Olympische Spiele 2014:Die Hypothek Sotschi

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Der Krieg im Kaukasus entlarvt die olympische Sportpolitik: Die Vergabe der Spiele nach Sotschi war ein Fehler. Doch noch hat das IOC Zeit, Putins Projekt zu verhindern.

Thomas Kistner

Das IOC liebt das Spiel mit dem Feuer. Das hat es der Welt im Frühjahr bei seinem Fackellauf gezeigt, der den ganzen Globus befrieden sollte und plötzlich als Lunte Richtung Peking zischte. Die Erkenntnis daraus war, dass der Ringe-Konzern gern mit seinen Symbolen und Weltverbesserungsthesen etwas anrührt, das er im Ernstfall andere auslöffeln lässt. Aus Furcht sich zwischen den politischen Mächten aufzureiben.

Wladimir Putin plant sein Reißbrettprojekt in Sotschi. (Foto: Foto: AP)

Jetzt entlarvt der Krieg im Kaukasus diese olympische Sportpolitik als Methode. Denn das IOC hat ja nicht nur das Problem, dass seine Waffenruhe, ein Kernteil der Charta, offenkundig gezielt ad absurdum geführt worden ist mit dem Ausbruch in Südossetien. Das Komitee hat sich überdies in dieser ständigen Unruheregion selbst eine Hypothek aufgeladen: Sotschi, nahe der Grenze zum aufständischen Abchasien, soll die Winterspiele 2014 austragen. Zur Vorbereitung sind nur fünfeinhalb Jahre Zeit, und die Bauarbeiten schon jetzt so weit zurück, dass es sogar in einer entspannteren Weltengegend knapp werden könnte. Das fordert Probleme und Krisen förmlich heraus, zumal Sotschi nicht irgendein Schwarzmeerort ist, sondern: Putins eigenes Land.

Russlands Patriarch hat hier Grund, Yacht und Datscha. Und er hat diese Spiele dem IOC im Vorjahr mit all den Nettigkeiten abgeknöpft, die bei Städtebewerbungen ja traditionell große Überzeugungskraft auf die Mitglieder ausüben. IOC-Chef Rogge, kein Freund solcher Praktiken, hatte nur einmal wirklich die Bremse ziehen können: Das war, als Putin ihm Gazprom als Topsponsor andiente, mal locker für ein Mehrfaches des üblichen Betrages.

Rogge hat es nicht verhindert

Stimmt, Rogge wollte Sotschi so wenig wie Peking. Doch Peking hat er vom Vorgänger geerbt, Sotschi fällt in seine Ägide. Rogge hat das weitgehend private Reißbrettprojekt des russischen Ministerpräsidenten nicht verhindert, obwohl das IOC genau wusste, dass der Kandidat in einem Erdenwinkel liegt, dessen geopolitische Brisanz viele Regierungsdossiers füllt und dem Ringe-Clan heute keinen Spielraum lässt, sich auf Nichtwissen rauszureden.

Aber noch könnte das IOC handeln. Es könnte in Peking eine Session einberufen und den Spiele-Ort neu bewerten, unter all den dramatisch veränderten Aspekten. Russland würde das aber als Drohung verstehen und dem IOC etwas vorwerfen, was es in diesem Sportgremium vernünftigerweise gar nicht geben dürfte: politische Einmischung. Also wird es - eingeklemmt zwischen der Charta und der eigenen Appeasement-Rhetorik - zuschauen müssen, wie die Politik die olympische Bühne besetzt. Vom Spiele-Gastgeber ist da nicht viel zu erwarten. Peking sieht es sicher nicht ungern, wenn auch mal anderswo auf der Welt abtrünnige Provinzen mit Staatsgewalt beruhigt werden.

© SZ vom 11.08.2008/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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