auch die Taktik anbelangt. Ranieri hatte ja zuvor versucht, dem sportlichen Abrutschen nach der Meistersaison mit intensiveren Einheiten und wechselnden Startformation zu begegnen. Bei seinem Debüt, einem Abendspiel gegen den FC Liverpool, gab Shakespeare den Spielern umgehend ihre Freiheit zurück; bis zum Treffpunkt im Stadion stand den Profis der ganze Tag zur freien Verfügung. Solche Maßnahmen kamen an, weil sie den Spielern schmeichelten. Auch auf Intervention der Mannschaft hin entschloss sich der Klub im Sommer, Shakespeare einen Dreijahresvertrag vorzulegen.

Der Clan um Besitzer Srivaddhanaprabha hätte gerne einen renommierten Trainer

Insgeheim hätte der Clan um Vichai Srivaddhanaprabha, der den Klub über sein Duty-Free-Unternehmen vor sieben Jahren gekauft hatte, wohl lieber einen renommierten Trainer präsentiert. Mit einer Entscheidung über die Spieler hinweg wagte sich aber niemand so recht nach vorne. Eine solche Aktion hätte schnell als undankbar ausgelegt werden können. Entsprechend bekam beim 2:1 in Swansea am Samstagnachmittag in Michael Appleton vorübergehend der nächste Assistent die Verantwortung übertragen.

Analog zu Shakespeare ist Leicester City nun für Appleton die Chance, sich in der Premier League zu beweisen. Um ja nicht die eigene Position zu gefährden, bot Appleton alle noch zur Verfügung stehenden Spieler auf, die einst für den Höhenflug des Vereins gesorgt hatten. Lediglich die zentralen Mittelfeldspieler N'Golo Kante und Danny Drinkwater sind inzwischen zu Chelsea gewechselt, in der Abwehr fehlte der deutsche Robert Huth wegen einer Verletzung.

Die Mannschaft honorierte Appletons Herangehensweise und spielte wieder, als wäre sie in einen Zaubertrank gefallen. Die Gegenspieler prallten an Kapitän Wes Morgan ab wie die Römer an Obelix. Weiter vorne schnippelte Marc Albrighton seine gefürchteten Flanken in den Strafraum und der Japaner Shinji Okazaki erinnerte mit seiner Raserei auf dem Platz an ein Autoscooter auf dem Jahrmarkt. Nur agiert das Team auf diese Weise eben scheinbar bloß noch zu ausgewählten Anlässen. Entweder geht es dabei ums eigene Renommee oder eine anstehende Trainerpersonalie.

Schon in der Vorsaison war der Motivationsverlust ersichtlich

Beim Abstiegsduell mit Swansea wussten die Spieler wohl genau um die Wichtigkeit des Spiels für ihre persönliche Zukunft. Es wirkt, als würden sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten verhindern wollen, dass ein neuer Trainer verpflichtet wird, der die Gepflogenheiten im Team infrage stellt. Der jüngste Erfolg sichert daher nicht nur den Sprung ins hintere Tabellen-Mittelfeld, sondern bringt die Vereinsführung bei Shakespeares Nachfolgeregelung in die Bredouille. Die angestrebte externe Lösung ist ja durch den überzeugenden Einstand des Interimstrainers Appleton öffentlich schwerer vermittelbar geworden.

An fehlender Zeit liegt es sicher nicht, dass Leicester City nach dem Ende der Erfolgssause mit dem Meistertitel keine Strategie parat hat. Schon in der Vorsaison war der Energie- und Motivationsverlust ersichtlich, lediglich für die Champions League konnte sich das Team aufrappeln. Aber die mit Fußball wenig bewanderten Investoren vertrauten schlicht darauf, das Schweben auf Wolke Sieben würde einfach weitergehen. Und so müssen die Vereinsverantwortlichen nun während der Saison herausfinden, wohin sie im englischen Fußball mit Leicester City eigentlich möchten und welcher Trainer ein Team anleiten soll, das sich am liebsten selbst anleiten würde.

© SZ vom 22.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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