Olympia-Turnerin:Simone Biles dominiert mit Diven-Bonus

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Simone Biles aus dem Houstoner Vorort Spring in Texas ist auf dem Weg, die erfolgreichste Athletin von Rio zu werden. (Foto: Getty Images)

Die US-Turnerin ist auf dem Weg, zur erfolgreichsten Athletin dieser Spiele zu werden. Offenbar genießt sie bei den Punktrichtern inzwischen einen kleinen Vorteil.

Von Volker Kreisl, Rio de Janeiro

Am Ende hörte sie doch auf zu lächeln und ließ ihren Tränen freien Lauf. Simone Biles sank in die Arme ihrer Trainerin Aimee Boorman, umarmte ihre zweitplatzierte Teamkollegin Alexandra Raisman und sprang schließlich spontan auf das große leere Podium, auf dem sonst der Barren der Männer steht. Biles, 1,45 Meter groß, hatte es einfach erobert, als passende Bühne für sich zweckentfremdet, sie grüßte und winkte, hier war sie besser zu sehen.

Simone Biles aus dem Houstoner Vorort Spring in Texas ist auf dem Weg, die erfolgreichste Athletin von Rio zu werden. "Ich bin sehr stolz", sagte sie, "ich habe meine Aufgabe geschafft." Sie war zuvor bereits die erfolgreichste Turnerin in der Geschichte der Weltmeisterschaften, und nun hat sie das umgesetzt, was alle von ihr erwartet haben.

Vom technischen Können her ist sie unerreichbar

Es ist gerade Halbzeit bei den Wettbewerben, und Biles hat bereits zwei Goldmedaillen, drei dürften in den Gerätefinals noch dazukommen. In der Tasche hat sie Teamgold, am Donnerstag ließ sie im Mehrkampf mit lächelnder Leichtigkeit die Konkurrenz um zwei Punkte hinter sich. Vom technischen Können her ist sie im Schwebebalken-, Sprung- und Bodenfinale unerreichbar.

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In Zeiten wie diesen muss man auch im Turnen vorsichtig sein mit der Überhöhung von Rekordleistungen, die in unkritischen Milieus gedeihen. Das amerikanische Publikum und seine Medien sind dem Turnen ziemlich verfallen, die 19 Jahre alte Biles und ihr Umfeld gelten in Sachen Doping dennoch als unverdächtig.

Ihre überragenden Fähigkeiten werden mit einem speziellen Bewegungstalent erklärt, das sie schon als Kind zeigte; sie trainiert effektiv und hat fürs Turnen vielleicht nicht die Eleganz der russischen Olympiasiegerin Swetlana Chorkina, dafür in jeder Hinsicht den Idealkörper: Sie ist klein, ihre Arme und Beine sind muskulös. Und Biles hatte eine harte frühe Kindheit, die sich zum Guten wendete, woraus große Motivation entstehen kann.

Simone Biles und ihre drei Geschwister kennen ihren Vater nicht, die Mutter war drogenabhängig, weshalb die Kinder vier Jahre lang zwischen Pflegeheim und Elternhaus hin und her wechselten. Ein echtes Zuhause hatte Biles erst bekommen, als ihre Großeltern sie und eine Schwester adoptierten, die anderen beiden nahm eine Großtante auf. Biles erzählte dem Magazin Texas Monthly, dass im Pflegeheim immer ein großes Trampolin stand, "aber ich durfte niemals drauf".

Als sie mit sechs Jahren in Spring erstmals ein Turntraining besuchte, habe sie die Übungen der Großen für sich nachgemacht. Nachdem die Trainer das beobachtet hatten, schrieben sie den Großeltern einen Brief mit der Bitte, das Kind anzumelden. Die Großmutter wusste, "dass Simone ohnehin das durchzieht, was sie sich in den Kopf gesetzt hat", so kam Biles zu Aimee Boorman. Und nun steht sie in Rio und erobert die olympischen Podien.

Am meisten profitiert sie von ihrer Sprungkraft. Zusammen mit der geringen Körpergröße gibt diese Zeit und Raum für die Rotationen und Drehungen in der Luft - und eine saubere Landung danach. Biles vollführt mühelos am Schwebebalken und am Boden schwerste Elemente. Den Amanar, eine Radwende mit gestrecktem Doppelsalto und zweieinhalbfacher Drehung am Sprung, steht sie, wie es gewünscht ist, von weit oben kommend.

Nicht zu vernachlässigen unter ihren Vorteilen ist allerdings der Prominenten- und mittlerweile auch Diven-Bonus, den die Biles offenbar bei den Punktrichtern hat. Am Sprung machte sie diesmal einen ordentlichen Korrekturschritt, erhielt aber drei Zehntel mehr als die Brasilianerin Rebeca Andrade, die auch den Amanar turnte, aber ohne Schritt.

Simone Biles hat nun alles erreicht, sie wurde in drei Jahren dreimal Mehrkampfweltmeisterin und hat acht weitere WM- Titel. Und nach diesen Spielen wird sie wahrscheinlich auch Rekord-Olympiasiegerin in ihrem Sport sein. Den Sitten des amerikanischen Turnens gemäß müsste sie danach aufhören und in die Vermarktungsphase als Showturnerin und Talkshow-Gast eintreten. Aber sie hat ja ihren eigenen Kopf.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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