Zum Tod von Weltmeister Ottmar Walter:Vorbild für Generationen

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Held der 54er: Ottmar Walter verstarb an diesem Sonntag in Kaiserslautern.  (Foto: dpa)

Er war ein großartiger Fußballer, der im brüderlichen Schatten eines noch großartigeren Fußballers stand: Ottmar Walter gehörte nach dem Krieg zu den besten deutschen Fußballern - bei der WM 1954 erzielte er mehrere wichtige Tore für das DFB-Team.

Es ist der 22. November 1950, als es in Stuttgart zu einem sporthistorischen Moment kommt. Deutschland bestreitet gegen die Schweiz das erste Länderspiel nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch Bundestrainer Sepp Herberger hat ein Problem: Fritz Walter, der Spielmacher des 1. FC Kaiserslautern, fällt verletzt aus. Viele Beobachter fordern deswegen, auch auf Mittelstürmer Ottmar Walter zu verzichten.

Ohne den Bruder sei der "Ottes", wie sie ihn in der Pfalz rufen, nur die Hälfte wert; stattdessen solle der Fürther Horst Schade ran. Doch Herberger denkt anders, und Ottmar Walter dankt es mit einer fulminanten Leistung. Er ist der beste Mann auf dem Platz, und sein Einsatz führt zu dem Handelfmeter, den Herbert Burdenski zum 1:0-Sieg verwandelt.

Noch Jahrzehnte später konnte Ottmar Walter äußerst emotional über diese Partie berichten - nach Aussagen von Begleitern sogar emotionaler als über seinen größten Erfolg, das 3:2 gegen die Ungarn 1954 im Finale von Bern, mit dem Deutschland erstmals Fußball-Weltmeister wurde. Aber das war auch nachvollziehbar, schließlich stand die Partie gegen die Schweiz beispielhaft für das Leben eines großartigen Fußballers, der im brüderlichen Schatten eines noch großartigen Fußballers stand. Beide waren sie sehr sensibel, der Fritz war unbestritten der Chef, aber der antrittsschnelle Ottmar, geboren am 6. März 1924 in Kaiserslautern, ergänzte ihn aufs Beste - vor allem wegen seiner Torgefahr.

Auf eine Quote von mehr als 1,0 Treffern kam er; in der ewigen Torjägerliste des 1. FC Kaiserslautern, für den er bis auf die kriegsbedingten Aufenthalte beim Cuxhavener SV und bei Holstein Kiel 1941 bis 1943 immer spielte, liegt er vor dem Bruder. "Der Fritz brauchte nur zu gucken, wo ich bin. Dann wusste ich auch schon, was er machen wird und bin in die richtige Position gestartet", sagte er einmal in einem Interview.

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So gewannen die Walter-Brüder nach dem Krieg - in dem Ottmar schwer verwundet worden war, weshalb er fortan mit drei Splittern im Knie spielte - mit dem 1. FC Kaiserslautern zwei Mal die deutsche Meisterschaft (1951, 1953) und mit der Nationalelf 1954 den WM-Titel. Auch in jenem Jahr hatte es wieder Diskussionen gegeben, ob der "Sigismund" der richtige Mann auf dem Mittelstürmer-Posten sei - "Sigismund" nannten sie ihn in der Mannschaft, weil er das Stück "Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist" aus dem Singspiel "Im weißen Rößl" so gerne mochte.

In der Tat hatte er sich in den Jahren zwischen dem Spiel gegen die Schweiz und dem Turnier in der Schweiz nie einen richtigen Stammplatz erobern können. Doch wieder setzte Herberger auf ihn, und wieder zahlte es sich aus. Ottmar Walter schoss im Turnier vier Tore, und schmunzelnd erzählte er später, dass es locker ein fünftes hätte sein können - wenn Helmut Rahn nicht so ein eigensinniger Dribbler gewesen wäre. "Ich hab mich kaputt geschrien: 'Boooss!' Er hätte nur abzuspielen brauchen. Ich wäre drei, vier Meter aufs Tor zugerannt und hätte dann abgezogen" - doch der Boss alias Helmut Rahn legte sich den Ball auf den linken Fuß und schoss aus dem Hintergrund zum 3:2 ein.

Bis 1956 spielte Ottmar Walter noch in der Nationalmannschaft, noch drei Jahre länger für den 1. FC Kaiserslautern, ehe er mit 35 seine Karriere beendete. Und auch in der Zeit nach der aktiven Laufbahn zeigten sich Unterschiede zwischen den Brüdern. Fritz wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann, Ottmar hingegen kam wie so viele der WM-Kollegen von 1954 mit dem Leben nicht gleich zurecht. Erst führte er eine Tankstelle (Slogan: "Willst du unserem Ottmar danken / musst du fleißig bei ihm tanken"), später folgten finanzielle Probleme, ein Autounfall und ein Suizidversuch.

Erst als er bei der Stadt Kaiserslautern eine Stelle in der Verwaltung annahm, normalisierte sich sein Leben. Später kämpfte er mit seinem Bruder für Kaiserslautern als Austragungsort der WM 2006, und solange es ging, besuchte er die Heimspiele auf dem Betzenberg, wo der Eingang zur Nordtribüne seit einigen Jahren Ottmar-Walter-Tor heißt. Wegen einer Alzheimer-Erkrankung lebte er zuletzt im Pflegeheim. Ottmar Walter starb am Sonntag im Alter von 89 Jahren. "Er war einer der Spieler, die das Wunder von Bern möglich gemacht haben und damit für Generationen zum Vorbild wurden", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Aus der Startelf von 1954 leben nun nur noch Hans Schäfer und Horst Eckel.

© SZ vom 17.6.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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