Olympische Spiele in Peking:"Ein Desaster. Schlecht. Unglaublich."

Ministerpräsident Wladimir Putin ruft täglich mehrfach bei NOK-Chef Leonid Tjagatschow an und verlangt Erklärungen. Am Montag hat Putin in der Kabinettsitzung über die Medaillenflaute gesprochen. Es werden Köpfe rollen. Tjagatschow, ein ehemaliger alpiner Skiläufer, der auch in Österreich beheimatet ist, tröstet sich im Hyatt Regency, wo der NOK-Ausrüster Bosco eine Lounge hat, mit Hochprozentigem.

Noch hat er Putins Gunst. Das kann sich schnell ändern. Putin hat die meisten Präsidentenämter in den olympischen Verbänden neu besetzen lassen. Er mischt auch in Weltverbänden mit: So wurde etwa die Übernahme des Judo-Weltverbandes durch den gebürtigen Rumänen Marius Vizer in Putins Residenz in Sotschi ausgehandelt. Wladimir Putin liebt Judo, er ist Träger des Schwarzen Gürtels.

40.000 Euro pro Monat für einen PR-Mitarbeiter

Gennadi Schwets trinkt keinen Wodka. Seit zehn Jahren nicht. Er muss die Lage anders verarbeiten. Gerade hat er im Olympischen Dorf dem neuen Sportminister Witali Mutko erklärt, dass es so nicht weiter geht. Mutko ist ein wichtiger Mann aus Putins Gefolgschaft. Anfang der neunziger Jahre war Mutko in St. Petersburg neben Putin gleichrangiger Stellvertreter des Bürgermeisters Anatoli Sobtschak.

"Mutko wird sich um den olympischen Sport kümmern", glaubt Schwets, obwohl Mutko als russischer Fußballpräsident ein Mann der Oligarchen und des Profisports ist. Für Wjatscheslaw Fetissow, der bislang im Range eines Sportministers agierte, hat Schwets nur Spott übrig. "Der hat gegen uns gearbeitet." Fetissow habe seine Feindschaft zu Tjagatschow gepflegt, das Duell aber verloren.

Schwets ist 61 Jahre alt. Er war 15 Jahre olympischer Korrespondent der Komsomolskaja Prawda. Als sein Freund Tjagatschow vor sieben Jahren NOK-Präsident wurde, übernahm er den Posten des Pressesprechers. Er hat das nie gelernt. Er hat keinen Stab an seiner Seite. Schwets ist Einzelkämpfer. Im Büro des amerikanischen NOK dagegen, ein Stockwerk tiefer im Hauptpressezentrum, arbeiten allein zwei Dutzend Menschen, die sich mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen. Und als sich Sotschi erfolgreich um die Olympischen Winterspiele2014 bewarb, wurden viele Kräfte der teuersten PR-Agenturen angeheuert. Manch einer kassierte 40.000 Dollar im Monat.

Zu den Versprechen, die Sotschis Bewerber im vergangenen Jahr vor dem IOC abgaben, zählte auch ein ambitioniertes Sportstättenprogramm. Bewerberchef Dmitri Tschernytschenko behauptete, Putin habe vier Milliarden Dollar für den Bau von 4000 ultramodernen Anlagen, darunter 750Schwimmhallen, bereitgestellt. Was ist daraus geworden? Schwets muss lachen: "Was man so verspricht, ich höre das zum ersten Mal." Tatsächlich ist es so: Aus einem Sportfonds, den bisher Präsident Medwedew verwaltet hat, werden jährlich 30 Millionen Dollar an Sportler und Trainer ausgeschüttet. Viel mehr gibt es nicht. "Die Milliarden", sagt Schwets, "könnten wir gut gebrauchen."

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