Olympia:Nichts sehen, nichts hören

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Auch wenn die Zweifel wachsen: Mit der Zuverlässigkeit einer Tauberbischofsheimer Kuckucksuhr wiederholt IOC-Präsident Thomas Bach sein Bekenntnis zu den Spielen in Tokio.

Von Thomas Hahn

Thomas Bach ist in ausgezeichneter Form in diesen Tagen. Er wankt nicht. Er zweifelt nicht. Er fällt nicht aus seiner Rolle als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der in Zeiten der Coronavirus-Pandemie nur eine Sorge kennt: die um die nächsten Olympischen Spiele. Bach war schon immer ein Meister des Nichtssagens und Nichtshörens. Aber jetzt, da die Angst vor Covid-19 in Europa angekommen ist, manche Länder Ausgangssperren verhängen, Grenzen schließen und enorme Infektionszahlen melden, bringt er seine Kunst zur Vollendung.

Mit der Zuverlässigkeit einer Tauberbischofsheimer Kuckucksuhr wiederholt er sein Bekenntnis zum Erfolg der Spiele in Tokio vom 24. Juli, als wäre nichts. Als er neulich in den "Tagesthemen" darauf angesprochen wurde, dass Experten den Höhepunkt der Pandemie noch gar nicht erreicht sehen, antwortete Bach prompt: "Wir haben ernsthafte Probleme mit den Qualifikationswettbewerben. Die Qualifikationssysteme sind gefährdet."

So ist das manchmal in der Welt der unterschiedlichen Interessen. Die einen sehen ihr Leben gefährdet, die anderen ihre Qualifikationssysteme. Irgendwie hat es auch etwas Beruhigendes, dass der IOC-Präsident Bach seinen Sportfunktionärsmodus nicht plötzlich mit irgendwelchen sinnvollen Gedanken stört. Auf der anderen Seite ist die Lage auf dem Erdball gerade tatsächlich ernst. Und weil Olympia vorerst noch nicht auf einem anderen Planeten stattfindet, stellen sich ernsthafte Fragen. Kann Olympia stattfinden wie geplant? Braucht es einen Plan B? C? D? Bach will davon offensichtlich nichts wissen.

Ein Lichtlein brennt (I): Zwei Japanerinnen machen ein Selfie vor den erleuchteten olympischen Ringen in Tokio. (Foto: Jae C. Hong/AP)

Aber es wird Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. An diesem Dienstag will Bach von Lausanne aus eine Notfall-Telekonferenz abhalten mit den Präsidenten der internationalen Fachverbände. Sie sollen erfahren, wie die Spiele nach den vielen Absagen von Qualifikationswettkämpfen funktionieren sollen. Wenn Bach klug ist, wird er dabei auch besprechen, was passiert, wenn die Spiele nicht stattfinden oder verlegt werden müssen. Denn dass Olympia über jeden Zweifel erhaben sei, ist allenfalls eine Wunschvorstellung, die Bach sich nicht durch sogenannte Spekulationen kaputt machen lassen will.

In Tokio weiß man das längst. Der japanische Premierminister Shinzo Abe trägt seinen festen Glauben an reibungslose Olympische und Paralympische Spiele zwar ebenfalls wie ein Mantra vor sich her. Angeblich hat er zuletzt sogar den US-Präsidenten Donald Trump von seinem Optimismus überzeugt. Aber die Bürger zweifeln, das zeigt zumindest eine Umfrage der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo: 69,9 Prozent der Befragten glauben demnach nicht, dass die Spiele wie geplant stattfinden. Auch auf Regierungsebene und bei der japanischen Nationalbank wägt man die Risiken eines Olympia-Ausfalls ab. Die Unternehmen der Nation brauchen Hilfe in der Coronavirus-Krise. Wie üppig die ausfällt, hängt auch davon ab, ob die Spiele den erhofften Konsumaufschwung bringen. "Man muss vorbereitet sein auf die Möglichkeit der Absage und den Verlust, der daraus resultieren könnte", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen informierten Beamten.

Ein Lichtlein brennt (II): Das olympische Feuer flackert im alten Panathinaiko-Stadion von Athen, es harrt dem Weitertransport nach Japan. (Foto: dpa)

Im Grunde kann man sich gar nicht vorstellen, dass Thomas Bach das nicht genauso sieht. Denn ein Ausfall ist nicht nur die Fantasie missgünstiger Olympia-Muffel. Japan steht zwar offiziell besser da als andere Länder mit 827 bestätigten Infektionen und 27 Todesfällen (bei allerdings nur 13 059 Tests). Es kann schon sein, dass der Inselstaat in den nächsten Wochen zum unbedenklichen Gebiet erklärt wird und dann auch wieder Großveranstaltungen mit Zuschauern möglich sind. Aber für Olympische Spiele braucht man ja auch noch andere Nationen.

Experten prophezeien, dass die Pandemie sich in den nächsten Monaten in Ländern ausbreitet, die über schlechte Gesundheitssysteme verfügen. Dann könnten die Opferzahlen stärker denn je steigen, neue Reisebeschränkungen kommen, ganze Olympiateams ausfallen. Der Druck auf das IOC würde zu groß. Dass die Spiele ganz unbelastet sein werden von der Pandemie, ist eine Hoffnung, die sicher nicht nur Sportfreunde hegen. Aber es ist nach Stand der Dinge eben nur eine Hoffnung.

© SZ vom 17.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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