Österreichs Lukas Hinterseer:Hackentrick statt Hahnenkamm

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Lukas Hinterseer (li.): Für Ingolstadt ein Toptransfer (Foto: dpa)

Lukas Hinterseer hätte Skifahrer wie sein Vater oder Sänger wie sein Onkel werden können. Doch er stürmt lieber für Österreich. Der Weg zu einer eigenständigen Persönlichkeit war lang. Sein Problem: zu wenig Egoismus.

Von Kathrin Steinbichler

Gute 200 Meter oberhalb der Talstation am Hahnenkamm, Österreichs berühmtester Skipiste in Kitzbühel, liegt die Pension Hinterseer. Hier steigen Menschen ab, die die Kitzbüheler Bergwelt lieben oder darauf hoffen, berühmte Skifahrer zu treffen. Manchmal kommen auch Leute, die einen Blick auf Hansi Hinterseer erhaschen wollen, doch der Schlagersänger ist nie in der Pension, die von seinem Vater, dem Slalom-Olympiasieger Ernst Hinterseer, gebaut wurde und heute von seinem Bruder Guido, einem früheren Weltcup-Skifahrer, geführt wird.

Lukas Hinterseer dagegen ist immer wieder einmal in der Pension seines Vaters Guido, doch nach ihm wird noch nicht oft gefragt. Ralph Hasenhüttl bedauert das. "Ich würde dem Lukas wünschen, dass er nicht immer nach seinem Onkel und seiner Familie gefragt wird", sagt Hasenhüttl, "sondern dass er sich irgendwann selbst einen großen Namen gemacht haben wird."

Ganz nüchtern betrachtet ist Lukas Hinterseer dabei auf einem guten Weg. Gerade erst hat der 23-jährige Angreifer den Fußball-Zweitligisten FC Ingolstadt beim 1:0 gegen Braunschweig zurück an die Tabellenspitze geschossen. Diesen Donnerstag (20.45 Uhr) hat er die Chance, beim EM-Qualifikationsspiel in Chisinau/Moldawien zu seinem vierten Einsatz im österreichischen Nationaltrikot zu kommen. Dass Hinterseer das Zeug dazu hat, steht für Ralph Hasenhüttl schon jetzt fest: "Lukas ist unglaublich lernwillig und hat viel Potenzial, er hat bei uns bereits einen großen Sprung gemacht und ist noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung. Wenn er weiter hart an sich arbeitet, hat er noch viel vor sich."

Vergangenen Sommer noch stürmte Hinterseer für Wacker Innsbruck, den Tiroler Traditionsverein, der ihn als 17-Jährigen vom FC Kitzbühel geholt hatte. Lange hatte Hinterseer in Österreich den Status vom ewigen Talent, das sich nicht durchzusetzen weiß. Dabei fehlte dem Tiroler vielleicht nur jemand, der ihm zutraut, als eigenständige Persönlichkeit seinen Weg zu gehen. Einen Weg als Fußballprofi, nicht als Skifahrer oder Sänger.

2012 wurde Hinterseer von Innsbruck erst an den FC Lustenau und dann zum First Vienna FC in die zweite österreichische Liga verliehen. Als dann Innsbruck den Trainer wechselte, bekam der 1,93 Meter große, 84 Kilogramm schwere Stürmer in der vergangenen Saison endlich die Chance auf Wackers Stammelf - und nutzte sie. In 34 Erstligaspielen traf Hinterseer 13 Mal, plötzlich zog er die Aufmerksamkeit der Branche und auch des Nationaltrainers auf sich.

Am 19. November vergangenen Jahres debütierte Hinterseer für Österreichs A-Elf. Innerhalb eines Jahres hatte er seinen Marktwert auf rund 800 000 Euro verfünffacht, Innsbruck wollte plötzlich mit ihm verlängern - doch Hinterseer entschied sich zum Ende der Saison für den Wechsel nach Deutschland.

"Ich will mich entwickeln und lernen, deshalb ist es ganz gut, mich einer neuen Herausforderung zu stellen", sagt Lukas Hinterseer zu dem Schritt ins Nachbarland. Dass er beim FC Ingolstadt in Ralph Hasenhüttl jetzt einen Chef hat, der nicht nur ein Landsmann, sondern auch ehemaliger Nationalstürmer ist, erleichtert die Sache sicher etwas.

Hasenhüttl spricht viel mit seinen Spielern, er gibt ihnen klare Anweisungen und bestärkt sie in ihren Aufgaben. Und er erlaubt seiner Mannschaft ausdrücklich Fehler, wenn sie es nur oft genug probieren. "Wir spielen einen temporeichen Fußball, der viel Laufbereitschaft erfordert und den Gegner unter Druck setzen soll. Wenn die Spieler sich da nichts zutrauen, haben wir ein Problem."

Also traut Lukas Hinterseer sich jetzt etwas zu, in bislang neun Spielen für Ingolstadt sind ihm bereits drei Treffer gelungen. "Als wir ihn geholt haben, war er noch gar nicht als 1A-Stürmer gedacht", erzählt Hasenhüttl, "er sollte sich erst einmal durchsetzen. Aber jetzt weiß ich: Er ist ein absoluter Toptransfer." Unglaublich fleißig, sprintstark sowie für seine Größe sehr flexibel und beweglich sei er, "die Kombi ist nicht selbstverständlich". Daneben habe er immer ein Auge für seine Mitspieler. "Er hat viele hervorragende technische Anlagen", ergänzt Hasenhüttl, "nur: Er ist manchmal zu wenig egoistisch, aber das lernt er noch."

Lukas Hinterseer hofft jetzt, dass er das gegen Moldawien oder am Sonntag in Wien beim Qualifikationsspiel gegen Montenegro unter Beweis stellen darf. Aber er gibt sich bescheiden: "Ich freu' mich, dass ich dabei sein darf. Ich werd' versuchen, mich zu empfehlen, alles andere liegt beim Trainer." Lukas Hinterseer weiß, dass er die Chance hat, sich einen eigenen Namen zu machen.

"Ich möchte keine kleine Sternschnuppe sein, sondern will längerfristig schauen, dass ich mich durchsetze", meinte er nach seinem Länderspieldebüt zum Internetportal sport1 0.at. Ralph Hasenhüttl sagt: "Irgendwann muss es einfach so sein, dass die Leute zu Hansi Hinterseer sagen: Du bist doch der Onkel von dem tollen Fußballer. Das würd' ich ihm wünschen."

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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