Phil Taylor im Finale der Darts-WM:"Rob ist wie ich vor 25 Jahren"

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Musste sich er trauen, richtig zu jubeln: Rob Cross, 27, ist neuer Darts-Weltmeister. (Foto: AFP)
  • Der neue Darts-Weltmeister heißt Rob Cross. Der Debütant siegt im Finale mit 7:2 gegen Altmeister Phil Taylor.
  • Der bekräftigt anschließend, dass es Zeit ist, die Sportart jüngeren Athleten zu überlassen.
  • Hier geht es zu einem Rückblick über Phil Taylors Karriere.

Von Sven Haist, London

Bevor Phil Taylor der Bühne des Darts für immer den Rücken kehrte, ging er auf dem Podium ein paar Schritte nach vorne, bis er alleine vor dem Publikum stand. Statt einer Trophäe hielt Taylor ein weißes Papier in der Hand, auf dem in schwarzer Schrift handgeschrieben stand: "Thank you. Thank you. Thank you. Loved it."

Kurz darauf startete auf den überdimensional großen Videoleinwänden ein Film mit Bildern aus seiner Karriere. Der Veranstalter legte dazu den eher trübsinnigen Song "Viva la Vida" der Rockgruppe Coldplay auf - so wie sich das Taylor zum Abschied gewünscht hatte. Der Song, veröffentlicht 2008, handelt von einem gestürzten König, der es gewohnt war, die Welt zu regieren. Auch Taylor war so ein Herrscher, auch wenn er in den vergangenen drei Jahrzehnten über keinem Reich thronte, sondern über einer Sportart: Darts.

Für Cross ist der Erfolg ein "Märchen"

Am Neujahrsabend endete nun seine Regentschaft, die mit dem erstmaligen Gewinn der Weltmeisterschaft am 13. Januar 1990 begonnen hatte. Im einseitigen Finale besiegte Taylor damals den dominierenden Eric Bristow und löste einen Generationswechsel aus. Die beiden hatten sich zuvor in einer Kneipe kennengelernt, in der Bristow das Talent seines jungen Nachfolgers zufällig entdeckte. Mit dessen finanzieller Unterstützung perfektionierte Taylor seine Fähigkeiten bis hin zur zeitweisen Unschlagbarkeit.

Karriere von Phil Taylor
:Pelé mit Bierbauch und Dartpfeil

Phil Taylor ist eine der größten Legenden im Sport. Er gewann 16 WM-Titel im Darts - sein letztes Finale verlor er aber. Rückblick auf eine große Karriere.

Mit 16 Triumphen bei Weltmeisterschaften, davon acht in Serie (1995 bis 2002), hat sich Taylor in die sportliche Geschichtsschreibung geworfen. Sicherlich gibt es mit Michael Phelps im Schwimmen (26 Titel) oder dem Biathleten Ole-Einar Bjørndalen (19) sogar Athleten mit noch mehr Einzelsiegen, aber bezogen auf eine einzige Disziplin kommt an der englischen Sportikone wohl niemand vorbei. An Taylors Hinterlassenschaft ändert die abschließende Niederlage gegen seinen Landsmann Rob Cross nichts. "Für mich war das Erreichen des Finals wie ein Sieg", sagte Taylor: "Ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist, weil ich die Energie nicht mehr habe, um mitzuhalten."

Taylor war trotz seiner 2:7-Niederlage nach Sätzen im Finale gegen den 30 Jahre jüngeren Rob Cross anzumerken, dass er den Hype um seine Person noch ein letztes Mal genoss. Schon den Einlauf zu Lichtblitz und Donnerhall hatte Taylor zelebriert, indem er ihn mit Autogrammen und Fotos für die Fans in die Länge zog. Im zwölften Abschnitt wäre ihm beinahe das Novum gelungen, ein perfektes Spiel bei diesem Turnier abzuliefern. Nach sieben Pfeilen auf das Feld der Triple-20, einem Wurf auf die Triple-19 verfehlte der abschließende Versuch die Doppel-12 nur minimal. Es wäre ein sogenannter Neun-Darter gewesen, bei dem mit nur neun Pfeilen genau 501 Punkte geworfen werden.

Nur mit einem solchen Kunststück hätte Taylor seinen davon eilenden Konkurrenten auf dem Weg zu seinem ersten großen Titel abfangen können. In diesem einseitigen Finale gelang Cross durchschnittlich die Punktzahl 107,67 - ein herausragender Wert. Mit zwei Würfen auf die Triple-18 und einem auf die Doppel-16, dem favorisierten Feld Taylors, sicherte er sich den Sieg. "Der Erfolg wird mein Leben verändern, das ist ein Märchen", sagte Cross hinterher.

Sein Triumph hatte sich direkt zu Beginn des Endspiels angedeutet, als der Newcomer neun der ersten elf Abschnitte für sich gewann. Während des Turniers schaffte es Cross in seiner Debütsaison als Profi als einziger, insgesamt 66 Mal die Höchstpunktzahl 180 zu werfen. Für seinen Coup erhält der Mann aus Hastings an Englands Südostküste eine Siegprämie über mehr als 400 000 Euro. Viel Geld für einen dreifachen Familienvater, der vor einem Jahr sein Geld hauptsächlich als Elektriker verdient hat. "Aber der Abend gehört Phil, er ist phänomenal", sagte Cross: "Mein Traum war es, einmal gegen ihn zu spielen. Es wird keinen Sportler mehr geben wie ihn."

Sogar die Pokalübergabe vor den Augen seines Idols war Cross unangenehm. Mit einer Handbewegung winkte er Taylor herbei, der zunächst allerdings ablehnte, mit ihm gemeinsam die 25 Kilogramm schwere Trophäe in die Luft zu halten. Der Altmeister wusste, dass sich bei der Zeremonie sowieso schon zu viel um ihn drehte. "Rob ist wie ich vor 25 Jahren. Er ist engagiert, unerbittlich und aggressiv. Ich habe gedacht, ich würde mit 0:7 verlieren", sagte Taylor.

"Ich bin am Ende meiner Karriere, er ist am Anfang"

Und fand noch einen treffenderen Vergleich: "Meine Enkelkinder sind gekommen und haben gesehen, wie ihr Großvater den Hintern versohlt bekommen hat. Es war ein ungleiches Duell: Ich bin am Ende meiner Karriere, er ist am Anfang."

Ohne Tränen der Wehmut absolvierte Taylor die abschließende Pressekonferenz. Seiner ausgelassenen Freude war zu entnehmen, welche Belastung er über die vergangenen drei Wochen mit sich herum geschlappt haben muss. Unbedingt wollte der 57 Jahre alte Taylor aus dem grauen Stoke-on-Trent ein frühes Aus vermeiden. Das gelang ihm auch, weil keiner seiner jüngeren Kollegen ihn so richtig in den Ruhestand schicken wollte. In Erinnerung an Taylors Pionierarbeit und seine Lebensleistung gab die Professional Darts Corporation, der größte Verband dieser Sportart, nach dem Finale bekannt, dass ihm zu Ehren sein Lieblingsturnier in Blackpool in The Phil Taylor Trophy umbenannt wird.

In dem Trubel um seinen Rücktritt ging eine banale Szene unter, die jedoch ziemlich treffend beschreibt, warum die Zuschauer ihr Interesse bei der Siegesfeier vorwiegend auf den Verlierer richteten. Als Taylor in seinem Glas zwei Konfettis bemerkte, hätte er das Wasser einfach stehenlassen können oder es wegschütten. Stattdessen fischte Taylor die Papierfetzen mit seinen Händen aus dem Behälter - und trank daraus.

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