NBA:Das Undenkbare

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Hat an einigen Baustellen zu knabbern: LeBron James bei den L.A. Lakers. (Foto: Mark J. Terrill/AP)

Erstmals seit 2006 droht LeBron James die Playoffs zu verpassen. Zuletzt störte er die Einheit bei seinen LA Lakers empfindlich.

Von Raphael Weiss

Es ist eine Woche her, dass LeBron James die NBA gewarnt hatte: "Ich habe jetzt den Playoff-Modus aktiviert." Soll heißen, er fährt die Intensität hoch, kämpft in jedem Spiel bis zum Schluss, kurz: Jetzt geht es um alles. Eine Mentalität, die nötig sein wird, um die Los Angeles Lakers in den verbleibenden 20 Saisonspielen auf einen Playoff-Platz zu hieven. Doch so groß die Ankündigung war, so groß war auch die Enttäuschung in den darauffolgenden Spielen. James machte zwar seine Punkte, füllte auch die Statistiken bei Rebounds und Assists auf - doch ausgerechnet dort, wo sich am meisten der "Playoff-Modus" bemerkbar machen sollte, wirkte er lustlos wie selten zuvor: in der Defensive.

Im Spiel gegen die Memphis Grizzlies am vergangenen Dienstag irrte er bei gegnerischem Ballbesitz Spielzug für Spielzug über den Court. Am drastischsten zeigte sich die mangelnde Einstellung bei einem Wurf von Bruno Caboclo, der von der Dreierlinie vollkommen unbedrängt werfen und treffen durfte. Ausgerechnet derjenige, der Caboclo verteidigen sollte, stand gut drei Meter entfernt von ihm, stampfte wütend auf den Boden und schrie seine Mitspieler an: LeBron James.

Eine Bilanz von 30:32 Siegen, vier Siege Abstand auf die San Antonio Spurs und somit auf die Playoff-Ränge, und das schwerste Restprogramm von allen Teams, die im Westen um den Einzug in die Finalserie kämpfen. Wenig spricht dafür, dass die Los Angeles Lakers die Playoffs erreichen. Es wäre das erste Mal seit 2006, dass James nicht in die Playoffs einzieht. Vor der Saison war klar, dass die Lakers kein Titelkandidat sein würden, dass die erste Saison von James in Kalifornien vor allen Dingen im Zeichen des Umbruchs stehen würde. Doch Lakers-Manager Magic Johnson hatte das Team umgebaut, um es gut auf James zuzuschneiden. Lange wurde spekuliert, wie sich James in seiner ersten Saison in der Western Conference, dem deutlich stärkeren Arm der NBA, schlagen würde. Dass er nicht in die Playoffs kommen würde, war eigentlich undenkbar.

James buhlte um einen neuen Mitspieler - und verunsicherte die Kollegen

Die Gründe für das schlechte Abschneiden sind zumindest für James offensichtlich. Nach der Niederlage der Lakers gegen die Grizzlies trat er vor die Mikrofone und zeigte öffentlich auf die angeblich Schuldigen: "In den letzten Jahren hat sich hier jeder ans Verlieren gewöhnt. Das kenne ich so nicht", nur um ein Spiel und eine Niederlage später nachzulegen: "Wenn du dich zu diesem Zeitpunkt der Saison immer noch vor einem Spiel ablenken lässt, dann ist das hier die falsche Franchise für dich. Ernsthaft, wenn dich der Playoff-Push ablenkt oder die anderen Themen, über die dieses Jahr bei uns geredet wurde, nein." Ein klarer Seitenhieb in Richtung der jungen Spieler in der Mannschaft, zu denen auch Moritz Wagner und Isaac Bonga zählen. Die beiden Deutschen trifft allerdings nicht die größte Schuld, da sie bei den Lakers nur selten zum Einsatz kommen. Die Kritik richtete sich vor allen Dingen an den jungen Kern der Lakers: Brandon Ingram, Lonzo Ball und Kyle Kuzma. Die talentierten Spieler sollten, bevor James in diesem Sommer nach LA wechselte, die Zukunft der Franchise sein. Seit der Ankunft von James ist das anders.

Denn James ist nicht ganz unbeteiligt an den "anderen Themen, über die dieses Jahr geredet wurde". Als Anthony Davis, Power Forward der New Orleans Pelicans, Mitte Januar über seinen Agenten verlauten ließ, dass er gerne wechseln würde, war Magic Johnson bereit, während der Saison fast alles für Davis zu opfern: Ingram, Ball, Kuzma. Drei junge Spieler, denen zweifelsohne eine gute Karriere bevorsteht, gegen einen ausgereiften Superstar. James erklärte damals mehrfach, wie gerne er mit Davis, einem der besten Spieler der Liga, zusammenspielen würde, und zeigte damit gleichzeitig, dass er kein Vertrauen in seine aktuellen Teamkollegen hat. Der Tausch kam nicht zustande, doch die Verhandlungen zeigten Wirkung. In den Spielen danach sah man, dass die Mannschaft es bei Rückschlägen nicht mehr schaffte, als Einheit aufzutreten.

Dabei sah es bis zur Mitte der Saison sehr gut aus für die Lakers. Vierter Platz im Westen, eine gut funktionierende Offensive und eine der besten Defensiven der gesamten Liga. Dann verletzte sich James und fiel 17 Spiele aus. Die längste Verletzungspause seiner Karriere. Ohne den Anführer verlor LA elf der 17 Spiele. Doch auch nach seiner Rückkehr konnte das Team nicht mehr an die guten Leistungen aus der ersten Saisonhälfte anknüpfen.

Die Chancen der Lakers auf die Playoffs liegen bei fünf Prozent

In der Nacht zum Samstag waren die Milwaukee Bucks, das beste Team des Ostens, zu Gast in Los Angeles. Die Lakers zeigten zum ersten Mal seit langem eine geschlossene Teamleistung, bewegten den Ball gut, spielten uneigennützig und verteidigten sehr konzentriert. Die Mannschaft erinnerte an jene, die im Dezember noch auf Rang vier stand. Irgendetwas schien Wirkung gezeigt zu haben. Vielleicht waren es die Worte von James, die die Mannschaftskameraden anstachelten, vielleicht die Kritik der Medien an James' Verteidigung, die ihn motivierte oder das veränderte Spielsystem von Coach Luke Walton. Kurz vor Schluss stand es 118 zu 118. Dann kam der Einbruch. Ein 10:0-Lauf der Bucks, bei dem James zwei Fehlwürfe und einen Turnover produzierte, entschied die Partie. Endstand 120:131.

In der NBA, in der es zu jedem kleinen Aspekt des Sports eine Statistik gibt, zu jedem Szenario eine Wahrscheinlichkeit berechnet werden kann, liegen bei allen Datenbanken die Chancen, dass die Lakers noch in die Finalserie einziehen, nun bei ungefähr fünf Prozent. Abschreiben sollte man sie trotzdem nicht, denn die Erfahrung zeigt: Immer dann, wenn James mit dem Rücken zur Wand steht und alles gegen ihn spricht, wächst er über sich hinaus. Ein essenzieller Schritt in Richtung Playoffs wäre ein Sieg am Dienstag, dann spielen die Lakers im Stadtderby gegen die Clippers, einen direkten Konkurrenten auf Platz acht im Westen. Sollten die Lakers da aber verlieren, dürfte es schon sehr eng werden für sie und ihren Anführer.

© SZ vom 03.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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