Österreichischer Ski-Verband:Neuer Zirkusdirektor

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Peter Schröcksnadel (rechts) leitete den Österreichischen Skiverband (ÖSV) 31 Jahre lang - und war alles andere als unumstritten. Nun sagt er über Johan Eliasch: "Er will die Leute erschrecken, er will sie unter Druck setzen und schauen, wie weit er damit kommt. Das ist meiner Meinung nach ausgesprochen unredlich." (Foto: Spieß/Eibner /Imago)

Schmidhofer statt Walchhofer oder Götschl: Die Diskussionen über die Nachfolge des österreichischen Ski-Patriarchen Peter Schröcksnadel zeigen vor allem, wie stark Wirtschaft, Sport und Politik dort vernetzt sind.

Von Dominik Prantl, München

Die vorerst letzte Pointe dieser Seifenoper wurde dann in der Nacht auf Mittwoch geliefert: Stundenlang hatte der Wahlausschuss des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) in der Gemeinde Anif bei Salzburg getagt - um schließlich keinen der beiden potentiellen Kandidaten zum designierten ÖSV-Präsidenten zu bestimmen. Stattdessen einigte man sich kurz nach halb zwei Uhr völlig überraschend auf den bisherigen Chef des steirischen Skiverbandes, Karl Schmidhofer. Er soll im Juni auf Langzeitpräsident Peter Schröcksnadel folgen.

In jeder anderen Nation und erst recht darüber hinaus würde diese Personalie wohl kaum mehr Interesse wecken als die Frage nach dem obersten Funktionär des Zentralverbands der Rasse-Kaninchenzüchter. Nur: Das ist Österreich!

Hier dient der Skisport als Nationalheiligtum und Seelenbalsam gleichermaßen. Schröcksnadel hatte nach 31 Jahren im Amt eine Verweildauer inklusive Kultstatus erreicht, wie sie selbst im von Patriarchen wie Ecclestone, Blatter oder Samaranch geprägten Sport Seltenheitswert besitzt und für Staatsoberhäupter wohl nur in Monarchien und autoritären Regimen möglich ist. Von entsprechend satirisch-tragischer Qualität war die possenhafte Diskussion um die Thronfolge des 79-jährigen Dauerregenten. Dass der Boulevard keinen Web-Liveticker einrichtete, um den "Knalleffekt im ÖSV" (diverse österreichische Medien) zu Beginn der Woche zu dokumentieren, ist wohl nur der nächtlichen Stunde geschuldet.

Die falsche Partei? Das falsche Geschlecht? Walchhofer und Götschl wurden verhindert

Es ging - wie so oft - um Macht und Medien und Politik und Geld. Eigentlich hatten ja ganz andere Namen zur Wahl gestanden. Zum einen und in erster Linie Michael Walchhofer, ehemaliger Weltmeister in der Abfahrt, Hotelier und als ÖSV-Vizepräsident der eigentliche Kronprinz, den Schröcksnadel laut Medienberichten aus nicht näher erforschten Gründen jedoch als nächsten Oberdompteur des österreichischen Skizirkus zwingend verhindern wollte. Angeblich soll Walchhofers Nähe zur Österreichischen Volkspartei (ÖVP) eine Rolle gespielt haben, was verwundert, weil der ÖSV mit der Regierungspartei nicht nur bei den Akronymen seit jeher deutliche Schnittmengen besitzt.

Die zweite Kandidatin war Renate Götschl, ebenfalls eine ehemalige Abfahrts-Weltmeisterin, wie Walchhofer 75er-Jahrgang und außerdem dessen einstige Team- und Schulkollegin. Dass sie von Schröcksnadel persönlich ins Gespräch gebracht worden war, überraschte schon deshalb, weil Frauen beim männerdominierten ÖSV bislang eher die Aufgabe hatten, erfolgreich Ski zu fahren und im besten Falle dabei noch gut auszusehen - Schröcksnadel selbst empfahl den heimischen Skiläuferinnen einst ein Schmink-Seminar -, die aber sonst doch bitte die Klappe halten sollten. Götschl selbst machte zuletzt wiederum vor allem deshalb auf sich aufmerksam, weil sie in der ORF-Sendung "Sport am Sonntag" von Hannes Kargl interviewt wurde. Kargl ist Götschls Ehemann, was zwar offenbar keinem bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkmachern des ORF auffallen wollte, was aber die stets aufmerksame Wochenzeitung Falter später thematisierte.

Sieger und Abgehängte: Karl Schmidhofer soll die Schröcksnadel-Nachfolge antreten; die ehemalige Abfahrts-Weltmeisterin Renate Götschl ist aus dem Rennen. (Foto: Christian Walgram/GEPA/Imago)

Die Namen Götschl und Walchhofer machten und machen für viele dabei nur jenen Graben deutlich, den die Nachfolgediskussion in den mehr als 140 000 Mitglieder starken Verband gerissen hat. Auf Götschls Seite stand die eher Schröcksnadel getreue Westachse, bestehend aus den Bundesländern Tirol und Vorarlberg, sowie Wien und wohl auch Götschls Heimat, die Steiermark; auf der anderen Seite der Rest des Landes, der wegen Tirols Stimmkraft den Kürzeren gezogen hätte. Dem Standard zufolge hätte die Westachse Walchhofer nur dann akzeptiert, wenn gewisse lukrative Geschäftsbereiche der ÖSV-Tochtergesellschaften in Schröcksnadels Familienunternehmen verblieben wären, was Schröcksnadels Sohn Markus wiederum dementierte.

Am Ende vermied man doch noch eine Kampfabstimmung

Einen Tag vor dem Treffen am Dienstag trat dann auch noch Friedrich Niederndorfer, Präsident des oberösterreichischen Ski-Landesverbands zurück, keineswegs wegen der Schröcksnadel-Nachfolge, wie er meinte, sondern aus persönlichen Gründen, was ihm aber irgendwie niemand glaubte. Als gesichert gilt jedenfalls, dass sich Schröcksnadel, der während seiner Präsidentschaft als Geschäftsführer von Bergbahnen und Chef diverser Ski-Firmen ein regelrechtes Ski-Imperium aufbauen konnte, im Hintergrund weiterhin Einfluss sichern wollte. Auch seinen Sitz im Council des Internationalen Skiverbands will Schröcksnadel behalten.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Einigung auf Karl Schmidhofer wie ein Kompromiss, um eine Kampfabstimmung zu verhindern. Der 59-Jährige ist zwar kein ehemaliger Abfahrts-Champion, aber immerhin Onkel der Super-G-Weltmeisterin Nicole Schmidhofer. Darüber hinaus ist der gelernte Kellner und spätere Hotelier als Multi-Funktionär bestens in Politik und Wirtschaft vernetzt, unter anderem wegen seiner Rolle als Tourismusobmann der Region Murau-Murtal und durch diverse Stationen bei verschiedenen Seilbahnen, teils als geschäftsführender Gesellschafter. Im Wahlkampf 2017 ließ er sich zudem neben seinem BMW mit seinem Wunschkennzeichen "Kurz 1" ablichten, als Parteifreund des heutigen Kanzlers Sebastian Kurz.

Sofern keine weitere Wendung eintritt, soll Schmidhofer am 19. Juni bei der Länderkonferenz in Villach zum neuen ÖSV-Chef gekürt werden; Walchhofer und Götschl haben jedenfalls inzwischen ihren Verzicht bekannt gegeben. Mit der neuen Funktion werde Schmidhofer nach eigener Aussage dann auch sein derzeit wichtigstes Amt niederlegen. Er ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP.

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