Paris Saint-Germain:Bitte lächeln!

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Da muss der Ball hin: Thomas Tuchel gibt Kylian Mbappé die letzte Anweisungen auf den Weg, scheinbar mit Erfolg. Der französische Angreifer bereitet beide Treffer vor. (Foto: Ozan Kose/AP)

Trainer Thomas Tuchel antwortet seinen Kritikern nach dem 2:0-Sieg in Istanbul - mit einer Schlusspointe.

Massimo Allegri? Thiago Motta? Oder vielleicht doch nächsten Sommer Zinedine Zidane? Es vergeht zurzeit kaum ein Tag, an dem Thomas Tuchel in Pariser Zeitungen nicht lesen könnte, wer ihn demnächst als PSG-Trainer ersetzen soll. Dass er den französischen Meister im August erstmals ins Champions- League-Finale geführt hat, gilt offenbar als verjährt. Auch die Tatsache, dass er trotz eines Riesenbergs an Problemen und einem Fehlstart mit zwei Niederlagen mit dem Team bereits wieder Platz eins der Ligue 1 erobert hat, gilt nicht als mildernder Umstand. Für die vielen kritischen Beobachter von Paris Saint-Germain steht fest: Lange wird Tuchel nicht mehr da sein, auch wegen seiner Differenzen mit Sportdirektor Leonardo. Entweder geht er selbst, spätestens am Saisonende, wenn der Vertrag ausläuft - oder er wird gegangen, falls im grauen Herbst Erfolge ausbleiben.

Auch am Mittwochabend war, wie immer bei PSG, viel Druck auf dem Kessel. Nach dem 1:2 zum Start gegen Manchester United wäre in der Champions-League-Gruppe alles andere als ein Sieg bei Außenseiter Basaksehir in Istanbul ein mittleres Katastrophenszenario gewesen. Es war ein zähes Spiel, bei dem PSG erneut auf viele Verletzte verzichten musste (Icardi, Verratti, Bernat, Draxler etc.), und bereits in der Anfangsphase fasste sich Neymar an den Oberschenkel und brach die Veranstaltung ab. Am Ende gelang PSG ein 2:0-Arbeitssieg, weil einer von Leonardos Last-minute-Transfers, der vom FC Everton geliehene Stürmer Moise Kean, zweimal knipste: erst per Kopf nach einer Ecke (1:0/64.), dann mit einem Aufsetzer nach schöner Drehung (2:0/79). Beide Male kam die feine Vorarbeit von Kylian Mbappé.

Thomas Tuchel? Saß danach in der Pressekonferenz - und holte zu einer kleinen Grundsatzrede aus: "Gut, wir können sagen: Es ist immer meine Verantwortung, kein Problem. Ihr könnt mich kritisieren, ihr könnt so weitermachen", sagte der Trainer in astreinem Französisch zu den Reportern, "aber vielleicht sollten wir realistisch sein. Vielleicht sollten die Leute akzeptieren, dass es nicht einfach ist für uns." Tuchel verwies auf andere Spitzenligen Europas, in denen die körperlich seit Monaten stark belasteten Teilnehmer am Champions-League-Finalturnier auch so ihre Probleme haben: "Ist Juventus Erster? Ist Real oder Barcelona Erster? Ist ManCity Erster? Nein. Sie alle waren mit uns in Portugal. Wir sind Erster", betonte Tuchel - unter eleganter Aussparung der Bundesliga, in der die Lissabon-Teilnehmer RB Leipzig und FC Bayern vorne liegen.

Neymars Verletzung ist nun das nächste Problem für PSG, ob der Brasilianer bis zum wegweisenden Gruppenspiel in Leipzig nächsten Mittwoch fit wird, ist offen. "Es sind die Adduktoren", berichtete Tuchel, "er hatte ein unangenehmes Gefühl. Ich hoffe, dass es nicht schlimm ist".

Halb so wild - das galt zumindest für Tuchels emotionale Ansprache auf dem Podium, die er hinter einer blauen Maske vortrug. "Immer negativ, negativ, negativ - nein, wir können uns nicht immer auf die negativen Kommentare fokussieren, es gibt auch Positives ", sagte er. Dass PSG zurzeit keine De-Luxe-Leistungen abrufe, das sei klar, räumte der Coach ein: "Es ist offensichtlich, dass es in unserem Spiel Dinge gibt, die wir verbessern müssen, und wir werden auch nie aufhören, das zu tun", versicherte er - aber immer, Achtung Pointe, "avec un sourire". Mit einem Lächeln!, sagte Tuchel. Für dieses versöhnliche Schlusswort zog er sogar seine Maske vom Mund und lächelte alle Journalisten an.

© SZ vom 30.10.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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