Neymar:Sogar der Eiffelturm erstrahlt

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Der neue Pariser Posterboy: Neymar bei seiner Vorstellung im Prinzenpark vor der Fantribüne. (Foto: Jacques Demarthon/AFP)

Mit Glanz, aber noch ohne Einsatz stellt sich der brasilianische Stürmer in Paris vor - die neuen Mitspieler von PSG fürchten seinen Schatten. Julian Draxler etwa spielt eine ähnliche Rolle wie der Zugang.

Von Oliver Meiler

Ein Fußballer, das lässt sich nun mit abschließender Gültigkeit sagen, gibt nur dann genügend Spektakel her, wenn er spielt. Und zwar richtig, in einem Pflichtspiel mit allem Drum und Dran, gerne auch mit Kür. Ein bisschen jonglieren wie eine Robbe im Zoopool und ein bisschen Bälle-in-die-Ränge-Kicken, das reicht nicht aus für ein Unterhaltungsprogramm. In Paris holten sie Martin Solveig in den Parc des Princes, damit der die ersten Schritte des noch nicht spielberechtigten Neymar Junior mit seinen Beats unterlegte. Solveig ist ein berühmter DJ, er könnte das Stadion auch selber füllen. Und er ist Fan von Paris Saint-Germain. Zur Premiere Neymars trug der DJ ein Trikot des Vereins. Auf dem Rücken stand aber nicht Neymars "10", sondern die "27". Diese kleine Zahlenspielerei hatte es in sich.

Die "27" gehört dem Argentinier Javier Pastore, einem eleganten, aber recht inkonstanten Mittelfeldspieler, den die Katarer einst als ersten prominenten Zugang anstellten - vor sechs Jahren, als sie PSG gekauft hatten. Vor Neymars Rekordtransfer war Pastore ein Jahr lang die "10", die Chiffre für Spielprägung. Er überlässt sie nun aber dem neuen "König" der Stadt, wie L' Equipe Neymar nannte, ohne dazu gedrängt worden zu sein - als selbstlose Willkommensgeste, als präventive Respektsentbietung. Heißt es jedenfalls.

Mit rechts über links kommen - auch Julian Draxler spielt eine ähnliche Rolle wie Neymar

Allerdings glaubt man auch zu wissen, dass Neymar, der bei seinem früheren Verein Barça im Schatten einer anderen "10" mit unbedingtem Anspruch auf die "10" gestanden hatte, in jenem Lionel Messis, nun endlich selbst der Leader sein will, natürlich mit der "10". Vielleicht steht das sogar in seinem Vertrag. In Paris verkaufte sich das Trikot mit der neuen "10" in den vergangenen Tagen schon Zigtausende Male.

Aber eben, mitspielen durfte Neymar am Samstag beim lahmen, lustlosen Saisonstart von PSG gegen Aufsteiger Amiens (2:0) noch nicht. In Paris wartet man nämlich noch auf die Papiere aus Spanien. Der spanische Fußballverband hätte genügend Zeit gehabt, die nötigen Transferdokumente rechtzeitig zu überweisen, damit das Bürokratische schon zum Auftakt geregelt gewesen wäre. Doch ganz offensichtlich fehlte den Spaniern die Lust dazu.

Neymars Wechsel für 222 Millionen Euro gilt ihnen als diplomatischer Affront gegen die Liga, in der Wirtschaft würde man es wohl eine "feindliche Übernahme" nennen. Da wirkt also verletzter Stolz. Wenn die Spanier nun noch einige Tage länger zuwarten, könnte "Ney" auch das zweite Meisterschaftsspiel seines neuen Vereins verpassen, in der Bretagne gegen Guingamp. Bei PSG müssten sie dann den Weltverband Fifa anrufen, damit der dem spanischen Verband Beine macht.

Die Ungeduld ist groß. Man könnte leicht den Eindruck gewinnen, Frankreich entdecke mit Neymar erst den Fußball, als begründe sein Name allein eine neue Ära. Mit ihm soll plötzlich alles möglich sein - mit seinen Tricks und Dribblings, den Sombreros und den Beinschüssen, den Sturmläufen, von denen es heißt, sie sprengten System und Gleichgewicht von jedem Gegner. Sogar der Sieg in der Champions League scheint nun programmiert zu sein.

Natürlich ist das alles viel zu viel.

Zunächst wird schon mal interessant sein, ob Neymar mit der harten Gangart im französischen Fußball umgehen kann. In Brasilien und Spanien behelligen sie die Künstler nur, wenn jene provozieren. "Ney" ist bei aller Frohmut, die sein leichtfüßiger Tanz hergibt, ein notorischer Provokateur, einer, der Minderbegabten ihre Minderbegabung gerne vorführt. In der Ligue 1 lässt er das wohl besser bleiben.

Interessant wird auch sein, wie er sich mit seinem neuen Partner im Sturm, dem Uruguayer Edinson Cavani, versteht. "El Matador", wie der Mittelstürmer genannt wird, hat in der vergangenen Saison 49 Tore erzielt - nur Zlatan Ibrahimovic gelang in einer PSG-Spielzeit einmal ein Tor mehr. Doch zum Groß-Star, wie ihn sich Katar für die Vermarktung wünscht, fehlte dem introvertierten, streng religiösen Cavani das Charisma. Aber was ist mit den Toren: Würde es Neymar ertragen, wenn Cavani mehr erzielte als er selber und damit auch seine Chancen auf die Wahl zum Weltfußballer schmälerte? Gegen Amiens gelang Cavani bereits der erste Treffer, sein Jubel fiel erstaunlich trotzig aus.

Auch andere Herrschaften im Team fürchten den Schatten Neymars, allen voran der Deutsche Julian Draxler, den PSG erst vor einem halben Jahr angestellt hat. Draxler ist ein Rechtsfuß, der über links kommt und gerne mit dem Ball am Fuß ins Zentrum drängt - wie Neymar bei Barça. Platz für Draxler scheint es nur zu geben, wenn Trainer Unai Emery mal 4-4-2 spielen lässt, mit Cavani und Neymar als Doppelspitze. Allerdings scheint auch in dieser Formel Pastore im linken, offensiven Mittelfeld die besseren Chancen zu haben als Draxler. Bisher war noch nie die Rede davon, dass man Draxler nach so kurzer Zeit wieder ziehen lassen wollte. Doch nach den Ausgaben für Neymar muss PSG wohl etwas für die Einnahmen tun, und der Deutsche hat seinen Marktwert beim Confed Cup wohl noch etwas verbessern können. Auf der Liste möglicher Abgänger stehen unterdessen andere: Blaise Matuidi, Serge Aurier, Hatem Ben Arfa und der Pole Grzegorz Krychowiak.

Neymar wird sich im neuen Verein trotz allem sehr schnell sehr wohlfühlen, wenigstens atmosphärisch. Gleich vier Kameraden aus der brasilianischen Nationalmannschaft erwarten ihn: Dani Alves, Marquinhos, Lucas Moura und Thiago Silva. Alves jedoch sorgte nach dem 2:0 gegen Amiens für eine mittlere Aufregung, deren Echo über die Pyrenäen dröhnte. Nicht er habe Neymar geraten, nach Paris zu wechseln, sagte er in die Kameras, da hätten die Medien Mist erzählt. Es sei vie mehr genau umgekehrt gewesen: Neymar habe ihn, Alves, davon überzeugt, nach einem Jahr bei Juventus Turin nicht nach England zu Manchester City zu ziehen, sondern eben nach Paris - schon vor etlichen Wochen.

Und so dämmert den Katalanen, dass die Neymars, Junior und Senior, offenbar schon lange gewusst hatten, dass sie Barcelona verlassen würden und nur deshalb nichts sagten, weil sie um eine Prämie von 26 Millionen Euro fürchteten, die ihnen Barça für Ende Juli versprochen hatte. Die Prämie wurde nun in der Schublade eines Notars verstaut. Der Verein fühlt sich hintergangen und will sie nicht auszahlen.

Überhaupt überwiegt in Barcelona der Eindruck, Neymar habe sich unbotmäßig und undankbar aus dem Staub gemacht. Die Zeitung La Vanguardia rechnete am Sonntag vor, wie teuer der Brasilianer den Verein zu stehen kam. Gemeint sind nicht die Millionen, die Barcelona für ihn ausgab, denn die hat man nun locker wieder eingespielt. Sondern die Strafprozesse und der Imageschaden für den Klub und dessen Spitzen. Der frühere Präsident, Sandro Rosell, der den Transfer Neymars von Santos zu Barça einst eingefädelt hatte, sitzt wegen der reichlich obskuren Abmachungen in einem Gefängnis in Madrid und wartet auf sein Verfahren.

In Paris ist das alles weit weg. Die Vorstellung Neymars dauerte übrigens nur 20 Minuten. Da hatte er auch zum ersten Mal das obligate "Ici, c' est Paris" in ein Mikrofon gesagt: Hier, das ist Paris, und sein 140-Euro-Trikot vom Leib gerissen und die "Virage Auteuil" damit bedacht, eine der Kurven im Prinzenpark. Rund war die Nummer aber erst später, als sich die Nacht auf Paris legte. Da erstrahlte der Eiffelturm zu Ehren des neuen Königs in den Vereinsfarben, in Rot und Blau. Es war auch ein bisschen Weiß dabei, fast eine Trikolore. Wenn das mal nicht schiefgeht.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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