Niederlande:Dieser Mann kämpft gegen Hollands Blamage

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Allein gelassen von zahlreichen Mitstreitern: der niederländische Bondscoach Danny Blind. (Foto: Michael Kooren/Reuters)

Nationaltrainer Danny Blind verpasste die Qualifikation zur EM. Trotzdem liegen nun die Hoffnungen des Fußball-Landes bei ihm. Andere wollen nicht mehr.

Von Ulrich Hartmann

Für den Augenblick ist die Situation der leidgeprüften niederländischen Nationalmannschaft ausnahmsweise mal im Wortsinne "1 a": Man ist vorübergehend Tabellenführer in der WM-Qualifikationsgruppe A vor den punktgleichen Franzosen und Schweden. Doch die Halbwertszeit dieses Wohlgefühls erscheint knapp, denn schon an diesem Montag wird sich im dritten Gruppenspiel gegen den EM-Finalisten Frankreich (20.45 Uhr, RTL Nitro) entscheiden, was das 1:1 in Schweden und das 4:1 gegen Weißrussland am Ende wert waren. Zu viele Ausrutscher kann sich keine Mannschaft in dieser Gruppe erlauben, denn nur der Erste darf direkt zur WM nach Russland; schon der Tabellenzweite muss die Playoffs spielen.

Mitte der Achtzigerjahre hatte das Team Oranje nach einer EM (1984) auch gleich noch die darauffolgende WM (1986) verpasst; 30 Jahre ist das her, es galt den meist zuversichtlichen Niederländern eigentlich als längst verstaubte Episode. Doch im Moment quält den Verband der Wundschmerz der versäumten EM in Frankreich. Bondscoach Danny Blind ist nach einer Reihe von Abschieden mittlerweile eine Art Einzelkämpfer. Sportdirektor Bert van Oostveen sowie die Trainer-Assistenten Dick Advocaat (Fenerbahce Istanbul) und Marco van Basten (Fifa) gingen freiwillig, und das gute Gewissen des niederländischen Fußballs, Johan Cruyff, ist verstorben. Wenn die Elf an diesem Montag zum wegweisenden Spiel gegen Frankreich in die Amsterdamer Arena zurückkehrt, wird vor dem Anpfiff wieder "Blut, Schweiß und Tränen" vom Schlagersänger André Hazes aus den Boxen dröhnen. Selten hatte der alte Schmachtfetzen mehr Berechtigung als in der Gegenwart.

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Zur Erinnerung: Vor genau einem Jahr hatte Oranje in Amsterdam mit 2:3 gegen Tschechien verloren und damit endgültig die EM in Frankreich verpasst. Der Trainer galt damals beim Verband als die bedrohteste Funktionärsart - jetzt ist Blind kurioserweise der letzte Verbliebene.

Die Leistungen und Ergebnisse der ersten beiden WM-Qualifikationsspiele waren aber immerhin zufriedenstellend. Mit den Innenverteidigern Jeffrey Bruma (VfL Wolfsburg) und Virgil van Dijk (FC Southampton) sowie den Sechsern Kevin Strootman (AS Rom) und Georginio Wijnaldum (FC Liverpool) hat Blind einen verlässlichen defensiven Viererblock gefunden. Offensiv vertraut er Quincy Promes (Spartak Moskau), Davy Klaassen (Ajax Amsterdam), Wesley Sneijder (Galatasaray Istanbul) und dem 22-jährigen Mittelstürmer Vincent Janssen (Tottenham Hotspur). Promes (2), Klaassen und Janssen trafen auch jetzt beim 4:1 gegen Weißrussland.

Doch statt nun erst einmal aufatmen zu dürfen, macht sich der Bondscoach schon wieder neue und noch größere Sorgen, denn Sneijder musste zur Pause ausgewechselt werden und fällt gegen Frankreich aus. Er hatte sich bereits einige Tage zuvor im Liga-Spiel gegen Antalya die Muskulatur im Oberschenkel gezerrt. Und Bayerns Arjen Robben hat wegen einer Rippenprellung von vornherein auf die Reise verzichtet und jetzt auch noch einmal verneint, als nach Sneijders Verletzung die Nachfrage kam, ob er nicht vielleicht doch helfen könne. Sneijder und Robben sind die letzen Vertreter einer prominenten Generation; Robin van Persie (Fenerbahce) und Rafael van der Vaart (FC Midtjylland) waren nicht mehr nominiert worden.

Blind sagt, gegen Weißrussland habe man "zu schlampig" gespielt

Erst kurz vor dem Spiel will Blind verkünden, wie er seine Elf gegen Frankreich aufstellt, zumal sich jetzt auch noch Torwart Jasper Cillessen im Training eine Köchelverletzung zugezogen hat. Durchgängig gefallen hatte dem Trainer die Leistung gegen Weißrussland ohnehin nicht, man habe ein Viertel der Partie "zu schlampig" gespielt, "und das werden wir uns gegen Frankreich nicht erlauben können".

Ob er denn wirklich an einen Sieg glaube, ist Blind am Sonntag provokant gefragt worden, er hat geantwortet: "Ja, sicher - wir sind ganz gut in Form, und die Franzosen haben auch ihre Schwächen."

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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