Neue Formel-1-Technik:Radikalkur für das Fossil

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Weniger Hubraum, weniger Zylinder, mehr Hybrid-Technik: Die neuen Formel-1-Wagen. (Foto: dpa)

Es ist keine Renovierungsarbeit, sondern eine Totalsanierung. Mit dem neuen Regelwerk krempelt die FIA die veralteten Strukturen um. Das ist auch ein Versuch, der Formel 1 die gesellschaftliche Akzeptanz sichern, die ihr abhanden zu kommen droht.

Ein Kommentar von René Hofmann, Melbourne

Die Formel 1 hat in ihrer Geschichte schon viele Änderungen erlebt. Die Saison 2014, die am Wochenende in Melbourne beginnt, bietet aber eine wirklich wegweisende Neuerung. Leichtbau, Autos, die sich mit Aerodynamik-Tricks an den Asphalt saugen, Getriebe, die Gänge in Millisekunden wechseln - was die Serie an bemerkenswerter Technik hervorgebracht hat, entsprang bisher stets dem Drang der Ingenieure, immer noch schnellere Autos zu bauen. Das ändert sich nun.

Dass es keine Achtzylinder-Motoren mehr gibt, dass es überhaupt keine Motoren mehr gibt, die den Namen in seinem klassischen Sinn verdienen - dahinter stecken die Regelhüter: der Automobilweltverband FIA, angeführt von Präsident Jean Todt, dem ehemaligen Ferrari-Teamchef. Der 68-Jährige hat dem Fossil des Motorsports eine Radikalkur verordnet, die auf das zielt, was den Mythos Formel 1 mitbegründet hat: die Kraftmaschinen im Innern der Autos. Früher pochten dort Zwölfzylinder, und es gab tatsächlich Menschen, die behaupteten, das müsse immer so bleiben. "Der Motor ist das Sexualorgan eines jeden Ferrari. Für uns kommt deshalb nur ein Zwölfzylinder in Frage": Ferrari-Präsident Luca Cordero di Montezemolo hat das einst gesagt. Der 66-Jährige musste umdenken, wie so viele.

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Die Formel 1 musste sich selten Mühe geben

Weniger Hubraum, weniger Zylinder, mehr Hybrid-Technik. Nicht als Gimmick, sondern als Vorgabe: Avantgarde als Programm - das hat es so noch nie gegeben. Auch, weil bisher nie die Notwendigkeit bestand, sich auf diesen Weg zu begeben. Die Formel 1 musste sich selten Mühe geben. Königsklasse des Motorsports: Wer dieses Image hat, braucht nur noch ein wenig Politur auftragen. Hinter der glänzenden Fassade aber bröckelt es.

Viele Teams haben Finanzprobleme. Mehr als die Hälfte der Fahrer zahlt inzwischen für ihren Arbeitsplatz. Es gibt nur drei Motorenhersteller. Die TV-Zahlen weltweit fielen 2013 um 50 Millionen. Auch RTL verzeichnete weniger Zuschauer, obwohl Sebastian Vettel den Titel gewann. Todts Totalumbau ist deshalb mehr als eine Renovierungsarbeit. Es ist ein Sanierung von Grund auf, die die Show wieder auf ein stabiles Fundament stellen soll. Die neue Technik soll der Formel 1 einen dringend nötigen Impuls geben: Sie soll die Rennerei ökologisch vertretbarer machen und ihr die gesellschaftliche Akzeptanz sichern, die ihr abhanden zu kommen droht. Einen Erfolg kann der Franzose schon verzeichnen: 2015 kehrt Honda als Motorenlieferant zurück.

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Königsklasse ohne Impresario

Die neue Technik wird die Rennen verändern. Es wird darauf ankommen, sich die Energie - jedem Fahrer sind pro Grand Prix nur noch hundert Kilogramm Benzin erlaubt - klug einzuteilen. Bis die Technik ausgereift ist, wird es eine Weile dauern, und so lange wird es wieder mehr Ausfälle geben. Das bricht die etablierte Hackordnung, was nach vier Jahren, in denen am Ende der Sieger stets Sebastian Vettel/Red Bull hieß, für viele eine willkommene Abwechslung sein dürfte.

Die neuen Reize sind stark, gerade wenn man sie mit dem vergleicht, was zuletzt zum Start als Neuigkeiten präsentiert wurden: neue Rennen auf neuen Märkten, manche unter Flutlicht, die wenigsten aber in echten Demokratien. Auch in diesem Jahr gibt es derlei wieder: Im Oktober geht es erstmals in Sotschi rund - und zwar rund um das Olympiastadion, das Staatspräsident Wladimir Putin für die Winterspiele errichten ließ.

Autochen für Autokraten: Die Nummer funktioniert immer noch. Aber sie überstrahlt nicht mehr alles, wie überhaupt auffällt, dass auch die Wirkung einer Figur nachlässt, die in den engen Grenzen des Fahrerlagers lange als allmächtig galt: Bernie Ecclestone. In ein paar Wochen beginnt in München ein Prozess gegen ihn. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Formel-1-Vermarkter Bestechung vor im Zusammenhang mit dem Verkauf der Rennserie an den Finanz- investor CVC vor rund acht Jahren. Ecclestone droht Gefängnis, was sein Ende als Formel-1-Manager besiegeln würde.

Die Königsklasse ohne Impresario - vor einiger Zeit war das tatsächlich ein umstürzlerisches Szenario. Inzwischen ist es das nicht mehr. Nicht nur, weil Ecclestone mittlerweile 83 ist. Er ist schlicht einer von gestern. Die neue Technik hat er als "totale Farce" beschimpft. Er glaubt immer noch: "Die Leute wollen Lärm, darum geht's in der Formel 1."

© SZ vom 15.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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