Olympia süß-sauer (11):Der fliegende Kerner

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Gestern Peking, heute Nürnberg: Johannes B. Kerner jettet um die Welt, um für das ZDF dauerzumoderieren. Es gibt ja sonst niemanden.

Jürgen Schmieder

Die Spezies des Sportreporters kommt in der freien Natur nicht mehr oft vor. Sie ist seltener als die des deutschen Olympiasiegers und beinahe so selten wie ein ungedopter Radfahrer. Wenn man also so einen seltenen Sportreporter findet, dann muss man ihn einfangen und moderieren lassen, bis die Stimmbänder gezerrt sind. Man muss ihn um die halbe Welt schicken, damit er auch ja keine Moderation verpasst.

Fassen für das ZDF den Olympia-Tag zusammen: Johannes B. Kerner und Katrin Müller-Hohenstein. (Foto: Foto: dpa)

Das ZDF hat sich die Dienste einiger Sportreporter gesichert, aber weil sie eben so selten sind, wurden sie allesamt nach Peking geflogen. "Die sind alle bei den Olympischen Spielen. Wir haben eben keinen unendlichen Fundus an Sportreportern", sagt ZDF-Sprecher Thomas Stange.

Johannes B. Kerner ist ein Sportreporter, er hat kürzlich beim Gespräch mit dem ehemaligen Sprinter Michael Johnson gar bewiesen, dass er sogar ein guter Sportreporter sein kann - was ihn seitdem noch viel seltener macht. Also hat das ZDF beschlossen, ihn nicht nur zum kompetenten Gegenpart zur beminirockten Beisitzerin Katrin Müller-Hohenstein zu machen, sondern auch das Länderspiel der Nationalelf in Nürnberg moderieren zu lassen. Er muss nur irgendwie dorthin kommen.

Kerner wird keine Probleme gehabt haben, einen Flug zu finden, als freier Mitarbeiter des ZDF wird er natürlich nicht auf Kosten des Senders fliegen, sondern sich selbst darum kümmern. Er hat seit 2006 gute Kontakte zur Fluglinie Air Berlin - die allerdings bietet keine Direktflüge nach München oder Nürnberg an, so dass ein Zwischenstopp in Düsseldorf nötig war.

Dass Kerner große Strecken zurücklegen kann, hat er bereits bewiesen. Der Moderator ist den Hamburg-Marathon gelaufen und auch die 42,195 Kilometer von Berlin hat er geschafft. Nun aber steht er vor einer wahren Herausforderung. 7751 Kilometer musste er am Dienstag von Peking nach München fliegen, dann noch 154,16 Kilometer mit dem Auto zum Frankenstadion in Nürnberg fahren.

Am Donnerstag zurück nach Peking, schließlich muss Kerner am Freitag wieder ran. Das sind wieder 7906,16 Kilometer. Nimmt man die Strecke vom Beijing Shoudu Guoji Jichang - dem "Pekinger Hauptstadt-Internationalflughafen" - zum Deutschen Haus und den Fußmarsch am Düsseldorfer Flughafen, dann schafft Kerner 16.000 Kilometer innerhalb von 60 Stunden - eine Strecke in Klinsmannschen Dimensionen. In Nürnberg wird Kerner keine Unterstützung bekommen. "Er ist als Einzelkämpfer unterwegs, Oliver Kahn steigt als Experte erst am 10. September ein", sagt Stange.

Man sollte Kerner nun nicht kritisieren. Er hat sich nicht um die Aufgabe in Nürnberg gerissen, er findet die Reise anstrengend und ahnt bereits, dass man ihn als "Überall-Kerner" beschimpfen werde. Nein, das sollte man nicht tun. Man sollte lieber seinen Einsatz würdigen und ihn dafür loben, dass er schnell nach Peking zurückkehrt. Er muss Müller-Hohenstein unterstützen - gute Sportreporter sind schließlich selten.

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