Olympia:Viele Sportler fühlen sich wie unterbezahlte Clowns

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Für den DOSB "absolut besorgniserregend", was die deutschen Schwimmer leisten. (Foto: dpa)

Die Stimmung in der deutschen Olympia-Mannschaft ist gärig. Das Geld fehlt, doch alle fordern Medaillen. Das kann so nicht weitergehen.

Kommentar von René Hofmann, Rio de Janeiro

Schon bevor diese Spiele auf die Zielgerade biegen, hat der höchste Funktionär des deutschen Sports eine ernüchternde Bilanz gezogen. "Leider müssen wir feststellen, dass einige Verbände die Ziele schlichtweg nicht ansatzweise erreicht haben", sagt Alfons Hörmann. "Absolut besorgniserregend" ist für den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) das Resultat der Schwimmer, die wie vier Jahre zuvor keine Medaille gewannen und sich sogar schwertaten, eine ähnliche Zahl an Finalteilnahmen zustande zu bringen wie in London.

Deutschland wird abgehängt: Das Bild, das die Schwimmer boten, dient als symbolträchtiges für ein düsteres Zukunftsszenario. Bei den Fechtern - einer anderen Traditionssportart - sah es schließlich ähnlich aus. Die Erfolge der Schützen und der Reiter vermochten die dunklen Flecken der deutschen Halbzeitbilanz nicht zu überstrahlen: Das selbstgesteckte Ziel, mindestens so gut abzuschneiden wie vor vier Jahren und 44 Medaillen zu erringen, wird der DOSB höchstwahrscheinlich verfehlen.

Um sie zu durchdringen, ist es wichtig, die Bilanz aufzugliedern, sie in dünne Scheibchen zu schneiden. In den Ausschnitten lässt sich dann wie durch ein Mikroskop erkennen, woran es vermutlich lag. Die Schützen haben nach der Enttäuschung in London vieles verändert. Bei ihnen hat sich offenbar eine Gruppe gefunden, die harmoniert und sich trotzdem gegenseitig antreibt.

Das Gedränge vor dem Siegertreppchen wird größer

Bei den Schwimmern ist es offensichtlich anders. Dort geht das Kompetenz-Gerangel munter weiter. Ausgang ungewiss. Bei den Fechtern fehlt gerade wohl schlicht eine Generation überragender Talente. Hinzukommt, dass weltweit immer mehr Nationen zumindest Teile des olympischen Sports ernst nehmen. Das Gedränge vor dem Siegertreppchen wird größer. In London durften sich an den ersten acht Wettkampftagen 33 Länder mindestens einmal als Sieger fühlen. In Rio waren es 43.

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Aus all dem lassen sich Erkenntnisse ziehen. Dass dies geschieht, ist richtig und wichtig. Ergiebiger als das Analysieren auf der rationalen Ebene aber ist es, die Gefühle der Protagonisten zu ergründen, die Stimmung in der Mannschaft auszuloten. Diese Stimmung ist gärig.

Viele fühlen sich verunsichert. Im Herbst will der DOSB eine Leistungssport-Reform präsentieren. Welche Stützpunkte es danach noch geben soll, welche Trainer bleiben dürfen - all das ist ungewiss, und all das drückt aufs Gemüt. Selbst erfolgreiche Verbände wie die Schützen sagen: Wenn wir erfolgreich bleiben sollen, dann brauchen wir mehr Geld. Das aber schließt die Politik kategorisch aus.

Viele finden das inkonsequent: Immer mehr fordern, ohne mehr geben zu wollen, um sich dann, wenn es darauf ankommt, noch nicht einmal sehen zu lassen. Es gibt nicht wenige, denen das stinkt, die die Abwesenheit hochrangiger politischer Repräsentanten in Rio als Zeichen werten. Die sich als unterbezahlte Clowns fühlen, die alle vier Jahre einmal in eine Manege dürfen, in der sie dann auch noch gnadenlos ausgepfiffen werden, wenn etwas schiefgeht.

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Von Volker Kreisl

Vielen Olympia-Startern stinkt, dass Fußballer so viel verdienen und sie so wenig. Und sie fürchten, dass die Schere noch weiter auseinanderklafft, wenn Olympia womöglich nicht mehr von den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen wird. Sie finden, dieses "Sportdeutschland", das DOSB-Chef Alfons Hörmann erfunden hat, muss sich langsam wirklich mal entscheiden: Will es künftig einfach nur mitspielen? Oder will es bei Olympia weiter etwas reißen?

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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