Olympische Spiele:Das Raumschiff gekapert

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Die chinesischen Organisatoren und das IOC feiern den Sieg der Bilder-Spiele. Doch das Raumschiff Oympia hat einige gefährliche Torpedos an Bord.

Thomas Kistner

Olympia ist wie ein Raumschiff, mit Tausenden Sportlern, Funktionären, Sponsoren, Medienleuten an Bord. Alle paar Jahre landet es in einer Stadt, in Atlanta, Sydney oder Athen, und wenn es weiterfliegt, hinterlässt es bunte Spuren und eine saftige Rechnung. In Peking war es diesmal anders. Das Raumschiff wurde schon bei der Landung von den Gastgebern geentert, die Instrumente wurden neu justiert und die Cockpit-Besatzung tat, als sei ihr das willkommen, später erprobte sie die neuen Techniken selbst. Dass die Türen - anders als üblich, entgegen der Zusagen - verschlossen blieben und die Passagiere fast nichts von dem erspähen konnten, was um das Raumschiff herum geschah, hat im Cockpit niemanden gestört. Sie wollten Ruhe an Bord der Olympia, und zur Stimmungsaufhellung durften die Athleten eine Rekord-Party abziehen, die ihresgleichen sucht.

Kein Zweifel: Schöne Bilder gab es bei den Spielen in Peking viele. (Foto: Foto: Reuters)

Wenn das Raumschiff am Sonntag Peking verlässt und seine Kommandeure den neuen Kurs berechnen, ahnen sie, dass sie ein paar Torpedos an Bord haben. Techniken der Zukunft, die Ladung könnte scharf sein.

Es war ja von Anfang an schwer für das IOC, bei seinen Spielen im Riesenreich eigene Akzente zu setzen. Die Gastgeber organisierten in den Weiten des Landes eine Medaillenflut ihrer Athleten, parallel setzten sie den olympischen Kerngedanken der Universalität außer Kraft, indem sie über ihre Visa-Politik und Ticketverteilung dafür sorgten, dass Stadt und Stadien nahezu frei blieben von Besuchern aus aller Welt. Als IOC und Sponsoren rebellierten, füllte Peking mit der Stadtbevölkerung nach. Mehr als 90 Prozent der Spiele-Besucher waren Chinesen, nach den Events gingen sie still nach Hause, die fremden Gäste zogen sich in Hotels und Sponsorensuiten zurück.

Es wurden also Bilder-Spiele. Schon bei der Eröffnungsfeier waren Trugbilder darunter, weil mit Doubles, Playback und falschen Programmen gearbeitet wurde und Li Ning, der Chef von Chinas größtem Sportartikelkonzern, die Flamme entzündete. Der dreiste Werbe-Coup überrumpelte das IOC ebenso wie seine Topsponsoren, denen es sonst ja wichtig ist, dass selbst auf den Pissoirs der olympischen Einrichtungen die Logos der Keramikhersteller abgeklebt werden.

Die schöne Bilderbotschaft

Wenn aber die anderen Bilder stimmen, die China vermittelte, so tragen sie eine wunderbare Botschaft, die alles andere mühelos überstrahlt. Es wäre die beste überhaupt fürs Publikum und für die Funktionäre, die ja immerzu sagen, Doping sei die größte Bedrohung des Sports. Die schöne Bilderbotschaft aus Peking lautet: Seht her, Athleten, ihr müsst auf all die Substanzen verzichten, die euch bisher zusätzliche Kraft und Luft verschafft haben - nur ohne Doping seid ihr in der Lage, so viele Rekorde zu schaffen: mehr denn je.

Nach den Bildern, die das IOC aussendet, waren nur fünf von zehntausend Athleten gedopt, während all die anderen die größte Rekord-Fiesta der olympischen Geschichte inszenierten. Sauber. Dass Testen bei den Wettkämpfen selbst kaum einen Sinn ergibt, sagt das IOC freilich nicht. Und dass es nicht nach Insulin forscht, zeigt, dass es selbst längst nicht alles getan hat.

Verblüfft uns! - so heißt das Werbemotto der Spiele, ein Film der Olympiasponsoren zeigt berühmte Athleten, wie sie Feuerbälle zerschlagen, Gebirge hinauf hetzen, Abgründe überwinden. Die Verblüffung, die sich die Sponsoren gewünscht haben, ist eingetreten. Deshalb stehen die Peking-Spiele jetzt auf Pfeilern, die wackelig sind. Die Pfeiler heißen Usain Bolt oder Michael Phelps; sie bilden sich aus Fragen wie der, ob es sein kann, dass die drei schnellsten Frauen der Welt alle von einer kleinen Karibikinsel kommen, oder warum es zu Chinas goldenen Turnkindern so viele Startlisten im Internet gibt, die besagen, dass die Kleinen so jung sind, wie sie aussehen, also unter 16. Computer-Hacker befördern ständig mehr gelöschte Listen zutage, sie weisen sogar nach, wie sie bearbeitet wurden.

Im Raumschiff will man gar nicht wissen, was alles im Bauch der Olympia schlummert. Jetzt wird erst mal ein Sieg gefeiert, der Sieg der Bilder.

© SZ vom 23.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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