Olympische Sommerspiele 2021:Herr Kato kontert

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Ein Thema, zwei Meinungen: Kabinettschefsekretär Katsunobu Kato widerspricht dem Verwaltungsreformminister. (Foto: Kyodo News/Imago)

Für Japans Regierung wird es zunehmend schwieriger, den Glauben an die verlegten Spiele in Tokio festzuhalten. Selbst im Kabinett herrscht offenbar keine Einigkeit mehr.

Von Thomas Hahn, Tokio

Katsunobu Kato ist in der japanischen Regierung der Mann für die groben Klarstellungen. Kabinettschefsekretär heißt seine Position. Zu seinen Aufgaben zählt es, die Regierungshaltung vor der Öffentlichkeit zu vertreten, sie gegebenenfalls auch ohne Umschweife zu verteidigen. Am Sonntag musste Kato wieder seines Amtes walten, nachdem in Verwaltungsreform-Minister Taro Kono zum ersten Mal ein Mitglied aus dem eigenen Kabinett Corona-Zweifel an den Olympischen und Paralympischen Spielen diesen Sommer geäußert hatte. Im japanischen Fernsehen erklärte Kato nun, dass Japans Regierung trotz anhaltender Pandemie unverändert dazu stehe, Olympia ab dem 23. Juli und die Paralympics ab dem 24. August abzuhalten: "Wir haben eine Entscheidung über Sportstätten und Zeitplan getroffen, und die einbezogenen Menschen arbeiten an den Vorbereitungen inklusive Infektionskontrolle."

Taro Kono hatte vergangene Woche laut der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, Tokios Olympia-Geschichte könne "in beide Richtungen gehen".

Katsunobu Katos Konter ist mehr als das übliche Abwiegeln. Er zeigt, dass es für Japans Regierung immer schwieriger wird, den Glauben an die verlegten Spiele in Tokio festzuhalten. Dass man sich in Regierungskreisen einig sei über die Aussichten, kann man seit den Aussagen des Ministers Kono jedenfalls nicht mehr sagen.

Premierminister Yoshihide Suga redet bei jeder Gelegenheit davon, dass die Spiele sicher seien. Aber Taro Kono ist ein gewiefter Politik-Stratege mit Ambitionen. Unter Sugas Vorgänger Shinzo Abe hatte er die prestigeträchtigsten Posten im Kabinett inne, er war Außenminister, danach Verteidigungsminister. Schon oft hat Kono gesagt, dass er gerne Premierminister werden würde. Aber als Suga im September ins Amt kam, machte dieser Kono vom Verteidigungs- zum Verwaltungsreform-Minister - es sah wie eine Degradierung aus.

Und nun will Taro Kono Sugas platte Spiele-Perspektive nicht so einfach mittragen. Denn die Tatsachen lassen keinen ungetrübten Optimismus zu: Trotz verzweifelter Gegenmaßnahmen flaut die Pandemie weltweit nicht ab. Es kursiert die Angst vor der neuen, ansteckenderen Coronavirus-Variante. Auch in Japan bleiben die Infektionszahlen relativ hoch, obwohl in elf Präfekturen inklusive Tokio die Notstanderklärung gilt. Die Einreisebeschränkungen wurden verschärft. Die jüngste Umfrage des Senders NHK ergab, dass 77 Prozent der Befragten keine Spiele in diesem Sommer wollen. Viele im Inselstaat befürchten, dass ein Sportfest mit Zehntausenden Sportlern, Zuschauern und Medienschaffenden aus aller Welt zu einer riesigen Coronavirus-Schleuder wird.

Unter solchen Voraussetzungen übernimmt Taro Kono nicht die offizielle Scheuklappen-Rhetorik des Premiers. "Alles ist möglich", sagte Kono laut Reuters, "aber als Gastgeber der Spiele müssen wir tun, was wir können, damit es gute Olympische Spiele werden, wenn es losgehen kann." Spätestens im Herbst sind Wahlen in Japan. Sollte es dann eine Spiele-Absage gegeben haben und für Suga ein Nachfolger gesucht werden, muss Kono sich nicht nachsagen lassen, er habe den Leuten etwas vorgemacht.

Mancher Politiker baut vor: Hoffnung mit einem Hauch von Pessimismus

Hoffnung mit einem Hauch von Pessimismus - das scheint die Haltung zu sein, mit der sich weitsichtige Randfiguren im Machtzirkel gerade identifizieren lassen wollen. Im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) machte es der erfahrene Funktionär Richard Pound zuletzt genauso wie Kono: Er redete nicht so spielegewiss daher wie sein Chef, der IOC-Präsident Thomas Bach. Pound sagte laut Nachrichtenagentur AP: "Ich kann nicht sicher sein. Denn der ständige Elefant im Raum ist die wachsende Verbreitung des Virus."

Wer wiederum im inneren Machtzirkel sitzt, schiebt weiterhin alle Zweifel weg. Yoshiro Mori, 83, einst japanischer Premierminister, heute Präsident des Organisationskomitees (Tocog), erklärte kürzlich, es sei "absolut unmöglich", die Spiele noch einmal zu verlegen. Zur Frage, ob Zuschauer aus dem Ausland anreisen könnten, sagte er: "Ich glaube, wir werden zwischen Februar und März eine sehr schwierige Entscheidung treffen müssen."

Und auf dieser Arbeitsebene sind die Vorbereitungen tatsächlich im Fluss. Am Donnerstag meldeten die Organisatoren Veränderungen an der Triathlon-Strecke im Odaiba Marine Park. Unter anderem werde nun statt über zwei Runden von 1000 und 500 Meter über zwei Runden von 950 und 500 Meter geschwommen. Mit Corona-Vorbeugung habe das nichts zu tun, erklärte das Tokyo-2020-Büro auf Anfrage: "Wir haben die Schwimm-Strecke verändert, um sie einfacher zu machen." In diesen komplizierten, unsicheren Zeiten war das irgendwie eine tröstliche Auskunft.

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