Personalkarussell beim Bundesligisten:Schlanker werden mit Jäggi

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In Zeiten der Führungskrise denkt Hannover 96 auch an teure Personallösungen. Als Geschäftsführer ist nun auch der Schweizer René C. Jäggi im Gespräch, der bis Ende Juli noch Vorstandschef beim 1. FC Kaiserslautern ist.

Javier Cáceres und Klaus Ott

Die niedersächsische Prärie ist nicht gerade als ein Ort größerer tektonischer Spannungen bekannt, doch was sich rund um die Vereinszentrale von Hannover 96 abspielt, trägt durchaus die Züge eines Erdbebens.

Wo ist der Notausgang? Per Mertesacker will seinen kriselnden Club Hannover 96 verlassen. (Foto: Foto: ddp)

Am Montagabend ließ sich der Hörgeräteunternehmer Martin Kind elf Monate nach seinem Rücktritt wieder zum Vereinspräsidenten des Fußball-Bundesligisten bestellen, und es spricht einiges dafür, dass dies womöglich der spektakuläre Höhepunkt, nicht aber der Abschluss einer bedeutsamen Wiederbelebung ist.

Und das will etwas heißen: Seit dem 7. Juli haben sich bei Hannover immerhin schon der Vereinsboss - Götz von Fromberg - und der Geschäftsführer - Karlheinz Vehling - die Klinke in die Hand gegeben.

Es war der 7. Juli, als das Personalkarussell in Gang kam. Als Deutschland noch gänzlich dem Klinsi-Rausch der WM erlegen war und den Geschehnissen in der Fußballprovinz keine größere Beachtung geschenkt wurde, gab Hannover 96 bekannt, dass Gert Lehker und Carsten Maschmeyer, der Chef von Hannovers Hauptsponsor AWD, als Gesellschafter der "Sales & Service" ausschieden - der Kerngesellschaft der "Hannover 96 GmbH & Co. KGaA". Den Löwenanteil daran - ein Paket im Wert von fünf Millionen Euro - übernahm Kind.

Es war das ultimative Signal, dass Kind gewillt war, die Zügel bei Hannover 96 wieder an sich zu reißen. Nach seiner Demission im August 2005 hatte er sich komplett aus der Vereinspolitik zurückgezogen; als diese ihm vor allem im Lichte der erbärmlichen Rückrunde 2005/06 suspekt wurde, war in Hannover immer häufiger vom Grollen des Schattenmannes zu hören, der sogar die Erstligazugehörigkeit und damit wohl sein Lebenswerk in Gefahr wähnte. Kind hatte 96 aus der Regionalliga zurück in die Bundesliga geführt.

Wer wird der neue starke Mann?

Unmittelbar nach Kinds Rückkehr als Gesellschafter trat Fromberg die Flucht an: "Erfolg als Präsident von Hannover 96 ist nur möglich, wenn er auch eine breite Unterstützung durch die Gesellschafter der Hannover 96 Sales & Service erfährt." Vergangene Woche soll Kind dann in einem Hintergrundgespräch mit Hannoveraner Medien Vehling derart heftig abgewatscht haben, dass diesem nur der Rückzug als Geschäftsführer blieb. Er wolle der "absehbaren Entwicklung" nicht im Wege stehen, sagte Vehling - er stehe für "arbeitsteilige Prozesse", wenn ein starker Mann gesucht werde, sei es angebracht, "die Bahn schnell frei zu machen", sagte er der Neuen Presse.

Wer der neue starke Mann wird? Kind will nach seiner nicht unumstrittenen Bestellung zum Präsidenten (im fünfköpfigen Aufsichtsrat gab es zwei Gegenstimmen) auch den Aufsichtsratsvorsitz von Harald Wendt übernehmen, und wird so seine Machtposition zementieren. Fürs operative Geschäft soll von einer Findungskommission ein Geschäftsführer bestellt werden. Er soll die zuletzt immer verschachtelteren Strukturen bei Hannover 96 verschlanken.

Insider meinen, das Anforderungsprofil werde am ehesten den Eignungen des Schweizers René C. Jäggi entsprechen, der noch bis Ende Juli Vorstandschef beim 1. FC Kaiserslautern ist. Er habe zwar noch nicht mit Jäggi gesprochen, ein möglicher Kandidat sei er aber allemal, sagte Kind am Dienstag. Jäggi hielt sich bedeckt. Es ehre ihn, als Kandidat genannt zu werden. Er wisse aber nicht, was er nach dem Abschied aus Kaiserslautern machen werde. "Mein Ziel muss nicht sein, sieben Tage pro Woche Vollzeit zu arbeiten", sagte er.

Was wird aus Ilja Kaenzig?

Ein Engagement Jäggis wäre vermutlich nicht billig. Als er vor knapp vier Jahren nach Kaiserslautern geholt wurde, um die vor dem Ruin stehenden Roten Teufel zu sanieren, schickte die GRJ Leisure Development Holding AG aus Basel bemerkenswerte Vertrags-Vorschläge in die Pfalz. Jäggi war bis dahin in Diensten der GRJ gestanden. Vom FCK sollte der Schweizer ein jährliches Grundgehalt von 307 200 Euro erhalten, außerdem Prämien für sportliche und finanzielle Erfolge.

Etwa für das Erreichen des Pokalfinales (was 2003 klappte) oder pro Punkt im UI-Cup, Uefa-Cup und der Champions League. Auch der Sieg in der Champions League sollte geregelt werden. Außerdem verlangte die GRJ eine Gewinnbeteiligung für Jäggi: Fünf Prozent bei einem Jahresüberschuss bis zu einer Million Euro, bei einem höheren Profit sogar zehn Prozent.

Jäggi sei es gewohnt, "erfolgsorientiert zu arbeiten", notierte die GRJ. Jäggi sagt, es gebe für ihn "nichts Schöneres, als für Erfolge Prämien zu zahlen". Im Geschäftsjahr 2004/2005 gab es tatsächlich einen Gewinn von 1,8 Millionen Euro, nachdem Jäggi den 1. FCK saniert und kriminelle Machenschaften früherer Vorstände beendet hatte. Am Ende stand freilich der Abstieg in die Zweite Liga.

Welche Rolle Hannovers aktuellem Manager Ilja Kaenzig zufallen soll, ist unklar. Allgemein war damit gerechnet worden, dass der 33-Jährige ebenfalls das Weite suchen würde. Vor allem in der Abwicklung der Personalie des WM-Fahrers Per Mertesacker waren ihm intern Versäumnisse vorgeworfen worden. Der Verteidiger möchte erklärtermaßen sofort nach Bremen wechseln, ein Ersatz steht nicht parat. Kaenzig, der mit einem Vertrag bis 2008 ausgestattet ist, wurde gestern von Kind bestätigt. Womöglich nur vorerst.

© SZ vom 19.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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