NBA:Beben in der Bucht

Lesezeit: 3 min

Der Wechsel von Kevin Durant zu den Golden State Warriors erschüttert die Basketball-Landschaft in den USA. Aufgrund erhöhter Liga-Einnahmen kocht der Transfermarkt hoch - nicht nur Golden State profitiert.

Von Joachim Mölter, Oakland/München

An der amerikanischen Westküste müssen die Menschen ständig mit Erschütterungen rechnen: Fast durch ganz Kalifornien zieht sich die Sankt-Andreas-Verwerfung, ein Graben, an dem sich zwei tektonische Erdplatten reiben, die pazifische und die nordamerikanische. Immer mal wieder bebt dort die Erde, so wurde beispielsweise San Francisco 1906 von einer der schlimmsten Naturkatastrophen heimgesucht. 1989 war es ähnlich, damals wurde die gesamte Bucht in Mitleidenschaft gezogen. Nun ist von der am östlichen Ufer der San Francisco Bay gelegenen Stadt Oakland ein neues Beben ausgegangen, eins, das glücklicherweise nur die Basketball-Landschaft erschüttert hat, die allerdings quer durchs ganze Land.

Am Montag nämlich gab Kevin Durant, 27, bekannt, dass er seinen ausgelaufenen Vertrag bei Oklahoma City Thunder nicht verlängern, sondern sich stattdessen den in Oakland beheimateten Golden State Warriors anschließen will. "Raus aus meiner Komfortzone, in eine neue Stadt, in der ich mich persönlich entwickeln kann", so begründete Durant seine Entscheidung.

Einen ähnlich hochkarätigen Wechsel hat es in der Geschichte der nordamerikanischen Profiliga NBA noch nicht gegeben. Der Weggang von LeBron James, dem vermutlich besten Basketballspieler der Gegenwart, zu Miami Heat und seine Rückkehr zu den Cleveland Cavaliers in den Jahren 2010 und 2014 waren zwar spektakulär inszeniert, hatten aber trotz allem nicht diese sportliche Wucht wie nun die Verbindung von Durant und den Warriors.

Man muss sich das ja mal vorstellen: Auf der einen Seite die Golden State Warriors, Meister von 2015, Finalist von 2016 und in der abgelaufenen Saison Gewinner von 73 Spielen (von insgesamt 82), womit sie den 20 Jahre alten Rekord der Chicago Bulls um Michael Jordan um einen Sieg verbesserten. Eine Mannschaft mit einer schier unaufhaltsamen Offensive, angeführt von Stephen Curry, 28, dem wertvollsten NBA-Akteur der vergangenen beiden Spielzeiten, dem besten Korbjäger der abgelaufenen Saison, dem seit Jahren erfolgreichsten Schützen aus der Distanz.

Und dieses Team verstärkt nun Durant, der unmittelbare Vorgänger von Curry als MVP (2014), der viermalige Top-Punktesammler der Liga (2010, '11, '12 und '14). "Das ist verrückt", twitterte Marcin Gortat, der polnische Center der Washington Wizards, und fragte: "Werden sie jetzt 200 Punkte pro Spiel machen?" In Las Vegas haben die Buchmacher nach Durants Ankündigung die Wettquoten umgehend angepasst: Wer jetzt noch auf die ohnehin schon als Favoriten gehandelten Warriors als NBA-Meister 2017 setzen will, bekommt im Erfolgsfall nicht mal seinen Einsatz zurück. Dafür ist der Kurs von Oklahoma City abgestürzt - von 8:1 auf 30:1.

Kevin lässt es krachen: Mit dem angekündigten Wechsel zu den Golden State Warriors hat NBA-Profi Durant einen spektakulären Treffer gelandet. (Foto: Monica M. Davey/dpa)

In den zurückliegenden Playoffs waren sich die beiden Teams noch auf gleichem Niveau begegnet: In der Halbfinalserie unterlag Thunder nach einer 3:1-Führung den Warriors 3:4; die wiederum verloren dann das Finale nach dem gleichen Muster gegen die Cavaliers von James. Dass sich Durant nach neun Jahren in Oklahoma City nun seinen jüngsten Bezwingern anschließt und den vermeintlich leichtesten Weg zum Titel einschlägt, wird durchaus kritisch gesehen; auch die Fülle von erstklassigen Werfern im Team stößt auf Skepsis: "Das Problem ist: Sie haben nur einen Ball", gab beispielsweise Rudy Gobert, der französische Center von Utah Jazz, per Twitter zu bedenken.

Was Kevin Durant nach Kalifornien treibt, ist klar: die Aussicht auf eine NBA-Meisterschaft, die ihm im Lebenslauf noch fehlt. Dafür hat er auf eine Menge Geld verzichtet, rund 80 Millionen Dollar, wie Experten berechneten. Denn der 2,06 Meter große Flügelspieler schließt mit den Warriors ja erst einmal nur einen Zweijahresvertrag, dotiert mit 54 Millionen Dollar. Bei seinem bisherigen Arbeitgeber hätte er deutlich mehr herausholen können, wie die jüngste Entwicklung auf dem Transfermarkt zeigt. Weil die Salary Cap - die Gehaltsobergrenze, die jeder Klub einhalten muss - aufgrund erhöhter Liga-Einnahmen signifikant gestiegen ist, haben seit Beginn der Wechselfrist am 1. Juli selbst mittelmäßige Profis bessere Verträge vereinbart (siehe Aufstellung).

Zu den Gewinnern von Durants Wechsel nach Oakland zählen im Übrigen auch die Dallas Mavericks. Der Klub des Würzburgers Dirk Nowitzki ist mit Harrison Barnes einig, der seinen Stammplatz bei den Warriors sowieso für Durant hätte räumen müssen; und weil Golden State irgendwo einsparen muss, um Durant zu entlohnen und trotzdem die Salary Cap einzuhalten, nimmt Dallas auch den Center Andrew Bogut samt dessen Gehalt ab. Zudem haben die Mavericks Stephen Currys jüngeren Bruder Seth, 25, aus Sacramento nach Dallas gelockt. Sie sollten damit stärker sein als in der vorigen Saison. Nachdem wegen ihrer anfänglichen Erfolglosigkeit auf dem Transfermarkt bereits die ersten Spekulationen über einen Abschied Nowitzkis aufgekommen waren, zerstreute der 38-Jährige diese nun: "Ich habe den Mavericks schon zugesagt, meinen Vertrag zu verlängern. Details klären wir in den nächsten Tagen." Die Rede ist von einem Zweijahreskontrakt mit einem Volumen von rund 40 Millionen Dollar. Unter Wert muss er seine Dienste ja auch nicht verkaufen.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: