Nordische Ski-WM in Oberstdorf:Blitzblau ohne Steigwachs

Lesezeit: 3 min

Ein Tag zum Zusammenpacken: Katharina Hennig (rechts) wird im Zielraum von der Kollegin Pia Fink getröstet. (Foto: MIS/imago)

Der WM-Skiathlon war eines der großen Ziele des deutschen Langlauf-Talents Katharina Hennig. Doch statt eines vorderen Platzes gibt es Tränen.

Von Volker Kreisl, Oberstdorf

Burgstall hat nichts mit Pferden zu tun. Das Wort Burgstall kommt von Burgstelle, es ist der Begriff für einen Platz, an dem schon sehr, sehr lange nichts mehr von der einst stolzen Burg zu sehen war. Manchmal ist es ein schöner Ort für Nostalgiker, und manchmal kann er unheimlich sein. Für Katharina Hennig war er ein Alptraum.

Genauer gesagt war es der Loipen-Anstieg hinauf zum Burgstall bei Oberstdorf, dem Ort der noch lange nicht vergangenen Nordisch-Weltmeisterschaften 2021. Hennig hatte sich so einiges vorgenommen, sie wollte mit einem mutigen zweiten WM-Auftritt eine bislang gelungene Saison krönen, der ihr Auftrieb für die weiteren Rennen gegeben hätte und vielleicht ein frühes Zeichen an die Talente im eigenen Verband gewesen wäre: Seht her, dieser anstrengende Sport lohnt sich.

Doch am Ende las sich das Ergebnis dieses Skiathlon-Tages, dem ersten großen WM-Vergleich so, wie üblich. Therese Johaug, Norwegerin und stärkste Läuferin der vergangenen Jahre, war trotz einiger Aufregung im Rennen die Abgeklärteste, Achnellste und technisch Eleganteste und fügte ihrer WM-Goldsammlung einen weiteren Sieg hinzu. Die anderen Medaillen gingen an die Schwedinnen Frida Karlsson und Ebba Andersson, die diesmal beste Läuferin des Deutschen Skiverbandes, Pia Fink aus Bermelau, landete auf Rang 19. Im Männerrennen wiederum hängte der russische Weltcupführende Alexander Bolschunow mit einem geschickten Antritt kurz vor dem Ziel fünf Norweger ab, die dann auch alle auf den Plätzen zwei bis sechs landeten.

Das Glück war nicht mit Hennig - und ihren Wachstechnikerin

Und Katharina Hennig, die sich so viel vorgenommen hatte, war schon zuvor schwer enttäuscht ins Ziel gekommen. Sie hatte eigentlich ein gutes Gefühl am Morgen des Skiathlons gehabt, bei dem es über 7,5 Kilometer in der klassischen und 7,5 Kilometer in der Skating-Technik geht, kurz unterbrochen von einem Skiwechsel. Doch schon bald nach dem Start spürte Hennig, dass dieses Rennen heute für sie nicht glatt läuft. Früh fiel sie ins Mittelfeld zurück, seltsam schwer ging es durch den eigentlich doch diesmal kalten Schnee, und als es dann zum Burgstall hinaufging, da rutschte sie öfter nach hinten - ihr fehlte der Grip. Und dann, sagte Hennig, fangen auch die Gedanken an, die Form zu blockieren: "Mein Kopf begann zu arbeiten, ich hatte mir doch so viel vorgenommen", zudem, "es ist doch das wichtigste Rennen des Jahres." Bald war ihr klar: "Ich war blitzeblau."

Das ist der Zustand, in dem die Muskeln nicht mehr wollen, und auch Hennigs Gedanken rasten und stolperten fortan und kamen zu keiner befriedigenden Erklärung. Nur die Tränen flossen dann im Ziel, was den Frust vielleicht ein wenig dämpfte. "Ich bin traurig, das Glück war heute nicht bei mir", sagte sie.

Das Glück war tatsächlich wohl auch nicht mit Hennigs Wachstechnikern. Die kamen mit der diffizilen Herausforderung dieses tagelang von der Sonne versulzten und nun über Nacht doch erkalteten Schnees nicht zurecht, der zudem noch von den Pisten-Technikern am Burgstall-Anstieg speziell präpariert - und dann für jegliche Testfahrten gesperrt wurde.

Rutschbahn für Medaillengewinnerinnen: Die Schwedin Frida Karlsson, Mitte, wird von Therese Johaug abgeräumt - sie macht den Rückstand später wieder wett. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Peter Schlickenrieder, Langlauf-Chefcoach beim Deutschen Skiverband (DSV), kam dann doch eine nachvollziehbare Erklärung für Hennigs Skiathlon-Niederlage. Die Ski könnten nach der Abfahrt auf jener über Nacht harten und ruppigen Piste glatt gerieben worden sein. "Das hat das Steigwachs wahrscheinlich nicht überlebt", sagte Schlickenrieder, und für so einen abgeschliffenen Ski sei "der Burgstall halt doch ein bissl zu lang".

Dies war eine erste Analyse eines für die Verlierer sehr enttäuschenden und für die Sieger sehr aufregenden ersten WM-Samstags. Denn auch die Medaillengewinnerinnen sahen kurz mal so aus wie Verliererinnen in einer Slapstick-Klamotte. Kurz nach dem Start hatten sich Johaug, Karlsson und Andersson bereits leicht abgesetzt, als sich die Norwegerin mit Karlsson verhakte und die beiden sich gegenseitig abräumten. Während Johaug schnell auf die Beine kam und davonlief, um die vom Sturz verschonte Andersson einzuholen, wedelte Karlsson mit dem Rest ihres gebrochenen Skistocks, dessen Austausch sich verzögerte, weil der Helfer zwar schnell mit Ersatz zur Stelle war, Karlsson aber in der Eile daneben griff und der Helfer beim Hinterherlaufen auch noch fast fast wegrutschte. Und so machten manche Akteure dieses Nachmittags, ältere wie jüngere, neue Erfahrungen. Karlsson, 21, sicherte sich trotz des Sturzes mit einer fabelhaften Aufholjagd noch Silber, wobei ihr Teankollegin Andersson, 23, auf Platz zwei liegend unfreiwillig entgegenkam: Beim Skiwechsel verbrauchte sie dermaßen viel Zeit, dass sie letztlich auf Platz drei zurückfiel.

Bronze ist aber auch nicht schlecht, nur Katharina Hennig hatte keinen Trost, außer vielleicht nach den Tränen noch die Dusche, die, wie sie sagte, den ganzen Frust schon "wegspülen" würde.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: